Velbert/Kreis Mettmann. In der Pandemie ist die Digitalisierung wichtiger geworden. Das lässt vor allem Ältere zunehmend außen vor. Digitalpaten helfen auch in Velbert.
Mit Corona haben Abstand und Kontrolle nahezu allenthalben Einzug gehalten, die Pandemie hat die Digitalisierung mächtig angeschoben, die analogen Gewohnheiten und Kontakt-Möglichkeiten sind jäh ausgebremst worden. Mit der Folge, dass nunmehr vor allem ältere Menschen zunehmend außen vor bleiben. Und das mitunter bei ganz alltäglichen Dingen und eigentlich banalen Anliegen. „Ich mache ja viel digital. Aber ich bin dem Analogen nicht abgeneigt, zumal das oft auch stabiler läuft“, berichtet Helmuth Spathmann. „Ich finde es auf jeden Fall wichtig“, fügt der Velberter Digitalpate hinzu, „dass man wirklich alle Kanäle offenhält“.
Technische Betriebe Velbert bieten alle Kommunikationswege
Alle Kanäle, das heißt hier vor Ort z. B. ganz praktisch, dass die Bürgerschaft das Service-Center der Technischen Betriebe Velbert (TBV) grundsätzlich „telefonisch, schriftlich, persönlich mündlich und digital erreichen kann", wie Kevin Orlando versichert. „Wir bauen die Digitalisierung Schritt für Schritt aus, aber wir schneiden keine alten Zöpfe ab“, so der TBV-Stabsstellenleiter. „Wir haben z. B. mit der TBV-App neue Kommunikationswege eröffnet, halten die bisherigen aber weiter frei.“
Zu wenig Rücksichtnahme
„Unser Leben ist mittlerweile weitestgehend digitalisiert. Abgesehen davon, dass es kaum verlässliche Angebote gibt, um die Medienkompetenz der noch ,analogen' Mitbürger zu stärken, müssen wir sehr oft erleben, dass viele Unternehmen und Behörden keine Rücksicht auf diese Bevölkerungsgruppe nehmen“, schreibt die „Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher im Kreis Mettmann e. V.“. Oft seien keine telefonischen Kontakte mehr möglich oder es melde sich ein Computer, dem man sein Anliegen nicht persönlich schildern könne. „Besonders ärgerlich ist es, wenn wir dies auch bei ,unseren' öffentlichen Dienstleistern und Behörden erleben müssen: Fahrpläne kommunaler Verkehrsgesellschaften oder Behördentermine gibt es oft nur noch im Internet.“
Unterstützen und begleiten
Weitere Digitalpaten werden gebraucht
Helmuth Spathmann ist vor Ort noch Einzelkämpfer. „Ich suche krampfhaft weitere Digitalpaten und Senioren, die sich dafür fit fühlen. Das müssen keine Fachleute sein.“ Wer mithelfen will und auch wer selbst Hilfe braucht, der mailt an helmuth.spathmann@digitalpaten.me.
Infos zu den Kursen im DRK-Begegnungszentrum gibt’s unter 02104 216935 bei Susann Ribbert.
Die Digitalpaten im Kreis Mettmann/NRW sehen, dass es „immer schwieriger wird, Dienstleistungen oder Produkte auf dem bisher gewohnten Weg zu erhalten“. Sie wollen ihre Mitbürger auf dem Weg ins Internet unterstützen und begleiten, sie neugierig machen auf die Möglichkeiten und Chancen der digitalen Welt. Spathmann war nahezu vier Jahrzehnte beim DRK-Kreisverband Mettmann angestellt, leitete zuletzt sieben Jahre das Begegnungszentrum an der Bahnstraße: „Das hat mir am meisten Spaß gemacht.“ Seit März letzten Jahres ist er als Ehrenamtler und Unterstützer der erwähnten Arbeitsgemeinschaft aktiv. „Viele Senioren ahnen gar nicht, was auf sie zukommt. Und ich habe das Gefühl, auch die die Kommunen sind noch gar nicht richtig vorbereitet.“
Vor allem Smartphones und Tablets
Der 68-Jährige leistet jetzt „praktische digitale Lebenshilfe“, wie er es nennt. „Von A bis Z. Wie gehe ich online? Welchen Vertrag brauche ich. Und so weiter.“ Schwerpunkte seien eindeutig Smartphones beider großen Betriebssysteme, ebenso Tablets. Da geht er mal mit einer Ratsuchenden „ein ganzes Buch mit Passwörtern“ durch, die die über 90-Jährige zwar akribisch aufgeschrieben hat, aber nicht mehr zuordnen kann. Und für Renate Schenk, deren Enkelkinder das fehlende Wlan in Omis Wohnung moniert hatten, richtete er den neuen Router ein und räumte gleich noch ihren PC auf.
Nur noch Mails vom Sportverein
Die Velberterin (84) ist erst seit drei Jahren digital unterwegs, nutzt das für Bestellungen bei einer Online-Apotheke, holt Fotos vom Smartphone rüber auf den PC und schreibt dann und wann eine E-Mail. „Ich bin im Sportverein, da kommen keine Infos mehr per Post, sondern nur als Mail", erzählt die aktive VSG-Übungsleiterin. Zur Bank gehe sie immer noch persönlich, „aber irgendwann kann ich vielleicht nicht mehr aus dem Haus. Dafür muss ich üben und mich wappnen".
Stadtwerke legen Wert auf persönlichen Kontakt
Die Stadtwerke Velbert ticken ähnlich wie die TBV. „Die Digitalisierung nimmt mehr und mehr Fahrt auf. Uns ist es aber wichtig, dass wir als Umsorger vor Ort den persönlichen Kontakt zu den Velberterinnen und Velbertern weiterhin behalten“, erklärt Gesa Weppelmann. Das gelte ausdrücklich auch für diejenigen, „die mit den digitalen Kommunikationswegen oder dem Internet nicht ganz so vertraut sind“, so die Sprecherin weiter.
Kundencenter als Anlaufstelle
Weppelmann führt u. a. das Kundencenter in der Fußgängerzone Friedrichstraße an, wo Kunden zweimal pro Woche ihre Anliegen mit Beratern besprechen könnten. „Darüber hinaus sind wir telefonisch zu festen Zeiten zu erreichen.“ Als für die Schwimmbäder Corona-bedingt Zeittickets hätten gebucht werden müssen, habe man neben dem Online-Portal eigens auch Vorverkaufsstellen eingerichtet. Und im Bereich Breitband biete man neben dem Videochat telefonische Beratung an. Zudem sei ein Team in den Ausbaugebieten unterwegs, um möglichst jeden Interessierten persönlich zu informieren.
Denen helfen, die in Verdrückung sind
„Alle Kanäle offen halten!“, lautet auch das Plädoyer von Susann Ribbert. Es seien zwar immer weniger, die mit der Technik nicht umgehen könnten, „aber so lange müssen und werden wir denen helfen, die in der Bredouille sind“. Vermutlich ab März/April werde es wieder Kurse zum Umgang mit Smartphone und Co. geben, so die Leiterin des DRK-Begegnungszentrums und Koordinatorin der Ehrenamtler. Ihr Urteil: „Deutschland ist abgehängt in der Digitalisierung, das ist in der Pandemie ganz deutlich geworden.“ Vielen Senioren sei nur das Telefon geblieben, „oft mit verheerenden Folgen. Das wäre mit Video-Calls was ganz Anderes“.