Velbert/Kreis Mettmann. Die Ernte-Bilanz der Kreisbauernschaft Mettmann fällt recht gut aus. Aber bei den Landwirten spielen noch ganz andere Faktoren eine Rolle.
Ach ja die Bauern. Die meckern und lamentieren ja eh immer nur rum, so heißt es oft. Ist aber weit gefehlt und hat wie so manches Vorurteil nicht viel mit der Realität zu tun. Ganz im Gegenteil. „Insgesamt gibt es nix zum Jammern“, sagt zum Beispiel Bernd Kneer, wenn man ihn auf die Erntebilanz 2021 anspricht. Man habe gute Bestände bis zur Ernte verzeichnet, so der Kreislandwirt, allerdings habe die Kälte in der Blüte verhindert, dass es letztlich wirklich eine „Spitzen“ernte wurde. „Alles was grün war, ist gewachsen wie Teufel“, berichtet Kneer. Und ist sich mit Martin Dahlmann nicht zuletzt darin einig, „sehr froh“ zu sein, nach den Vorjahren mit extrem starkem Regenmangel keine erneute Dürre erlebt zu haben.
Preisexplosion und Mangel bei Düngemitteln
Vor allem aber betonen der Vorsitzende der Kreisbauernschaft Mettmann und der Kreislandwirt unisono, dass die Ernte allein nicht kriegsentscheidend sei. Eine mindestens ebenso große Rolle spielen für ihre auch von steigenden Energiepreisen und Lieferketten-Problemen gebeutelte Branche Betriebsmittel und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Da wäre der Diesel für die Traktoren und Maschinen, da nennt Dahlmann – er betreibt Milchviehhaltung, produziert und vertreibt Käse – eine Preissteigerung um 40 Prozent beim Zukauf von Viehfutter; der Wülfrather Ackerbauer Bernd Kneer – Gerste, Weizen, Zuckerrüben und rheinische Ackerbohne auf knapp 200 Hektar – erzählt von plus 100 Prozent für die nächste Saison bei Düngemitteln, fügt hinzu: „Wir wissen gar nicht, ob wir überhaupt genug bekommen.“
Qualität und Quantität passen
Aktuell ist die Zuckerrübenernte im Gang; die so genannte Rüben-Kampagne läuft noch bis Mitte Januar. „Von der Menge und den Zuckerwerten her okay“, urteilt der Chef der Kreisbauernschaft. Die Milchviehhalter hätten ihre Futterreserven dieses Jahr wieder aufbauen können, bilanziert der Wuppertaler. „Qualität und Quantität stimmen.“
1000 Chancen dank der nahen Großstädte
Grundsätzlich sind beide Landwirte skeptisch und erwarten, dass es einen Strukturwandel und absehbar größere Betriebe als heute geben wird, „weil kleinere die erforderlichen Investitionen nicht stemmen können, zumindest nicht aus der Landwirtschaft allein“. Das werde dann so überhaupt nicht zu den oft romantischen Verbraucher-Vorstellungen passen. Für die hiesige Kreisbauernschaft sind Dahlmann und Kneer allerdings mehr als zuversichtlich: „Wir mit den Großstädten vor der Haustür haben 1000 Chancen mit Direktvermarktung, Pferdehaltung, Erlebnisbauernhof und anderem, müssen uns aber wirklich breit aufstellen.“
Lange Zeit nur auf Effizienz getrimmt
Nach Auskunft Dahlmanns gehen ein Drittel der Biomilch in die konventionelle Schiene rein, weil sie einfach nicht abzusetzen sei. Ähnlich sei es etlichen Kollegen ergangen, die sich bei der Tierwohl-Initiative hätten engagieren wollen. Eine andere als herkömmliche Produktion „kostet mehr Geld, aber das muss man erstmal kriegen“. Die Landwirte seien über Jahrzehnte auf Effizienz getrimmt worden. Sie würden sich bei geändertem Ernährungsverhalten „natürlich“ umstellen und darauf einstellen, versichern beide. Doch sei es schwer, mit dem Tempo des wechselnden Verbraucherverhaltens mitzuhalten: „So’n Stall ist ja auf 20 Jahre gerechnet.“ Bernd Kneer fügt hinzu: „Wir können und wollen uns umstellen, aber wir denken in Generationen und nicht in Wahlperioden.“
Erwartungen an die Ampel
Apropos: An die neue Bundesregierung haben Dahlmann und Kneer zwei Wünsche. Dass nämlich die „Auflagenflut und Gesetzgebung wirtschaftlich flankiert“ werden, so dass es „weiter Spaß macht Landwirt zu sein“. Und dass „die Politik Landwirte und Gesellschaft wieder mehr zusammenführt“. Und noch einen Wunsch haben Kreisbauernschaftsvorsitzender und Kreislandwirt, wenngleich nicht an die (voraussichtliche) Ampel. Dass nämlich „die Respektlosigkeit vor Eigentum und vor den Früchten auf dem Feld“ zumindest nicht noch weiter um sich greift, sondern bestenfalls ein Ende hat. „Ich bin immer sprachlos“, berichtet Martin Dahlmann, „wenn da Erdbeer-Kollegen von ihren unglaublichen Erfahrungen berichten.“
Gebiet reicht weit über den Kreis Mettmann hinaus
Der Rheinische Landwirtschafts-Verband (RLV) ist die einheitliche Berufsvertretung für die Bauern und ihre Familien im Rheinland. Er repräsentiert rund 15.000 Mitglieder. Auf freiwilliger Basis sind rund 95 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe des Rheinlandes im RLV organisiert. Er gliedert sich in Ortsbauernschaften, Kreisbauernschaften und Bezirksbauernschaften.
Zur Kreisbauernschaft Mettmann gehören der Kreis Mettmann, Düsseldorf, Remscheid, Solingen und Wuppertal. Sie ist wiederum Ansprechpartner für 800 Landwirte und ihre Familien in der Region. Martin Dahlmann ist Kreisvorsitzender und Marcel Terhardt Kreisgeschäftsführer. Die Geschäftsstelle sitzt in Mettmann.