Velbert. Vor anderthalb Jahren sind die drei Ukrainerinnen nach Velbert geflüchtet. Wie es ihnen seitdem ergangen? Wie sehen ihre Pläne aus?

Olena Kuriblo steht im Begegnungszentrum Klippe2 in Velbert-Langenberg und zeigt auf ihrem Handy das Video eines völlig zerstörten Gebäudes in Mariupol: ihr ehemaliges Zuhause. Gemeinsam mit ihren Eltern, ihrer Tochter und ihrem Sohn ist sie von dort im April 2022 nach Velbert geflohen.

Im Gespräch mit der WAZ berichtet die Familie darüber, wie ihnen das Ankommen in der neuen Heimat gelungen ist.

Aus schmutzigen kalten Kellern nach Velbert

Als der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 begann, wurde die unweit der russischen Grenze gelegene Hafenstadt Mariupol schnell zum Angriffsziel. „Die Raketen kamen vom Land und vom Meer“, berichtet Großmutter Olha Schakula. Bunker habe es in Mariupol nicht gegeben. „Wir lebten in schmutzigen und kalten Kellern“, ergänzt ihre Enkeltochter Sofiia Makarenko. Am 3. Tag des Angriffs fielen Wasser, Gas und Licht aus. Ab dem 5. Tag war keine telefonische Verständigung mehr möglich.

Flucht mit Auto und Bus

Im Auto eines Nachbarn floh die Familie in ein Dorf außerhalb der Stadt. Dort warteten sie zwei Wochen auf einen Bus, der sie nach Saporischschja brachte. Über die westukrainische Stadt Lwiw ging die Flucht weiter nach Polen. Dort waren es Ehrenamtliche mit ihren Bussen, die der Familie eine Weiterreise anboten. „Bei unserer Fahrt durch Deutschland haben ehrenamtliche Helfer die Richtung vorgeschlagen, wir wussten nichts über die Städte“, sagt Sofiia Makarenko. Am 7. April 2022 erreichten sie Velbert und blieben hier.

Aufnahme in zwei Gastfamilien

Aufnahme fand die Familie getrennt in zwei Gastfamilien. „Wir lebten noch unter dem Schock des Krieges. Und wir haben im ersten Monat fast nichts verstanden“, sagt Sofiia. „Das war etwas seltsam.“ Unterhaltungen gelang mit Hilfe eines Wörterbuchs oder auf Englisch.

Start in einer Integrationsklasse

Sofiia kam in der 9. Jahrgangsstufe in eine Integrationsklasse und wechselte im Sommer in die 10. Klasse des Gymnasiums Langenberg. Die Jugendliche spricht flüssig und gut verständlich und berichtet, wie herausfordernd das Erlernen der deutschen Sprache war. Von Lehrern und Mitschülerinnen wird sie unterstützt und dennoch fällt es ihr nicht leicht, ganz in der neuen Umgebung anzukommen. „Ich bin wie ein Gast“, sagt Sofiia. Es sind kleine Erfahrungen, die zu diesem Gefühl beitragen, etwa wenn sie eine Frage auf Deutsch stellt und ihr Gegenüber auf Englisch antwortet.

Mutter sucht Arbeit

Mutter und Großmutter besuchten zunächst einen neunmonatigen Sprachkurs. Die Mutter Olena Kuriblo ist Metallbau-Ingenieurin, will in Deutschland in ihrem Beruf arbeiten und sucht eine Anstellung. Großmutter Olha Schakula engagiert sich ehrenamtlich in der Betreuungsarbeit in einem Seniorenpark.

Der Austausch mit anderen Geflüchteten – häufig über Social Media – ist für die Familie wichtig. Kontakte zu Einheimischen pflegt sie in der Begegnungsstätte Klippe2. Die Beziehungen hier sind persönlich; man umarmt sich zur Begrüßung.

Hilfestrukturen aufgebaut

Astrid Kothe-Matysik leitet die evangelische Begegnungsstätte: „Ehrenamtliche sind viel schneller als die Bürokratie“, sagt sie. Als die sogenannte „erste Flüchtlingswelle“ 2015 Deutschland erreichte, bauten Haupt- und Ehrenamtliche an der Klippe Hilfestrukturen auf – und konnten darauf zurückgreifen, als 2022 die Geflüchteten aus der Ukraine eintrafen.

Margot Illiger engagiert sich ehrenamtlich in der Begegnungsstätte, die an jedem zweiten Sonntag ein Familienkaffee und an jedem Dienstagabend ein Sprachtraining anbietet. Das sei keine Konkurrenz zu anderen Sprachkursen, erklärt sie. Manche Geflüchtete hätten aber zu wenig Begegnungen mit Deutschen im Alltag: „Wir bieten Sprachanlässe.“

„Wir haben dort keinen Platz mehr“

Und auch Suse Grünendahl gehört zum Team: „Es ist hier ein fester Kreis der Ehrenamtlichen, aber es kommt niemand Neues dazu“, berichtet sie. Dabei seien auch einheimische Velberter zu dem Familienkaffee eingeladen.

Wie wird es für die ukrainische Familie weitergehen? Mariupol ist völlig zerstört und steht derzeit unter russischer Verwaltung. „Wir haben dort keinen Platz mehr“, sagt Olena Kuriblo.

>>>Klippe 2

Klippe das Begegnungs­zentrum der Evan­geli­schen Kirchen­gemeinde Langen­berg. Eröffnet wurde das Begegnungs­zentrum im Jahr 1979 als klassische Alten­tages­stätte.

Über die Jahrzehnte hat es sich zu einem lebendigen Treffpunkt für Kreative, Kontakt­freudige, Ratsuchende, Unternehmungs­lustige und sozial Engagierte im Quartier entwickelt.

Zwar legt die Klippe 2 ihren Schwerpunkt auf Themen für Menschen in der Altersgruppe über 60 Jahren, als evangelische Einrichtung ist sie aber offen für die Anliegen aller Menschen aus der nahen und fernen Nachbarschaft.