Vest. Die Mitarbeiterinnen in einer Coesfelder Aldi-Filiale wehren sich gegen ihre Arbeitsbedingungen. Sie sagen, sie würden gemobbt und sollen stundenweise ohne Bezahlung arbeiten.

Der Lebensmitteldiscounter Aldi galt bisher in Gewerkschaftskreisen als Vorzeigeunternehmen: zufriedene Mitarbeiter, Betriebsratsstrukturen, sehr guter Kundenservice, ordentliche Bezahlung. Die Fassade dieser Glückseligkeit bekommt nun Risse. Der Verdi-Fachbereich Handel in Recklinghausen nimmt zurzeit die Anwaltsposition für Belegschaftsmitglieder einer Coesfelder Filiale ein, die diese Punkte beklagen: Mobbing am Arbeitsplatz durch Vorgesetzte – auch vor Kunden, Androhung von Kündigungen und/oder Versetzungen, wenn der Aufforderung zu unentgeltlicher Arbeitsleistung nicht nachgekommen wird. Die Frauen, die diese Vorwürfe erheben, sind der Redaktion namentlich bekannt und haben die Anschuldigungen, die zunächst von Verdi erhoben worden sind, am Montag in einem Gespräch bestätigt.

Sie sind frustriert, die Mitarbeiterinnen. Seit Jahren im Unternehmen Aldi-Nord beschäftigt, wollen sie nicht viel. „Im Kern geht es darum, dass wir nicht arbeiten wollen, ohne dafür bezahlt zu werden”, sagen sie und schildern dies:

Morgens sollen sie früher kommen, gute 30 bis 45 Minuten vor der Öffnung. Abends sollen sie länger bleiben, gute 30 bis 45 Minuten nach der Schließung. Dazwischen werde der Arbeitsplan so gelegt, dass sie ihre Pausen durcharbeiten müssten – 75 Minuten. Auch diese Zeit würde nicht angerechnet werden, sagen sie. Aber jede Minute, die sie laut Vertrag leisten sollen und es nicht tun, weil es aus bestimmten Gründen der Tagesplanung gar nicht ginge, würde auf einem Minuskonto vermerkt und nicht gegengerechnet. Das alles, sagen die Beschäftigten zur WAZ, würde zusammen mit dem Mobbing und anderen Schikanen etwa über Testeinkäufer weit über das erträgliche Maß hinausgehen. Dahinter stecke ein System. „Das ist Psychoterror vom Feinsten”, sagt eine. „Aber es gibt ja schließlich auch noch ein Leben neben Aldi”, meint eine andere.

Jeden Tag, rechnet Verdi-Gewerkschaftssekretärin Andrea Bornemann vor, mache die unbezahlte Arbeit in Summe gut zweieinhalb Stunden aus. „Aldi kalkuliert das bewusst, um im Discounter-Wettbewerb entscheidendes Geld einsparen und an anderer Stelle vielleicht die Preise senken zu können”, analysiert sie. Bornemann ist zuständig für die Belegschaft im Münsterland, weil die Filiale zur Aldi GmbH & Co. KG mit Sitz in Herten (ca. 70 Filialen) gehört.

Der dort zuständige Aldi-Regionalgeschäftsführer Detlev Günther wies die Anschuldigungen am Montag auf Anfrage der WAZ-Redaktion zurück. Zu den Vorwürfen wolle er keine Stellung nehmen, „auch um unsere Mitarbeiter zu schützen”, sagte er.

Die aber sehen sich so im Recht, dass sie mit sorgenvollen Gesichtern bewusst formulieren: „Auch wenn wir unseren Arbeitsplatz verlieren werden, weil wir bestimmt schon auf einer Abschussliste stehen, werden wir das durchziehen. Und sei es am Ende nur, um denen, die bleiben oder nach uns kommen, bessere Bedingungen zu hinterlassen.”

Auszubildende: "Ich war in der Horrorfiliale"

Ein Beispiel aus dem Aldi-Leben liefert eine ehemalige Auszubildende: „Ich war einen Monat in der Horrorfiliale, dann nach Absprache zwei Monate woanders. Dort war es zwar streng in den Abläufen, aber herzlich.” Gerade als sie dachte, alles sei gut, am Ende des dritten Monats, wurde ihr in der Probezeit ohne Angabe von Gründen gekündigt. „Erst wurde mir auf Nachfrage gesagt, ich sei zu schlecht. Wenig später dann, ich sei überqualifiziert.” Sie selbst glaubt felsenfest, dass die Kündigungs-Entscheidung feststand, als es in der erste Filiale für sie nicht gut gelaufen sei.

Die anderen Frauen waren zu klärenden Gesprächen nach Herten eingeladen, die sie in Anwesenheit eines Betriebsrates führen wollten. Das sei abgelehnt worden.