Recklinghausen. Samstag Nacht, Vest Arena Recklinghausen. 20 bis 30 Jahre alt sind die meisten der rund 600 Zuschauer. Ältere haben Kinder, Jungen um die zehn, mitgebracht.

Und wenn ihr Star, der Deutsch-Rapper aus Berlin, sein Publikum bittet, mit den Fingern ein Herz zu formen, spätestens dann, als Sido „Herz” anstimmt, steht fest: Der ist doch gar nicht so schlimm, der will doch nur spielen.

Diesen Eindruck kann (will?) Sido auch mit Sprüchen wie „So viele Titten in der ersten Reihe, ich kann mich kaum konzentrieren” nicht verwischen. Das Publikum, ob acht oder 28 Jahre alt und auch unabhängig vom Geschlecht, mag den früheren Maskenträger, schwenkt begeistert seine in die Menge geworfenen Handtücher.

Der erzieht sich sein Publikum. Die linke Saalhälfe soll mitsingen, dann die rechte: Sie tun's. Die Zuschauer kennen alle Texte. Aber sie fordern praktisch nach jeden Lied ihren Favoriten, den „Arschficksong”(der erschien 2004, ist nicht indiziert). Sido vertröstet sie auf später. Erstmal stellt der Sonnenbrillenträger seine Band vor oder will die Menge springen sehen. Sido, der unverhohlen gegen Künstlerkollegen wie Bushido und Kay One oder Oliver Pocher, Thomas Godoj („Du bist scheiße”, 2008) anstänkert, umwirbt seine Fans, betont: „Hier ist es viel schöner als in der Schweiz, da habe ich gerade bei großen Festivals mitgemacht. Euch kann ich in die Augen sehen.” Und Sido, von dem behauptet wird, er habe mal Erzieher werden wollen, spielt mit seinem Image als böser Bube. Auf die Frage, ob im Publikum „perverse Schweine” seien, brüllt die Menge begeistert ihre Zustimmung.

Super-Intelligentes Drogenopfer: Sido

Sido wurde 1980 in Berlin geboren, heißt Paul Würdig. Karrierestart: 1997. Sido soll für „super-intelligentes Drogenopfer” stehen. Einige Alben und Singles platzierten sich in den Charts. Er saß in der Jury der Castingshow „Popstars”, moderierte die Verleihung des Comet-Musikpreises. Sein Markenzeichen, die Maske, hat er abgelegt. Sidos Texte gelten seinen Fans als hart und ironisch, Gegner lehnen Sido ab, weil gewaltverherrlichend, ein Frauenfeind und Schwulenhasser. Für einige Rappern ist Sido schlicht Mainstream.

Sido ist ein Star wie jeder andere. Pressefotografen dürfen nur während der ersten drei Songs arbeiten. Da ist Sido genauso gestrickt wie Elton John, BAP oder Bushido. Dass seine Fans, die immer jünger zu werden scheinen. ihn mit Handykameras ununterbrochen ablichten oder filmen, kommentiert er locker: „Stellst Du das auf Youtube? Okay, darfst Du. Aber bitte nicht mit dem Glas in der Hnd.” Grund: Er habe seiner Mama versprochen, nicht zu trinken, weil er Anibiotika nehmen muss. „Dass soll sie nicht sehen. Und sie weiß jetzt, wie man ins Netz geht.” Sido muss aber trinken, einen Toast anbringen. Dazu trägt er einen weißen Handschuh: „Auf Michael!” Sidos minimalistische Satire auf das Theater um Michael Jacksons Tod ist Teil einer gut durchdachten Show.

Sido will nur spielen