Velbert. . Die Zahl der Inobhutnahmen von Kindern, die verwahrlosen, die psychische oder körperliche Gewalt erfahren müssen, hat sich seit 2009 fast verdoppelt. Ein Hintergrund: Die Bevölkerung reagiert zunehmend sensibilisiert auf hilfsbedürftige Kinder. „Solche Meldungen nehmen wir sehr ernst“, sagt das Jugendamt.
Kinder, die verwahrlosen, die psychische oder körperliche Gewalt erfahren müssen – die von der Jugendhilfe angeordnete Inobhutnahme ist eine der Möglichkeiten, durch die ihnen geholfen werden kann. „Je nach Situation ist damit entweder die Unterbringung in einem Heim, in einer Vollzeitpflegestelle oder in der Bereitschaftspflege gemeint“, erläutert Markus Hackethal, kommissarischer Leiter des Fachbereichs Jugend, Familie und Soziales, „wir haben die Pflicht als Jugendamt, Kinder aus einer gefährdeten Situation herauszunehmen.“ Dies sei aber eines der letzten Mittel, so gäbe es ein breites Angebot, mit denen Familien unterstützt werden könnten, noch bevor es soweit kommen müsse.
Dennoch hat sich die Zahl der Inobhutnahmen von 2009 mit 21 Kindern bis 2011 fast nahezu verdoppelt (41 Kinder). Für Markus Hackethal ist das vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen. „Zum einen haben sich häufig die Bedingungen in den Familien durch Faktoren wie Arbeitslosigkeit oder schlechte Bezahlung verschlechtert, so dass der Druck größer geworden ist, zum anderen gibt es nach Fällen wie dem Tod des Pflegekindes Kevin 2006 in Bremen eine erhöhte Sensibilität in der Bevölkerung.“
Wurden 2009 noch 116 Fälle gefährdeter Kinder gemeldet, waren es im letzten Jahr schon 133 Kinder, bei denen Alarm geschlagen wurde. „Solche Meldungen nehmen wir sehr ernst“, betont der Amtsleiter, „wir schicken in diese Familien zwei Mitarbeiter, die nach genau festgelegten Abläufen und nach Kriterien wie Ernährung, Bekleidung oder regelmäßiger Schulbesuch die jeweilige Lage einschätzen.“
Erst das letzte Mittel ist die Fremdunterbringung des Kindes
Zumeist erwarten die Mitarbeiter dort aber gar nicht Extremfälle wie Eltern, die durch Drogenkonsum nicht mehr in der Lage sind, nach ihren Kindern zu sehen, oder wild prügelnde Erziehungsberechtigte. „Viel häufiger sind da schon Fälle wie der einer Mutter von drei Kindern, die plötzlich von ihrem Mann verlassen wird und dann mit der Rolle der Alleinerziehenden völlig überfordert ist.“
In solchen Fällen gibt es drei Schritte, nach denen in der Jugendhilfe vorgegangen wird. Im Falle der überforderten Mutter würde eine sozialpädagogische Familienhilfe regelmäßig zu Besuch kommen und versuchen, das Erziehungsverhalten zu verbessern und damit Konfliktpotenziale zu verringern. Verbessert sich die familiäre Situation dadurch nicht, besteht die Möglichkeit einer teilstationären Aufnahme, bei der die Kinder tagsüber stundenweise in einer Heimeinrichtung Gruppen besuchen. Erst das letzte Mittel ist die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie bzw. ab dem neunten Lebensjahr in einem Heim.
Der Bedarf an pädagogischen Maßnahmen ist so ex-trem angestiegen, dass die Jugendpflege Anfang des Jahres noch einmal rückwirkend für das Jahr 2011 zusätzliche Mittel in Höhe von 875 000 Euro gefordert und auch bewilligt bekommen hat.
Geld, das Markus Hackethal gut angelegt weiß. „Der größte Teil wird für die zuvor beschriebene Hilfen zur Erziehung verwendet.“ Er versteht sein Amt zwar als Wächter für die Kinder, sieht es aber auch genauso als wichtige beratende Institution. „Jeder Euro, den wir für solche unterstützenden Maßnahmen ausgeben, ist nicht verschwendet, sondern dient der Unterstützung von Kindern und Jugendlichen. Bei sowieso weniger Kindern insgesamt brauchen die, die wir haben, die bestmöglichen Startbedingungen.“ Dafür sorgen auch umfangreiche präventive Angebote, angefangen beim Elternstartpaket zur Geburt, den Elternbriefen bis zum 8. Lebensjahr, viele Familien-bildungsangebote der VHS und der freien Verbände sowie Anlaufstellen in den Stadtteilzentren mit niederschwelligen Beratungsangeboten. „So gesehen finden wir das Mehr an Fällen nicht bedenklich, sondern freuen uns, dass unsere Hilfe angenommen wird.“