Velbert. Die Stadtwerke Velbert erklären, wie es zu den Fehlern bei Strom- und Gaspreisbremse kommen konnte. Aber nicht jede Ungereimtheit ist ein Fehler.
Die Kritik an den Stadtwerken Velbert reißt nicht ab: In sozialen Netzwerken und auch in Anrufen und Mails an die WAZ-Redaktion berichten Kundinnen und Kunden von fehlerhaften Berechnungen im Rahmen der Strom- und Gaspreisbremse, „horrenden Abschlags-Abbuchungen“ und dem „nie erreichbaren“ Kundenservice.
Dass im Zuge der Strom- und Gaspreisbremse fehlerhafte Berechnungen verschickt worden sind, haben die Stadtwerke Velbert bereits eingeräumt. „Und man braucht auch nicht drumrum reden“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Stefan Freitag, „diese Fehler hätten einfach nicht passieren dürfen“. Hierfür könne man sich bei den betroffenen Kunden nur entschuldigen. „Und wir versprechen, dass alle Fehler selbstverständlich, wenn noch nicht geschehen, korrigiert werden.“
Stadtwerke Velbert haben zwei Hauptfehler identifizieren können
Zwei Hauptfehler seien identifiziert worden, sagt Bert Gruber, kaufmännischer Leiter der Stadtwerke. Ein Problem sei gewesen, dass die Kundendaten nicht korrekt gefiltert worden seien. Kunden mit bereits neu berechneten und noch nicht neu berechneten Abschlägen seien so durcheinandergeraten. Die Folge: falsche Abschlagshöhen in vielen Fällen.
Fehlerquote im höheren zweistelligen Bereich
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Um wie viele Fälle es sich genau gehandelt hat – wie hoch die Fehlerquote also war –, das müssen die Stadtwerke noch im Detail ermitteln. Ein hoher zweistelliger Wert werde dabei allerdings herauskommen, glauben Freitag und Gruber. Zudem müsse geprüft werden, wie es dazu kommen konnte, denn es seien mehrere Testläufe erfolgreich – ohne die am Ende aufgetretenen Fehler – absolviert worden. „Im Moment sind wir aber noch bei der Brandbekämpfung, also den Kunden korrigierte Schreiben zukommen zu lassen“, sagt Freitag. Das habe Priorität.
Stadtwerke-Chef kritisiert das Gesetz: „Von vorne bis hinten Murks“
Bei aller Selbstkritik, ärgert sich Freitag vor allem über die Bundesregierung: Ende Dezember ein Gesetz zu beschließen, dass die Versorger in die Pflicht nimmt, bis März alles umzustellen, um dann rückwirkend ab Januar die Strom- und Gaspreisebremse anzuwenden – „das ist schlicht und einfach nicht praktikabel“. Insgesamt sei das Gesetz „von vorne bis hinten Murks“, so Freitag: „Im nächsten Leben werde ich Wirtschaftsminister. Dann kann ich mir lustig irgendetwas ausdenken, was andere dann ausbaden müssen.“
Wartezeiten im Kundencenter und an der Hotline weiterhin hoch
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Dass die Wartezeiten an der Hotline und im Kundencenter nach wie vor lang sind, ist Gruber und Freitag bekannt – und beide verstehen, dass sich Kunden darüber ärgern. Doch: „Akut ändern können wir es leider nicht“, so Gruber. Man habe das Team bereits personell aufgestockt und auch einen externen Dienstleister ins Boot geholt – aber man müsse die Mitarbeiter erst in die komplexe Materie einarbeiten, zudem gebe es weiterhin einen hohen Krankenstand. Besserung erhofft sich Gruber, wenn am 6. Mai das Kundencenter am neuen Standort an der Ecke Berliner Straße / Friedrichstraße eröffnet, wo dann Vertrieb und Kundenservice unter einem Dach arbeiten.
Nicht jede vermeintliche Ungereimtheit ist auch ein Fehler
Freitag und Gruber verweisen aber auch darauf, dass nicht hinter jeder Ungereimtheit für den Kunden bzw. die Kundin auch ein Fehler steckt.
So wundern sich viele Kunden der Stadtwerke, dass sich ihr Abschlag trotz der Strom- und Gaspreisbremse erhöht hat. „Das könne doch nicht sein“, heißt es dann. „Doch, das kann sein“, sagt Gruber. Denn die Preise hätten sich teilweise seit der letzten Abschlagsberechnung verdoppelt. Und dann werde die Abmilderung durch die Bremse einfach überschätzt. So greift die Strompreisbremse beispielsweise erst bei 40 Cent pro Kilowattstunde – der Strombert-Tarif liegt nur unwesentlich höher. „Dann reden wir also über einige wenige Euro, die die Bremse abfedern kann“, so Gruber.
Abschläge für Januar und Februar wurden nicht abgebucht
Hinzu kommt: Durch die erforderlichen Systemumstellungen haben die Stadtwerke Velbert in vielen Fällen die Januar- und Februar-Abschläge nicht abgebucht – und holen dies nun im März oder April nach. Somit ist der Abschlag, der eingezogen wird, dreimal oder gar viermal so hoch wie sonst. Sollten dadurch Zahlungsschwierigkeiten entstehen, sollen sich Kunden an die Stadtwerke wenden. „Wir finden dann individuelle Lösungen – wie die Vereinbarung von Ratenzahlungen“, verspricht Freitag.
Nicht der Vorjahresverbrauch ist entscheidend für die Strom- oder Gaspreisbremse
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Ein weitere Besonderheit des Gesetzes: Bei der Berechnung der Strom- und Gaspreisbremse wird nicht – wie in ersten Gesetzesentwürfen – der Vorjahresverbrauch für die 80-Prozent-Berechnung des gebremsten Kontingents zugrunde gelegt, sondern ein prognostizierter Jahresverbrauch für 2023. „Dieser wird durch einen komplizierten Algorithmus berechnet“, so Gruber. Wetterdaten fließen ebenso ein, wie festgestellte Einsparungen beim Verbrauch in den letzten Monaten. „Alles sehr komplex und den Kunden nicht im Detail zu vermitteln“, hätte Freitag sich eine andere – verständlichere – Regelung gewünscht. „Aber an der Stelle müssen wir das Gesetz anwenden.“ Der Geschäftsführer sagt aber zu, alle berechneten Prognosen noch einmal einer Prüfung zu unterziehen.
„Es ist ein sehr komplexes Thema“, sagen Freitag und Gruber unisono. Und so haben sie auch keine allzu große Hoffnung, dass die Anzahl der Anfragen und Beschwerden in naher Zukunft deutlich zurückgehen wird. „Wir versuchen unser Möglichstes“, verspricht Freitag – und hofft auf Verständnis und noch etwas Geduld bei den Kunden.