Die Zukunft der Steinkohle ist ungewiss, doch die neuen Azubis auf Auguste Victoria in Marl sind voller Zuversicht

Marl. Der gelbe Schutzhelm sitzt, die weiße Bergmanns-kluft auch. Lächelnd posieren junge Männer und Frauen fürs Gruppenfoto. Insgesamt 60 Auszubildende hatten gestern nämlich ihren ersten Tag im Bergwerk Auguste Victoria.

Einer ist Emrah Öztürk (19). Zwei Tage, nachdem sein Vater in Rente ging, hatte der Recklinghäuser vor einigen Wochen den Termin für den Einstellungstest. „Mein Vater war ganze 35 Jahre hier auf Auguste Victoria beschäftigt”, sagt Emrah Öztürk stolz. Bergmann war sein Vater, der einst als türkischer Gastarbeiter ins Ruhrgebiet gekommen war.

Gestern dann trat der Sohn also in die Fußstapfen seines Vaters. Es war der erste Tag seiner Ausbildung als Industriemechaniker bei der RAG. Sein Glück konnte der 19-Jährige kaum fassen. „Das war meine erste Bewerbung und es hat sofort funktioniert”, erzählt er. Aus seinem Bekanntenkreis kennt er das nämlich anders. „Viele haben hunderte Bewerbungen geschrieben, und nur Absagen bekommen. Andere jobben, wieder andere müssen für eine Lehrstelle weit wegziehen”, erzählt der Recklinghäuser. „Für mich ist die Lehrstelle wie ein Sechser im Lotto.” Ein guter Schüler sei er immer gewesen, „aber ich kann besser lernen, wenn ich etwa Praktisches habe, etwas zum Anpacken.” Das wird er nun bekommen.

Neue Lehrlinge für die RAG

60 junge Frauen und Männer haben gestern auf Auguste Victoria in Marl ihre Ausbildung begonnen. 300 waren es bei der ganzen RAG. Damit beschäftigt das Unternehmen nach eigenen Angaben derzeit 1340 Auszubildende.

Die RAG bildet in zwölf Berufen aus. Ein Schwerpunkt liegt allerdings auf den Ausbildungsberufen Industriemechaniker, Elektroniker, Mechatroniker und im kaufmännischen Bereich.

Die Auszubildenden kommen aus unterschiedlichen Schulformen in das Unternehmen. In den letzten Jahren sollen zwischen 22 und 49 Prozent der Azubis Hauptschulabsolventen gewesen sein. Mit gutem Ergebnis. Über 90 Prozent sollen die Abschlussprüfung erfolgreich gemeistert haben.

Doch die Zahl 2018 schwebt über dem Marler Bergwerk. Denn in dem Jahr soll es hier vorbei sein mit der Kohleförderung. Das ist auch den neuen Auszubildenden bewusst. „Sorgen mache ich mir aber nicht”, sagt der Hertener Marko Music (18). Nach dreieinhalb Jahren Ausbildung zum Industriemechaniker sieht er Perspektiven, auch wenn es auf Auguste Victoria für ihn nicht weitergehen sollte. „Vielleicht gibt es dann etwas bei anderen großen Unternehmen wie BP in Gelsenkirchen”, überlegt er. „Erst einmal will ich mich aber voll auf die Ausbildung konzentrieren. Ich weiß, dass es hier sehr gute Ausbilder gibt, und deshalb mache mir keine Sorgen um die Betreuung.”

Ausbildungsleiter Dietmar Krause erklärt: „Diese Ausbildungsberufe sind deutschlandweit geregelt. Es macht also keine großen Unterschied, ob man die Lehre bei uns, im Chemiepark oder bei Mercedes Benz macht.” Die Ausbildung sei zunächst vor allem eines: das Fundament für die berufliche Zukunft.

„Wir bilden natürlich nicht nur für den Bergbau aus”, sagt Ausbildungsleiter Krause auch angesichts der ungewissen Zukunft der Steinkohle. Gute Azubis hätten aber auch gute Aussichten. Schon früher seien ehemalige Bergmechaniker beispielsweise in der Schweiz im Tunnelbau untergekommen. Und auch aus der Umgebung fragten mittelständische Unternehmen und Kleinstbetriebe bei der RAG an, um gutes Personal aus den Azubikreisen zu rekrutieren.