Neviges. Die Polizei hat auch Faserspuren am „Tatmittel” gefunden. Der 14-Jährige, der unter dringendem Tatverdacht steht, schweigt bisher zu den Vorwürfen. Ihm wird versuchter Mord und schwere Körperverletzung vorgeworfen. Die Ermittlungen gehen in dieser Woche weiter.
Aufatmen – nicht nur – in Neviges: Die Nachricht von der Festnahme im Fall Kassandra war am Wochenende in Windeseile rum. Doch das Entsetzen ist keineswegs geringer geworden. Ein 14-Jähriger ist es, der unter dem dringenden Tatverdacht steht, das neunjährige Mädchen am Montag vor drei Wochen erst schwer misshandelt und danach in einen Gullyschacht geworfen zu haben. Er sei nicht geständig, so hieß es auch gestern noch; die Vernehmungen gingen in dieser Woche weiter. Der Haftbefehl lautet auf versuchten Mord mit schwerer Körperverletzung. „Ich bin lediglich froh, dass wir ein Packende haben”, sagt denn dazu auch Polizeisprecher Ulrich Löhe.
„Deutscher, körperlich normal entwickelter 14-Jähriger” antwortet Wolfgang Siegmund am Samstag auf Nachfragen bei der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft in der Zentrale der Kreispolizei Mettmann, die einen solchen Medienandrang bislang noch nicht erlebt haben dürfte. Der Kanaldeckel auf dem Gullyschacht, wo ein Suchhund das lebensgefährlich verletzte und stark unterkühlte Mädchen nach Stunden aufgespürt hatte, sei deutlich leichter als andere und zudem stark beschädigt gewesen, so der Leiter der Mordkommission „Tönisheider” weiter. Ihn zu bewegen sei „auch für einen 14-Jährigen ohne Probleme zu bewältigen”.
Beschuldigter geriet schon früher ins Visier der Ermittler
Ins Visier der Ermittler geriet der Beschuldigte sehr früh. Beobachtungen zufolge wurde er am 14. 9. „am Tatort gesehen und auch erkannt”. Die Beschreibung einer weiteren Zeugin sei „passgenau auf den Tatverdächtigen”. Tags darauf wurde er als Zeuge vernommen. „Gelassen, abgeklärt und ohne emotionale Regungen”, beschreibt ihn Siegmund. Am 22. 9. dann – die Ermittler hegen Tatverdacht – eine so genannte Beschuldigten-Vernehmung, bei der der Junge die Tat bestreitet. Für Festnahme und Haftbefehl reicht es nicht.
Das ändert sich gründlich, als das Ergebnis vom LKA kommt, dass Faserspuren – sowohl an Kassandras Jacke als auch an einem „Tatmittel” – mit Fasern seiner Bekleidung identisch sind. Freitagabend erfolgt die Festnahme in seinem Elternhaus. Der Vater ist selbstständiger Geschäftsmann, die Mutter Hausfrau mit Nebenjob, es gibt zwei jüngere Geschwister. Die Eltern seien geschockt, glaubten den Beteuerungen ihres Sohnes.
Der Festgenommene gilt seit Grundschulzeiten als „verhaltensauffällig” hinsichtlich „Kommunikations- und Konfliktfähigkeit”. Er geht zu einer Förderschule „für soziale und emotionale Entwicklung”. Laut Staatsanwalt Rüdiger Ihl gab es bisher zwei (eingestellte) Strafverfahren wegen Beleidigung und Sachbeschädigung, ein weiteres wegen Körperverletzung gegen Gleichaltrige von Anfang September sei noch offen.
Provokationen, Ärgereien und Nickeligkeiten
Im „Treff 51” an der Tönisheider Straße hatte der Beschuldigte schon seit Wochen Hausverbot, durfte er erst auftauchen, wenn die Kleinkindergruppe, in der auch Kassandra ist, zu Ende war. Der 14-Jährige sei „auffällig überwiegend auf jüngere Kinder bezogen” und habe in der Gruppe, für die er eigentlich zu alt gewesen sei, für „Provokationen, Ärgereien und Nickeligkeiten” gesorgt, so dass sich Eltern beschwert hätten. Dennoch sei der Tatverdächtige immer wieder unter verschiedenen Vorwänden früher als erlaubt in den Treff gekommen. Das gelte auch für den besagten Montag, so dass er gewusst habe, dass Kassandra ausnahmsweise allein war.
Zum Motiv heißt es: „Unerklärlich für uns.” Ob die Tat geplant war? „Reine Spekulation.” Wiederholt jedoch skizziert der Chef der Mordkommission die Abgeklärtheit und Emotionslosigkeit des 14-Jährigen. „Der hatte auf jeden Pott 'nen Deckel. Und teilweise hat er uns auch spontan belogen. Sein gesamtes Verhalten ist im Höchstmaß beeindruckend.”