Velbert. Durch den Lieferstopp eines Anbieters sind 1500 Velberter in die Stadtwerke-Grundversorgung gerutscht. Die ist teurer als der bisherige Tarif.

Das war eine böse Überraschung für die „Grünwelt“-Kunden. Über Nacht stellte der Energieanbieter für seine Marken Stromio und Gas.de die Belieferung der Kunden ein und beendete „aufgrund der historisch einmaligen Preisentwicklung“ auf den Energiemärkten die Lieferverträge mit sofortiger Wirkung.

Zahlreiche Anrufe bei der Verbraucherzentrale

Für die betroffenen Kunden bedeutete das: Sie rutschten automatisch in die Ersatzversorgung des Grundversorgers. In Velbert sind das die Stadtwerke, die plötzlich 1000 Strom- und 500 Gaskunden mehr hatten. Allerdings unfreiwillige Kunden, die teils verärgert über die im Vergleich zum bisherigen Anbieter deutlich höheren Grund- und Arbeitspreise waren. „Bei uns steht das Telefon deswegen nicht mehr still“, sagt Andreas Adelberger, Leiter der Beratungsstelle Velbert der Verbraucherberatung. „Ich komme zu fast nichts anderem mehr.“

Börsenpreis hat sich verzehnfacht

Auch im Kundencenter der Stadtwerke melden sich zahlreiche Kunden, berichtet Daniel Horstmann, Teamleiter Direktvertrieb. Er kann Sorgen und Ärger der Kunden verstehen, wirbt aber um Verständnis. So habe sich der Strompreis an den Börsen zwischen Januar und Dezember 2021 etwa verzehnfacht. „Als Grundversorger sind wir dafür verantwortlich, immer genügend Menge anbieten zu können, verfolgen daher eine langfristige Einkaufsstrategie und sind darum nicht so abhängig von den jeweiligen Tagespreisen, wie die Discount-Anbieter“, sagt Horstmann. „Wir haben im vergangenen Jahr zwar recht gut einkaufen können, dennoch sind unter dem Strich die Einkaufspreise für uns im Vergleich zum Vorjahr massiv gestiegen.“

Daniel Horstmann, Teamleiter Direktvertrieb bei den Stadtwerken Velbert.
Daniel Horstmann, Teamleiter Direktvertrieb bei den Stadtwerken Velbert. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Preisanstieg vor allem beim Gas

Als wirtschaftlich agierendes Unternehmen seien die Stadtwerke nicht umhin gekommen, die Strom- und Gaspreise zu erhöhen – für Bestandskunden allerdings erst zum 1. März, also wenn sich die Heizperiode langsam endet. Für Neukunden in der Grund- bzw. Ersatzversorgung wurden die Änderungen jedoch direkt Anfang Dezember wirksam. So zahlen sie in der Strom-Grundversorgung bei einer Jahres-Abnahme von 3.500 Kilowattstunden (das entspricht statistisch dem Durchschnitt in Velbert) nun 1381 statt 1282 Euro – also rund 100 Euro pro Jahr mehr. Deutlicher ist der Sprung beim Gas: Gas-Kunden in der Grundversorgung müssen bei 20.000 Kilowattstunden (auch das ist der Durchschnitt) künftig 2377 Euro statt wie bisher 1799 Euro zahlen – also 578 Euro pro Jahr oder gut 48 Euro mehr pro Monat.

Stadtwerke Velbert wollen neue Kunden halten

„Wir sind natürlich daran interessiert, die Kunden zu halten“, sagt Gesa Weppelmann, Sprecherin der Stadtwerke. Darum biete man auch jedem in die Grundversorgung gerutschten Kunden die günstigeren Strom- bzw. Gasbert-Tarife an – auch rückwirkend ab Start der Ersatz- bzw. Grundversorgung. „Aber natürlich steht es jedem auch frei, sich einen neuen Lieferanten zu suchen.“ Allerdings zeigt ein WAZ-Vergleich auf dem Portal check24.de, dass sowohl der Gas- als auch der Strom-Grundversorgungstarif der Stadtwerke derzeit mit Abstand günstiger ist als alle anderen Wahltarife anderer Anbieter.

Andreas Adelberger, Leiter der Verbraucherzentrale Velbert, führt aktuell zahlreiche Beratungsgespräche.
Andreas Adelberger, Leiter der Verbraucherzentrale Velbert, führt aktuell zahlreiche Beratungsgespräche. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Und so hält auch Andreas Adelberger von der Verbraucherzentrale die Preisgestaltung der Stadtwerke für „in Ordnung“ – auch wenn die Preissteigerungen die Verbraucher „richtig schmerzen“ würden. „Das wird noch heftig knallen, wenn die Jahresrechnungen der Anbieter und Nebenkostenabrechnungen der Vermieter verschickt werden“, ist er sich sicher.

Was tun, wenn die Kosten explodieren?

Die gestiegenen Energiekosten bringen manch einen Haushalt an oder über die Belastungsgrenze. Können Abschläge oder Rechnungen nicht gezahlt werden, sollten Kunden auf jeden Fall Kontakt mit dem Energieversorger aufnehmen. In finanziellen Notlagen können möglicherweise individuelle Zahlungsvereinbarungen getroffen werden. Einfach nicht zu zahlen, kann zur Sperrung der Versorgung führen.Die Verbraucherzentrale bietet Energieberatungen an. Experten schauen sich die bestehenden Verträge an und versuchen, mit den Kunden günstigere Alternativen zu finden. Grundsätzlich raten die Verbraucherschützer derzeit, möglichst kurze Vertragslaufzeiten zu wählen, da die Preisentwicklung nicht absehbar sei.

Experte hält Markt für schwer durchschaubar

„Wer immer der Billigste sein will, geht Risiken ein“, bewertet Daniel Horstmann von den Stadtwerken die Entwicklung. Andreas Adelberger sieht es differenzierter: „Nur billig, billig ist sicherlich nicht der richtige Weg, aber der liberalisierte Energiemarkt ist so komplex, dass er für Verbraucherinnen und Verbraucher nur schwer zu durchschauen ist.“