Neviges. Die Velberterin Isabelle Ulrich ist seit einigen Tagen offiziell Frau. Ein langer Weg, den sie bis hierhin ging. Doch zu Ende ist er noch nicht.

Auf dem Papier ist sie endlich das, was sie im Herzen schon lange ist: Eine Frau. Isabelle Ulrich, blonde, kurze Haare, frisch lackierte Fingernägel, trägt einen schmalen, schwarzen Blazer, einen kurzen Rock und High Heels. Natürlich ist sie top gestylt und wenn die Männer sich nach ihr umdrehen, oder sie auf einen Kaffee einladen, macht sie das vor allem stolz.

Gerade hat sie ihren neuen Personalausweis abgeholt. Darauf steht: Isabelle Ulrich, geboren in Krefeld, 173 cm. Den alten Pass kann sie endlich abgeben und damit auch die Identität als Volker Ulrich. Doch das, was sie sich erkämpft hat, rechtlich gesehen eine Frau zu sein, wird ihr medizinisch verwehrt.

Krankenkasse möchte geschlechtsangleichende Operation nicht zahlen

„Dabei war die Krankenkasse sogar diejenige, die mir zuerst meine neue Karte als Isabelle zuschickte“, sagt Isabelle mit einem trockenen Lachen. Und dennoch, das letzte Stück, was der schlanken Frau zu ihrem Glück fehlt, wirklich Frau zu sein, wird ihr verwehrt: Die geschlechtsangleichende Operation.

Dabei hat sie bereits drei psychologische Gutachten, die aussagen, dass Isabelle schon seit ihrer Kindheit im falschen Körper lebt. „Ich selbst habe es so mit 15 Jahren deutlich gespürt“, erinnert sie sich. „Aber die Psychologen fanden heraus, dass ich mich schon mit drei Jahren als Mädchen fühlte.“ Einen „Geburtsfehler“, wie Isabelle es nennt, den sie nach einem langen Weg nun „eliminieren“ möchte.

Mit viel Kampfgeist und vor allem langem Atem, immer wieder den Blick nach vorne gerichtet, kämpft sie darum, als die Person existieren zu dürfen, als die sie sich fühlt: Als Frau.

Schon im Dezember war die körperliche Verwandlung deutlich sichtbar (siehe Bild). Bis Juli hat sich der Körper von Isabelle Ulrich aber deutlich weiter verändert.
Schon im Dezember war die körperliche Verwandlung deutlich sichtbar (siehe Bild). Bis Juli hat sich der Körper von Isabelle Ulrich aber deutlich weiter verändert. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Durch Hormone gewachsen

Die Brustoperation hat sie schon lange hinter sich, selbst bezahlt. „Durch die Hormonbehandlung wächst die Brust von alleine mindestens auf Körbchengröße A an“, erklärt sie. „Wem das nicht reicht, der muss eben selbst zahlen“, erklärt die aparte Frau, die seit vielen Jahren als Fotografin selbstständig ist. „Und das ist ja auch völlig in Ordnung“, sagt sie mit einem zufriedenen Blick in ihr Dekolleté. Denn alleine durch die Hormone hat sie noch einmal sieben Zentimeter an Oberweite dazugewonnen. „Aber dass die Krankenkasse die geschlechtsangleichende Operation nicht bezahlen möchte, das verstehe ich einfach nicht.“ Der Grund: „Es läge kein Leidensdruck vor“, zitiert Isabelle und zuckt mit den Schultern.

Eingriff kostet 15.000 Euro

„Dabei regt sich bei mir da unten gar nichts mehr, kein Liebesleben haben zu können, empfinde ich schon als Leidensdruck.“ Doch die Unternehmerin ahnt: „Die Gutachten sind allesamt sehr positiv geschrieben. Das erweckt bei niemanden den Eindruck, dass ich mich von der Brücke stürze“.

Daher geht sie auch diesen Weg wieder alleine, denn der Vorbesprechungstermin steht Mitte August in einer Hamburger Klinik an und Isabelle will den „letzten Weg“ unbedingt gehen. 15.000 Euro kostet der Eingriff, den sie dann notfalls auch selbst bezahlen wird. „Aber nicht jeder hat das Geld, sich so etwas leisten zu können, wir reden hier ja mal eben von einem Kleinwagen“, sagt sie. „Was machen denn die, denen es genauso geht, wie mir und das nicht bezahlen können, daher möchte ich gerne als Beispiel dafür stehen, was bei so einem Weg in Deutschland alles nicht funktioniert.“

Gesundheitliche Aspekte berücksichtigen

Doch nicht nur, dass Isabelle endlich in einem ganz weiblichen Körper stecken möchte, auch gesundheitliche Aspekte führt sie an. „Ich muss Testosteronblocker nehmen. Diese können aber Hirntumore auslösen“. Nach einer geschlechtsangleichenden Operation wären die einzigen Medikamente, die Isabelle Ulrich einnehmen müsste, ein Östrogen-Gel. „Also wirklich harmlos.“

Wer die ehrgeizige Frau kennt, weiß: Aufgeben gibt es nicht. So ist der Einspruch bereits eingereicht und wenn die Operation auch auf eigene Kosten nicht bis zum Frühjahr durchgeführt werden kann, dann bleibt noch Plan C. „Kastration, damit zumindest die männlichen Hormone nicht mehr produziert werden.“

Doch noch hofft Isabelle Ulrich darauf, dass sie Anfang des Jahres den letzten Schritt gehen kann, um dann, als ganze Frau, im September 2022 ihrer langjährigen Frau Anja erneut das „Ja-Wort“ geben zu können.

>>>Transsexuell

Transsexuell bedeutet, dass sich der Mensch dem entgegen gesetzten Geschlecht zugehörig fühlt.

Insgesamt werden etwa 0,35 Prozent der Bevölkerung als Transsexuell benannt.

Im Jahr 2020 haben sich laut statistischem Bundesamt 2155 Personen einer geschlechtsangleichenden Operation unterziehen lassen. 1462 von ihnen zur Frau, 693 zum Mann.