Velbert-Langenberg. Im Rahmen von „Kulturinarisch“ führte ein Experte zu den Spuren des ehemaligen Eisenbahn-Ausbesserungswerkes in Velbert-Langenberg.
Bei dieser Veranstaltung im Rahmen von „Kulturinarisch“ gab es nichts zu essen und nichts zu trinken, aber dafür eine große Portion Heimatkunde. Denn vielen jüngeren Langenbergern dürfte nicht bewusst sein, dass einst die Eisenbahn der größte Arbeitgeber in der Stadt war – in Spitzenzeiten mit bis zu 1000 Beschäftigte im ehemaligen Einsenbahn-Ausbesserungswerk.
Für einen Rundgang über das Gelände konnte die Werbevereinigung mit Harald Vogelsang einen profunden Kenner der Eisenbahngeschichte gewinnen, der unter anderem maßgeblich am Aufbau des Eisenbahnmuseums in Bochum-Dahlhausen mitgewirkt hat. Geboren 1940 in der Heeger Straße und nach einer Lehre als Maschinenschlosser nach Essen verzogen, hat sich Harald Vogelsang gründlich mit der Entwicklung der „Hauptwerkstätte Langenberg“ beschäftigt.
Eisenbahnen zusammengesetzt und repariert
„Die wurde mit der Verlängerung der Prinz-Wilhelm-Eisenbahn von Nierenhof bis Vohwinkel geschaffen. Weil es noch kein zusammenhängendes Schienennetz gab, wurden auf Pferdefuhrwerken die ersten Dampflokomotiven von Cockerrill in Belgien und Borsig in Berlin in Einzelteilen nach hier gebracht, wo sie zusammengesetzt und repariert wurden“, erklärt der Referent den staunenden Zuschauern.
Ein Schuppen mit fünf Gleisen
Kernstück war ein Schuppen von 1848 mit fünf Gleisen. Davor befand sich eine Schiebebühne, die über Handkurbeln angetrieben wurde, erst später kamen elektrische Antriebe. Vogelsang erinnerte an die Kämpfe um den Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes. Die Feuerwache sollte in das historische Gebäude einziehen, schließlich wurde der Plan aus Kostengründen zugunsten eines Neubaus verworfen.
Einiges ist erhalten geblieben
Einiges ist von alten Bahnbauten erhalten geblieben: Der Gerüstbauer Jörg Motzkau öffnete die Tore zu seiner Lagerhalle neben der Feuerwehr. „Hier kann man immer noch Reste von Schienen entdecken“, lenkte Harald Vogelsang den Blick auf den Hallenboden. Die Dächer werden von großen Fenstern bestimmt. „Es gab nur Petroleumlampen, deshalb wollte man möglichst viel Tageslicht einfallen lassen.“ An weiteren Gebäuden, wie der ehemaligen Richthalle, lassen sich weitere Relikte der Bahnnutzung erkennen, angefangenen von Schienen, über Schuppentore, große Fenster bis zu Teilen von Kränen.
Nur wenige Originalaufnahmen vorhanden
Die Zuschauer erfuhren von dem Eisenbahnkenner vieles rund um die Bahn, die bis 1928 die Fahrgäste in vier Klassen beförderte und einst 48 000 preußische Abteilwagen besaß, das waren die Waggons mit den vielen Türen. Zwischenbruch ließ er historische Fotos herumreichen: „Leider gibt es nur sehr wenig Originalaufnahmen von dem Ausbesserungswerk.“ Das erstreckte sich auf einer Länge von fast einem Kilometer und verfügte über zahlreiche Nebengebäude, vom Waschraum bis zur Schreinerei und dem Holzlager.
Eine neue Untersuchungshalle gebaut
„Die Aufbauten der Waggons bestanden hauptsächlich aus Holz, das mit dünnem Blech verkleidet wurde“, berichtete der Bahnhistoriker. Eisenbahnfahrzeuge unterliegen bestimmten Fristen, zu denen Hauptuntersuchungen anstehen, wo alles auseinandergenommen wird. Um Güterwaggons schneller reparieren zu können, wurde 1925 eine neue Untersuchungshalle gebaut. Fünf Jahre später kam das Aus für die Hauptwerkstätte.
Nach Schließung kamen andere Firmen
Harald Vogelsang weiß, warum: „Der Tod des Ausbesserungswerks war die Tatsache, dass es sich nicht ausweiten konnte, um neue Hallen zu schaffen, wo im Taktverfahren gearbeitet werden konnte. In Schwerte, Opladen und Duisburg-Wedau entstanden solche neuen Werke. Zu Letzterem wurden die Langenberger Eisenbahner mit einem Triebwagen gebracht.“ Nach der Schließung kamen andere Firmen.
Als kleine Junge Verladung beobachtet
„Mein Großvater hat 1930 ein Teil der Hallen erworben“, berichtete Thomas Blüggel. Der geschäftsführende Gesellschafter von Intensiv-Filter, das seit 2012 nicht mehr in Langenberg produziert, teilte mit, dass 50.000 Filteranlagen für die Industrie hergestellt wurden, 70 Prozent gingen in den Export. Der Bahnanschluss war eine gute Voraussetzung, um die Nordseehäfen zu erreichen: „Als kleiner Junge habe ich noch die Diesellokomotive V 60 gesehen, die aus dem Werk die beladenen Waggons abholte.“ Weitere Bilder aus waz.de/velbert
>>>Siebenschiss
Der Rundgang endete an den ehemaligen Werkswohnungen der Bahnbetriebsstätte. Der 1880 aus Backsteinen errichtete Block verfügte ursprünglich über Wohnungen von 38 und 47 Quadratmetern sowie Stallungen für Schweine.
Wegen des Anbaus von sieben Etagentoiletten heißt das Gebäude im Langenberger Volksmund „Siebenschiss.“