Velbert. Im Forum Niederberg entsteht auf drei Etagen die neue Bibliothek in Velbert-Mitte. Sie soll weit mehr als ein Buch-Ausleihort werden.

Verstaubte Bücher in langen Regalreihen, Neonröhren unter der Decke in einem tristen Raum, dazwischen ein strenger Bibliothekar mit Hornbrille, der über die Bestände „wacht“. Natürlich sind all das nur Klischees, wenn man über Bibliotheken redet. Die Realität sieht – auch in Velbert – heutzutage anders aus: Aus reinen Buch-Ausleihorten sind bereits Aufenthaltsorte geworden – mit netten Mitarbeitern, die den ein oder anderen Lesetipp parat haben und einem Bestand, der längst nicht nur Bücher umfasst.

Bibliotheken haben sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt – und sie werden sich weiter verändern müssen, wenn sie auch künftig Menschen anlocken wollen. Da ist sich der niederländische Innenarchitekt Aat Vos, den man für die Gestaltung der neuen Zentralbibliothek im Forum Niederberg gewinnen konnte, sicher: „Es gibt ja mittlerweile fast alles online.“ Eine Bibliothek müsse also interessanter sein als das, was man auf dem Smartphone habe, so der Träger der Karl-Preusker-Medaille, die er für seine besonderen Verdienste um das deutsche Bibliothekswesen erhalten hat.

Bibliothek bezieht die frühere Fläche des Schloss- und Beschlägemuseums

Entstehen müsse ein sogenannter dritter Ort, an dem sich Menschen neben den eigenen vier Wänden und dem Arbeitsplatz aufhalten würden. Wichtige Attribute sind für Vos, dass der Ort sicher, einladend, bekannt und „um die Ecke“ sei – außerdem, dass man sich dort gratis aufhalten könne, so lange man möchte. Früher sei eine Bibliothek ein Ort gewesen, um Zeit zu sparen, heute müsse es ein Ort sein, wo Menschen gerne Zeit verbringen, „ein Ort, der mentale Erinnerungen und Erlebnisse schafft“, so Vos – Bibliotheken als „Herzstück der sozialen Infrastruktur“, formulierte der Niederländer es im Rahmen einer Pressekonferenz in den ehemaligen Räumlichkeiten des Schloss- und Beschlägemuseums im Forum Niederberg, das derzeit vollständig umgebaut wird. Auf drei Etagen entsteht dort bis Spätsommer/Herbst 2023 die neue Zentralbibliothek. Diese ist derzeit interimsmäßig an der Friedrichstraße im früheren C&A-Haus untergebracht.

Ein ähnliches Konzept wie hier in der Bibliothek Köln-Kalk verfolgt Architekt Aat Vos auch in Velbert.
Ein ähnliches Konzept wie hier in der Bibliothek Köln-Kalk verfolgt Architekt Aat Vos auch in Velbert. © includi.com | Marco Heyda

Fläche der Bibliothek in Velbert-Mitte wird mehr als verdoppelt

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Die bisherige Bibliotheksfläche von 785 Quadratmetern wird dabei auf 1.863 Quadratmeter vergrößert. In Zukunft wird die Bibliothek in drei Ebenen mit drei unterschiedlichen Nutzungsbereichen aufgeteilt. Im Untergeschoss wird ein Ort zum Lernen, Informieren und Selbermachen entstehen. Ein Kreativraum soll hierbei interaktives Lernen mit analogen und digitalen Medien fördern.

„Offene Bibliothek“: Ein Bereich ist von 7 bis 22 Uhr geöffnet

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Das Erdgeschoss soll ein Ort zum Ankommen, Entspannen und Konsumieren werden. Hier wird eine zentrale Informationsstelle („Marktplatz“) eingerichtet sowie ein abgetrennter Bereich für die „Open Library“. Dies ist ein Konzept, in dem Besucherinnen und Besucher auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten Zugriff auf die Medien und Bücher der Zentralbibliothek haben. Es ist geplant, die „Open Library“ von 7 bis 22 Uhr zu öffnen. Außerdem ist der Einbau einer Sortieranlage, die eine 24 Stunden Außenrückgabe ermöglicht, eingeplant.

Bibliotheken sollen Wohlfühlorte sein – da sind sich Velberts Bürgermeister Dirk Lukrafka und Innenarchitekt Aat Vos einig. Insofern soll die neue Zentralbibliothek in Velbert-Mitte viele Elemente enthalten, die die Aufenthaltsqualität erhöhen.
Bibliotheken sollen Wohlfühlorte sein – da sind sich Velberts Bürgermeister Dirk Lukrafka und Innenarchitekt Aat Vos einig. Insofern soll die neue Zentralbibliothek in Velbert-Mitte viele Elemente enthalten, die die Aufenthaltsqualität erhöhen. © includi.com | Marco Heyda

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Das Obergeschoss wird indes ein Ort für Familien und Kinder. In der Kinderbibliothek sollen Kinder einen spielerischen Zugang zu Büchern und anderen Medien bekommen. Ergänzt durch die Eltern-Kind Bibliothek, die die besonderen Bedürfnisse der Kinder von null bis fünf Jahren berücksichtigt, soll ein Raum des „Spielens und Entdeckens“ geschaffen werden.

„James-Bond-Wände“ ermöglichen unterschiedliche Nutzung der Räume

Durch drehbare Buchwände („James-Bond-Wände“) sollen unterschiedliche Raumnutzungen möglich sein, so Innenarchitekt Vos. Für „Gamer“ – also Nutzer, die an der Konsole spielen wollen – soll es mit Kokons Wohlfühl- und Rückzugsorte geben, aber auch kleinere Lesezimmer sind geplant.

Sie stellten im Forum Niederberg den Baufortschritt und die Planungen für die neue Zentralbibliothek vor (v.l.): Projektleiter Thomas Hülser (Vinci Facilities Solutions), Innenarchitekt Aat Vos, Bürgermeister Dirk Lukrafka, Barbara Kirschner, Leiterin des Fachbereichs Bildung, Kultur und Sport, Beigeordneter Jörg Ostermann und Anja Bley stellvertretende Leiterin der Zentralbibliothek.
Sie stellten im Forum Niederberg den Baufortschritt und die Planungen für die neue Zentralbibliothek vor (v.l.): Projektleiter Thomas Hülser (Vinci Facilities Solutions), Innenarchitekt Aat Vos, Bürgermeister Dirk Lukrafka, Barbara Kirschner, Leiterin des Fachbereichs Bildung, Kultur und Sport, Beigeordneter Jörg Ostermann und Anja Bley stellvertretende Leiterin der Zentralbibliothek. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Es sollen auch mehr Veranstaltungen in der Bibliothek stattfinden

„Jeder soll willkommen sein“, fasst Fachbereichsleiterin Barbara Kirschner das Konzept zusammen: barrierearm bis barrierefrei, ein konsumfreier Raum ohne Zugangsbeschränkungen, ein Ort der Begegnungen und Inspiration – ein Markt der Möglichkeiten. Auch Ausstellungen und Veranstaltungen soll es in der neuen Zentralbibliothek regelmäßig geben – das sei in den alten Räumen, so Kirschner, nur sehr begrenzt möglich gewesen, weil es den normalen Bibliotheksbetrieb gestört habe.

Bürgermeister Dirk Lukrafka ergänzt: „Uns ist es wichtig, einen sozialen Wohlfühlort zu schaffen, an dem Menschen zusammenkommen. Das Forum soll der Mittelpunkt für Menschen aus der Region sein. Das hat aus verschiedenen Gründen in der Vergangenheit nicht so richtig funktioniert – jetzt wird es funktionieren.“

>>> Das Projekt Forum Niederberg

Der Theatersaal im 1982 eröffneten Forum Niederberg war seit Sommer 2015 nicht mehr in Betrieb – wegen technischer Defizite und gestiegenen Anforderungen an den Brandschutz.

Seit Sommer 2020 wird umgebaut: Das Forum soll künftig unter anderem Volkshochschule, Musik- und Kunstschule beheimaten, aber auch der Theatersaal wird umfangreich modernisiert. In die früheren Räume des Schloss- und Beschlägemuseums zieht die Zentralbibliothek.

Die Umbaukosten sind mit rund 44 Millionen Euro angesetzt, davon werden ca. 29 Millionen Euro gefördert. Das fertige Gebäude soll am 30. Juni 2023 an die Stadt übergeben werden – die Bibliothek soll dann „im Sommer“ eröffnen. Sommer sei definiert bis zum 30. September, so Beigeordneter Jörg Ostermann.

Der Zeitplan sei sportlich, so Jörg Ostermann, aber das sei das Ziel. Bisher gebe es keine Hiobsbotschaften, die eine Verzögerung verursachen würden, sagt Projektleiter Thomas Hülser. Man habe glücklicherweise frühzeitig die benötigten Materialien und die Haustechnik geordert.