Langenberg. Rund 100 Menschen haben an Gründonnerstag in Langenberg für den Frieden demonstriert. Zum Start sprachen Kerstin Griese und Esther Kanschat.

„Putin muss diesen Krieg endlich beenden“, ruft Kerstin Griese (MdB/SPD) ins Mikrofon. Um kurz nach 16 Uhr steht sie an Gründonnerstag auf dem staubigen Fußballplatz am Langenberger Pferdemarkt. Gemeinsam mit ungefähr 100 anderen Menschen ist die SPD-Bundestagsabgeordnete dem Aufruf der Initiative „Gemeinsam statt einsam“ gefolgt und setzt ein Zeichen für den Frieden.

Dass es hier vor allem um genau das, ein Zeichen ging, dürfte jedem klar gewesen sein. Richtige Hilfe wird für die Ukraine schließlich an anderer Stelle verhandelt. Und die kommt im Moment in Form von Waffenlieferungen einerseits und humanitärer Unterstützung sowie der Aufnahme von Flüchtlingen andererseits.

Idealismus trifft auf Realpolitik

Kerstin Griese (MdB/SPD) verwies bei der Friedenskundgebung in Langenberg darauf, wie kompliziert die Situation derzeit auch für sie persönlich sei: Anfang des Jahres habe sie sich noch nicht vorstellen können, Waffenlieferungen zuzustimmen.
Kerstin Griese (MdB/SPD) verwies bei der Friedenskundgebung in Langenberg darauf, wie kompliziert die Situation derzeit auch für sie persönlich sei: Anfang des Jahres habe sie sich noch nicht vorstellen können, Waffenlieferungen zuzustimmen. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Nun sind Friedensmärsche oft von Idealismus getragen, der auf Realpolitik prallt. Und auch an diesem recht sonnigen Langenberger Nachmittag ist das nicht anders. So verwies Griese am Pferdemarkt etwa auf ihre strikten Vorstellungen gegenüber Waffenexporten, die sie bis vor einigen Wochen für unumstößlich gehalten hatte.

„Noch Anfang des Jahres hätte ich mir Waffenlieferungen nicht vorstellen können, aber unser Wohlfühlen ist jetzt weniger wichtig als die Freiheit der Ukraine.“ Sollte heißen: Dass sich Teile der Bundesbevölkerung und -politik mit den Waffenlieferungen – allen Waffenlieferungen – schwertun, muss nun als Befindlichkeit hintangestellt werden. Es geht schließlich um das Überleben eines souveränen europäischen Staates und seiner Bürger. Und genau deshalb schob Griese einige schwergewichtige Sätze Realpolitik hinterher: „Wir werden noch mehr Waffen liefern und stehen fest an der Seite der Ukraine.“

Dialog und Nachdenken

Esther Kanschat, stellvertretende Bürgermeisterin von Velbert und Landtagskandidatin der Grünen, setzt auf Dialog – aber nur, „wenn die Ukraine frei und unabhängig ist“.
Esther Kanschat, stellvertretende Bürgermeisterin von Velbert und Landtagskandidatin der Grünen, setzt auf Dialog – aber nur, „wenn die Ukraine frei und unabhängig ist“. © Funke Foto Services | Uwe Möller

Jedenfalls: Neben Griese hatte sich auch die stellvertretende Bürgermeisterin Esther Kanschat (Grüne) am Pferdemarkt und beim darauffolgenden Friedensmarsch eingefunden, der am Deilbach entlang und die Hauptstraße hinauf bis zum Bürgerhaus führte.

Kanschat erklärte, der Weg in den Frieden führe nur über den Dialog. „Aber natürlich kann es den nur geben, wenn die Ukraine frei und unabhängig ist.“ Sie erklärte, sie hoffe, bei Waffenlieferungen – egal, an welches Land – würde in Zukunft immer so viel überlegt, nachgedacht und abgewogen werden wie bei den aktuellen an die Ukraine. Aussagen, für die sie viel Applaus bekam.

„Verhandeln, nicht bewaffnen“

Es schien sowieso, als sei die Mehrzahl der meist älteren Teilnehmer strikt gegen Waffenexporte. „Verhandeln, nicht bewaffnen“, hatte etwa eine Frau auf die Vorderseite eines Papp-Schildes gepinselt, das sie sich um den Körper gebunden hatte.

Die strikte Ablehnung von Waffen bei vielen Teilnehmern der Kundgebung ist sicherlich mit der Sozialisierung der älteren Generationen als Nachkriegskinder und 68er-Jugendliche zu erklären, die sich zwischen Zweitem Weltkrieg und Vietnamkrieg politisierten; in einer Zeit eben, in der die pazifistische Bewegung ihren Höhepunkt erreicht hatte.

Erinnerungen an das Kriegsende 1945

Karl Goldmann, ehemaliger Stadtführer, erinnerte vor dem Bürgerhaus Langenberg an das Kriegsende 1945.
Karl Goldmann, ehemaliger Stadtführer, erinnerte vor dem Bürgerhaus Langenberg an das Kriegsende 1945. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Neben der sehr prominent diskutierten Ablehnung von Waffen sprachen die Teilnehmenden während des Marsches aber auch noch über andere Themen. „Ich möchte hier mein Bedürfnis ausdrücken, welches Privileg es ist, bisher immer nur in Friedenszeiten gelebt zu haben“, sagte etwa Gerhard Wittwer. „Was in der Ukraine passiert, ist unfassbar. Wir müssen unbedingt die liberale Demokratie erhalten.“

Vor dem Bürgerhaus berichtete abschließend Karl Goldmann, lange Jahre Stadtführer, von den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs in Langenberg, der heute vor exakt 77 Jahren mit der Besatzung der Amerikaner im Stadtbezirk beendet wurde.

„Ich hoffe, dass es nicht bei 77 Jahren Frieden in Deutschland bleibt, sondern es noch mehr werden“, sagte Goldmann abschließen. „Und dass Putin bald …“ Den Schluss des Satzes verschluckte er.

Zahlreiche Unterstützer

Viele ältere Bürger Langenbergs haben die Schrecken des Zweiten Weltkriegs noch genau vor Augen. Unter anderem das war der Beweggrund für die Initiative „Gemeinsam statt einsam“, zum Friedensmarsch aufzurufen.

Die Initiative wird unterstütz von der Begegnungsstätte St. Michael, dem Begegnungszentrum Klippe 2, dem Stadtteilzentrum der Diakonie, der Initiative Jung und Alt Langenberg, der Seniorenresidenz Elisabeth, der Caritas, dem Bürgerbusverein und dem Bürgerverein Langenberg,