Neviges. Kein Kaffee, kein Kuchen: Das Nostalgie-Café in Velbert ist geschlossen. Trödelfans können stöbern und kaufen, was den Ort so besonders machte.

Über so viele Gäste hätten sich Inhaber Holm Jesert und sein Sohn Lars zu „Lebzeiten“ ihres Nostalgie-Cafés gefreut: Um Punkt 12 Uhr kommen die ersten Trödelfans, viele, um sich umzusehen, viele auch mit ganz konkreten Wünschen. Das „Kult-Café der 50er und 60er Jahre“, gegenüber des Klosters, in dem die Gäste inmitten von Kuriositäten aus vielen Jahrzehnten ihre Bergische Kaffeetafel genossen oder sich einfach zum Töttern trafen, ist Geschichte. Jetzt läuft der Ausverkauf all dessen, was dieses Café so besonders gemacht hat: Trödelfans haben die Qual der Wahl. Außer des Inventars – also der Kuchentheke, einem Großteil der Stühle und natürlich der Ausstattung in der Bäckerei – wird alles abgegeben.

Einbußen im Lockdown

Diese Sitzecke steht ebenso zum Verkauf wie die vielen Bilder an der Wand.
Diese Sitzecke steht ebenso zum Verkauf wie die vielen Bilder an der Wand. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

„Wir müssen wegen der Pandemie schließen. Das ist ja nichts Besonderes, das geht vielen in der Branche so“, sagt Inhaber Holm Jesert. Vier Wochen nach dem Umzug aus dem Bergischen Hof in die Räume des früheren Café Paaß kam im März 2020 der erste Lockdown, der knapp drei Monate dauerte. Dann die zweite Zwangsschließung im November. Außenverkauf, Lieferdienst, ein kleines „Kutschen-Museum“ auf der Terrasse – man habe alles versucht, die fehlenden Einnahmen irgendwie aufzufangen. Auch habe man bis jetzt die versprochene Corona-Nothilfe nicht bekommen. „Wir wurden immer wieder vertröstet, haben oft versucht, nachzufragen. Und wenn man mal durchkam, hieß es nur: abwarten.“

Neuer Standort in Köln

Die in den 60er Jahren hochmoderne Küchentheke mit eingebauter Kühltechnik gehört zum Inventar des früheren Café Paaß, dem Vorgänger des Nostalgie-Cafés, und wird nicht verkauft. Was in den Regalen steht, dagegen schon.
Die in den 60er Jahren hochmoderne Küchentheke mit eingebauter Kühltechnik gehört zum Inventar des früheren Café Paaß, dem Vorgänger des Nostalgie-Cafés, und wird nicht verkauft. Was in den Regalen steht, dagegen schon. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Doch das „Nostalgie-Café“ werde weiterleben, kündigt der Inhaber an – nur nicht in Neviges. „Wir ziehen etwas in der Kölner Altstadt auf, in verbesserter Form“, kündigt Holm Jesert an. Man habe gute Kontakte in die Rhein-Metropole, wann dort der Startschuss falle, könne man noch nicht genau sagen. Nun muss erst einmal das große Café an der Klosterstraße leer geräumt werden. „Die Hälfte ist ja schon weg, sieht man nur nicht.“ Recht hat der Mann, noch immer wird man geradezu erschlagen von all den Kuriositäten und liebenswerten Schätzchen. Da liegt ein Akkordeon auf dem Stuhl, der Tisch ist gedeckt mit goldfarbenem Geschirr, das eine junge Frau kurze Zeit später hochzufrieden in einer Einkaufskiste davon trägt.

Klavier steht jetzt in Indonesien

Gleich mit zwei Milchkännchen gibt’s dieses Kaffeeservice. Das Sortiment an Porzellan ist riesig.
Gleich mit zwei Milchkännchen gibt’s dieses Kaffeeservice. Das Sortiment an Porzellan ist riesig. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

„Das Klavier ist schon länger weg, das steht in Indonesien in einem Hotel. Die sind da ja ganz verrückt auf Sachen aus Europa“, sagt Holm Jesert. Fast alle Teppiche seien verkauft und ein Porzellan-Liebhaber habe sich den Großteil der Kaffeekannen geschnappt. Aber keine Sorge: Wer auf der Suche nach Kaffeekannen ist, wird auch jetzt nicht leer ausgehen im ehemaligen Nostalgie-Café. Man habe ja schon immer nebenbei verkauft, wenn ein Gast Interesse an einem bestimmten Stück gehabt habe, betont der Inhaber. Der Unterschied sei eben jetzt: Es komme alles raus.

Großes Interesse der Trödelfans

Auch diverse Film-Plakate, Figuren und Werbe-Artikel gibt’s im ehemaligen Nostalgie-Café zu kaufen.
Auch diverse Film-Plakate, Figuren und Werbe-Artikel gibt’s im ehemaligen Nostalgie-Café zu kaufen. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Holm Jesert und Sohn Lars haben jede Menge zu tun an diesem Vormittag. Da wird nach Preisen gefragt oder auch einfach nur: „Was ist das denn?“ - „Ein Elvis-Mikrofon aus den 40er Jahren, ein Nachbau, ist schon verkauft.“ Eine Paar ist auf der Suche nach einem „bestimmten Tonbandgerät“, man schaut sich um. Was es auf den ersten Blick sieht: Mehrere kultige Musik-Truhen aus den 60er Jahren, solide Möbelstücke, in denen die Technik unsichtbar verschwindet. Eine Nevigeserin hält Ausschau nach Cocktail-Sesseln, ein Mann aus Wuppertal freut sich auf alte Biergläser.

Spazierstock mit Schnaps-Glas

Stöbern von Donnerstag bis Sonntag

Im ehemaligen Nostalgie-Café, Klosterstraße 4, können Trödelfans nach Herzenslust stöbern und kaufen. Für sie ist geöffnet Donnerstag bis Sonntag von 12 bis 17 Uhr. Außerhalb dieser Zeit nach Vereinbarung unter 0162 569 5377. Man kann auch eine Whats’App schreiben.

Teile des Inventars sind nicht verkäuflich, etwa die Kuchentheke im Eingangsbereich oder ein Teil der Stühle.

„Irgendwas von Marylin Monroe, was ich noch nicht habe“, sucht Birgit Grenz aus Wuppertal und schaut sich um, „ich mag aber überhaupt Trödel“. Da kann man nur hoffen, dass sie genug Platz im Auto hat. Eine Frau hat sich spontan in eine kniehohe Sarotti-Figur verguckt, „die nehm ich mit, die ist cool“. Und Thomas Knof aus Tönisheide geht zwar unverrichteter Dinge aus dem Café, kommt aber bestimmt wieder: Einer der zahllosen Spazierstöcke hat es ihm angetan, und zwar nicht wegen des Messingknaufs. Der Stock hat ein interessantes Innenleben: Hier kann sich der Wanderer bei der Pause auch gleich ein Schlückchen Schnaps genehmigen.

Viele Fotos von Filmstars

Die Wände hängen voll mit Ölbildern, Madonnen-Darstellungen, Fotos von Filmstars und Politikern, zum Teil mit Autogrammen. Insgesamt acht Akkordeons haben die Jeserts im Sortiment. Und auch, wenn schon viel weg ist: Überall steht Porzellan herum, mal mit Goldrand, mal mit Blümchen. In der ein oder anderen Ecke entdeckt man Schreibmaschinen, alte Zeitschriften, Küchen-Utensilien in kultigem orange oder grün. Jahrelang haben Gäste und Bekannte hier kistenweise abgegeben, was niemand mehr haben wollte, oft nach einer Haushaltsauflösung. Holm Jesert hat sich immer alles angeschaut, hat aussortiert, hat vieles behalten. Ein „Kulturmuseum des Alltags“, das schwebte ihm unter anderem mal vor. Keine Bergische Kaffeetafel mehr mit allem „dröm on draan“, kein Pillekuchen. Viele Stammgäste werden ihr „Nostalgie-Café“ vermissen.