Ratingen. Schloss Neuschwanstein, Eiffelturm, Atomium – all das gab es 25 Jahre lang im Miniaturformat vor der Haustür der Velberter und Heiligenhauser.
Wir schreiben die 1960er-Jahre. Während einige Velberter mit dem Motorroller quer durch Deutschland knatterten und manch ein Heiligenhauser mit Bus und Fähre gar über den Ärmelkanal reiste, um den Big Ben und die Tower Bridge bestaunen zu können, waren für viele andere solche Reisen unerschwinglich oder zu beschwerlich. Einfach in den Flieger und für ein paar Euro – Pardon: D-Mark – nach Spanien fliegen? Das gab es damals noch nicht. Die Sehnsucht nach nahen und fernen Zielen wurde jedoch immer größer.
Vergessene Ausflugsziele
So kam der Düsseldorfer Architekt Franz Wilhelm – kurz Willi – Dommel auf die Idee, Europa einfach zu den Menschen im Rheinland und Ruhrgebiet zu holen. Und das im Maßstab 1:25. Das von ihm für die Realisierung seines Traums ausgewählte Gelände am Kreuzungspunkt der Autobahnen A3 und A52 hatte jedoch einen entscheidenden Nachteil: Es war Sumpfland. So waren noch vor dem eigentlichen Baubeginn 14.000 Lkw-Ladungen Schotter und Kies nötig, um das 120.000 Quadratmeter große Gelände zu befestigen.
Bis zur Eröffnung des „Minidomms“ wurden 26 Millionen D-Mark investiert
Als das „Minidomm“ – eine Wortkreation aus Miniatur und Dommel – 1967 schließlich öffnen konnte, waren statt der geplanten 18 Millionen Mark 26 verbaut worden. Dommel hatte sich entschieden, zunächst vor allem Bauten aus Deutschland nachbauen zu lassen. So fand sich in Breitscheid zum Beispiel das Brandenburger Tor wieder, aber auch die Münchner Frauenkirche, Schloss Neuschwanstein, das Ulmer Münster oder der Dresdner Zwinger – letzterer in Wirklichkeit für viele Menschen hinter dem „eisernen Vorhang“ unerreichbar. Daneben das vom Parkinhaber selbst entworfene Düsseldorfer Dommel-Hochhaus, die damals hochmoderne Autobahn-Raststätte Rhynern und das Benrather Schloss.
Internationales Flair: Eiffelturm und Atomium in Ratingen
Für internationales Flair in Breitscheid sorgten in späteren Jahren dann der Eiffelturm, das Brüsseler Atomium oder der Schiefe Turm von Pisa. Highlights waren der Hafen von Bremerhaven und der John F. Kennedy Airport aus New York – ein Sehnsuchtsort für viele Deutsche zu dieser Zeit.
Großes Autokino und immer neue Ideen des Gründers: Auch Velberter kamen gern
Insgesamt wuchs das „Minidomm“ auf bis zu 120 Modelle an. Hinzu kamen 1969 ein Autokino mit zunächst 522 Stellplätzen und ein Restaurant mit Terrasse mit Sitzplätzen für bis zu 1000 Gäste. Zur Eröffnung des luxuriösen Hotels war der „Kölsche Jung“ Willy Millowitsch zu Gast in Ratingen. Neben immer wieder neuen Modellen wurden auch weitere Attraktionen –wie eine Minigolfanlage, Bogenschießen, Spielplatz oder ein Filmtheater in einem Wagen der Wuppertaler Schwebebahn – ergänzt.
Das „Minidomm“ entwickelte sich schnell zu einem beliebten Ausflugsziel. Eltern fuhren mit ihren Kindern am Wochenende nach Ratingen, Paare machten romantische Fotos am Schloss Neuschwanstein, Schulklassen lernten vor Ort die bekannten Bauten kennen – in einer Zeit, als es sonst meist nur Schwarz-Weiß-Bilder in Schulbüchern gab und das Internet mit seinen Möglichkeiten noch in weiter, weiter Ferne lag.
In den 1980er-Jahren brachen die Besucherzahlen ein
In den 1980er-Jahren ließ die Popularität dann nach: Mit günstigen „Interrail“-Tickets konnten junge Menschen Europa bereisen und all die Bauwerke „in Natura“ sehen. Willi Dommel und sein Sohn Georg, der 1987 die Geschäftsführung übernahm, versuchten, gegenzusteuern. Es gab viele Ideen und Pläne. Die Familie kaufte große Flächen rund um das Parkgelände auf – für Fahrgeschäfte, weitere Autokinos oder sogar das erste Multiplexkino Europas. Doch all das wurde nicht realisiert. Gründe waren auch, so war zu hören, hohe Auflagen bzw. die Nicht-Erteilung von entsprechenden Genehmigungen durch die Stadt Ratingen.
1992 dann die Schocknachricht für die verbliebenen „Minidomm“-Fans: Die Anlage wurde am 31. Oktober – kurz nach dem 25. Geburtstag – für immer geschlossen.
Fotogalerie: Viele weitere Fotos aus dem Minidomm in Ratingen-Breitscheid
Viele alte Bilder vom Miniaturland „Minidomm“ in Ratingen
Modelle wurden einzeln verkauft bzw. versteigert
Georg Dommel versuchte, die Modelle im Paket nach China zu verkaufen: Auch das scheiterte. So wurden die Modelle einzeln verkauft bzw. versteigert und stehen heute in ganz Deutschland.
Das frühere Haupthaus brannte 1996 gleich zweimal
Vergessene Ausflugsziele
In loser Folge möchten wir in Vergessenheit geratene Ausflugsziele der Velberter und Heiligenhauser vorstellen.
In der nächsten Folge: Die Besucherterrasse am Düsseldorfer Flughafen – Fernweh inklusive.
Welche einst beliebten und heute vergessenen bzw. nicht mehr existierenden Ausflugsziele rund um Velbert sollen wir noch vorstellen? Tipps an: redaktion.velbert@waz.de
Das frühere Haupthaus wurde anschließend vorübergehend als Unterkunft für Asylbewerber genutzt, später wurde das Erdgeschoss dann allerdings aus Sicherheitsgründen zugemauert. Diese Maßnahme konnte nicht verhindern, dass es 1996 zwei Großbrände gab, die das Gebäude zerstörten.
Heute gibt es nur noch wenige Spuren vom „Minidomm“ in Breitscheid
Heute sind nur noch wenige Spuren des „Minidomm“-Parks zu sehen. Große Teile des früheren Geländes sind heute Gewerbegebiet. Auf Freiflächen sind, wenn man genau hinschaut, noch Bodenplatten von Modellen und Wegumrandungen zu erkennen. Vom einstigen Glanz ist hingegen nichts geblieben – außer Erinnerungen und etwas verblasste alte Fotos.