Neviges. Die Nevigeserin Isabelle Ulrich ist endgültig eine Frau geworden. Die schwierigen Behördengänge haben sie animiert, einen Ratgeber zu schreiben.
Perfektes Make-Up, glatte, glänzende, dunkelbraune Haare, ein toller Körper und vor allem eins: Strahlende Augen. Diese glückliche und selbstbewusste Frau ist die Nevigeserin Isabelle Ulrich. Sie ist stolz und zufrieden mit sich und ihrem Körper. Erst wer genauer hinsieht, oder besser gesagt, hinhört, erahnt, dass der Weg zu diesem perfekten Aussehen ein langer und, so sagt die Fotografin auch selbst, teilweise ein äußerst beschwerlicher war. Ein Weg, über den sie nun ein Buch schreibt: „Transfrau Isabelle Ulrich: Keinen Millimeter zurück! Ohne Diskriminierung in ein neues Leben“.
An diesem Tag trägt Isabelle Ulrich einen schwarzen Blazer, einen kurzen Minirock und ihre langen, schlanken Beine stecken in einer schwarzen Strumpfhose. Vor noch zwei Jahren war Isabelle Ulrich ein Mann, schoss als Volker – und dann, während der Transformation, als Volker Isabelle Fotos. „Man kannte mich an allen Standesämtern in der Umgebung“, erinnert sie sich.
Für die Transformation zur Frau kam ihr die Pandemie gerade Recht. „Ich erinnere mich noch, die Brust-Op stand kurz bevor und mich fragte ein Paar, dessen Hochzeit ich kurz vor dem Eingriff fotografieren sollte: ‘kommst du als Mann oder als Frau’. Ich sagte spontan: ‘ich komme so, wie ihr wollt.“
Die Umtragung zu divers war nicht möglich
Das Paar entschloss sich, Isabelle und nicht Volker zu buchen und so stieg die Fotografin das erste Mal für einen öffentlichen Termin als Frau in ihr Auto. „Als ich auf meine Beine sah und im Spiegel mein geschminktes Gesicht, wollte ich umdrehen, aber es fehlte zum Glück die Zeit.“ Denn auf der Hochzeit wurde sie warmherzig und mit zahlreichen Komplimenten empfangen. Doch kritisch ist sie dennoch, fragt sich, ob sie als Frau wirklich akzeptiert wird. „Aber wenn man immer wieder hört, wie toll man aussieht, gibt das schon viel Kraft.“ Einer der Meilensteine, der auch in ihrem Buch festgehalten ist.
Der Personalausweis ist bereits umgeschrieben. Die Krankenkasse führt sie als Frau. Es fehlt lediglich der Gang zum Standesamt, um auf dem Eintrag „männlich“ ein „divers“ machen kann. „Man braucht ein psychologisches Attest, das kostet weniger als 20 Euro“, ein leichter und kostengünstiger Weg, wie Isabelle es scheint. Doch das Standesamt verweigert die Umtragung. Nur wenn eine Person nicht mehr eindeutig den biologischen Kategorien männlich oder weiblich zugeordnet werden könne, möchten sie den Eintrag in divers ändern. Isabelle Ulrich lacht: „Ich bin verheiratet und habe ein Kind, was soll da bei mir biologisch nicht zuzuordnen sein.“
Das ist der Moment, an dem sie sich entscheidet, das Buch zu schreiben. Eine Mischung aus Ratgeber und biographischem Roman, der anderen Menschen, die sich in ähnlichen Situationen befinden, helfen und Mut machen soll. Mit diversen Buchverlagen steht sie bereits in Verhandlungen. Wer das Manuskript Mitte kommenden Jahres veröffentlichen wird, hat sie noch nicht entschieden.
Und noch etwas entschließt Isabelle Ulrich schließlich: „Ganz Frau zu werden.“ Den Ausschlag gab die Aussage einer Sachbearbeiterin beim Amtsgericht: „Denken Sie doch mal drüber nach. Wenn Sie divers sind, dann bekommen Sie keine eigenen Umkleiden und wenn man Sie so anschaut, dann sind doch voll und ganz eine Frau, mit divers werden Sie nicht glücklich.“
Mit Hormonen verändert sich der ganze Körper
Und so bekommt Isabelle Ulrich seit einigen Wochen eine Hormonbehandlung. „Ich habe einfach keine Lust mehr auf das ganze Hin und Her, ich will endlich leben“, sagt sie und erfreut sich an ihrer Transformation, die sie in einer Tabelle gründlich festhält. Auch die darf in ihrem Buch natürlich nicht fehlen. „Meine Oberweite ist um sechs Zentimeter gewachsen, meine Taille ist um fünf Zentimeter schmaler geworden. Dafür sind meine Hüften breiter. Und das, obwohl ich noch genauso viel wiege“- und sie keinen speziellen Sport betreibt. Und noch ein Vorteil hat der Weg in die komplette Weiblichkeit: „Die Kosten für notwendige Behandlungen trägt die Krankenkasse.“
Isabelles Haut wird, ebenso wie ihre Gesichtszüge weicher, und ihre rund 14.000 Follower bei Instagram ändern nahezu zeitgleich zu ihrer Veränderung das Verhalten. „Haben mich anfangs immer Frauen angeschrieben, sind es nun Männer“. Das versteht sie erst gar nicht, bis sie eine Freundin vor den Spiegel stellt und sie fragt, was sie sieht: „Eine perfekte Frau“, fasst die Freundin schließlich zusammen. „Herzlich willkommen in unserer Welt.“ Denn nun ist Isabelle Ulrich eine ernstzunehmende Konkurrenz für die Frauenwelt und eine attraktive Frau für die Männerwelt.
Die High Heels nie mehr gegen Sneaker tauschen
Das schmeichelt ihr natürlich. „Ich will meine High Heels auch nie mehr gegen Sneaker eintauschen.“ Aber dennoch denkt sie über etwas Normalität nach: „vielleicht mal ein normales T-Shirt 2022 tragen oder einen nicht mehr ganz so knappen Mini“. Apropos Männer. Mit dem Entschluss, eine Frau zu werden, musste Isabelle Ulrichs Ehefrau sich auch damit auseinandersetzen, künftig eine Frau zu lieben. „Du bist dann lesbisch“, sagte Isabelle. „Ok, dann gewöhne ich mich dran“, antwortete die Ehefrau knapp. „Ich bin eben keine Teilzeitfrau“, resümiert Isabelle Ulrich und freut sich: „Ich habe den Fehler korrigiert und mache keinen Karneval aus meinem Leben.“ Isabelle Ulrich ist Fotografin, Influencerin, Autorin und vor allem eines: Eine glückliche Frau, „der Rest“, so sagt sie „ist nur noch fürs Protokoll.“