Velbert. Die CDU will sich nach der Wahl erneuern: Junge Menschen aus der Partei in Velbert sagen, wo die Probleme liegen – und was sich ändern muss.
Können junge Menschen in Velbert helfen, dass die CDU sich wieder berappelt? Die Christdemokraten befinden sich in einer scheußlichen Lage: Nach der Bundestagswahl, eine historische Pleite, taumeln sie, ohne zu wissen, wo die Partei eigentlich steht und ohne zu wissen, wo die Reise hingeht.
„Wir Jungen müssen den Alten jetzt auf die Füße treten, ein Weiter-so gibt es nicht mehr. Wir werden ungemütlich sein“, sagt Alissia Kuhl. Die 24-Jährige ist stellvertretende Vorsitzende der CDU in Velbert. Als sachkundige Bürgerin kämpft sie für die Digitalisierung der Stadt. Neben der Politik forscht sie im Labor an Herzzellen und studiert Molekularbiologie.
Die CDU steckt in der Krise – so stellen sich junge Menschen den Wandel vor
Sie ist der Jungen Union 2017 beigetreten. Auf Snapchat hat sie damals den Wahlkampf der Jugendorganisation beobachtet. Die Mitglieder backten Waffeln, verteilten Flyer und Luftballons. „Das sah nach Spaß aus, da habe ich mich gemeldet“, sagt sie. Kuhl gefällt die Grundausrichtung der CDU: der Fokus auf Wirtschaft, ohne das Klima zu vergessen, und auf Sicherheit. Doch selbst für ihren Geschmack tritt die Partei derzeit zu rückschrittlich auf.
Vor einiger Zeit wollten die Mitglieder der Jungen Union kostenlos Tampons auf öffentlichen Toiletten bereitstellen, andere Städte hatten da bereits Spender installiert. Das Vorhaben hat wilde Debatten in der CDU-Fraktion ausgelöst. Ein Christdemokrat äußerte gegenüber Kuhl, das Thema sei ja schön und gut, aber nicht konservativ genug. „Mit solchen Einstellungen verbaut man sich einiges“, sagt sie. „Man wird betriebsblind, wenn man 20 Jahre im Rat sitzt.“
Der Wahlkampf der CDU hatte keinen Inhalt
Doch warum haben die Christdemokraten den Wahlkampf eigentlich so vermurkst? Moritz Weßling, auch als sachkundiger Bürger im Rat und Vorsitzender der Jungen Union in Velbert, sagt: „Wir konnten nicht klar rüberbringen, wofür wir eigentlich stehen.“ Doch genau das sei gerade in dem Wahlkampf so wichtig gewesen, wo Merkel nicht mehr angetreten ist.
Die Junge Union hat laut Weßling im Wahlkampf aber auch vieles richtig gemacht: Sie war auf digitalen Plattformen präsent, der Haustürwahlkampf lief gut und sie fuhr mit einem Bus durch die Wahlkreise, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Für ihn ist es nun traurig zu sehen, dass nur 15 Mitglieder der Jungen Union aus ganz Deutschland in den Bundestag eingezogen sind. Von den Jungsozialisten, der Jugendorganisation der SPD, sind es 49. „Die sind jetzt eine Macht. Wenn die Projekte angehen wollen, werden sie sich verbinden – und durchsetzen können.“
Politik ist zu männerdominiert
Um die CDU wieder auf die Beine zu bekommen, will Alissia Kuhl dafür eintreten, junge Themen auf die Tagesordnung zu setzen. Aus ihrer Sicht sind das vor allem: Bildung, Digitalisierung, Klima und bezahlbarer Wohnraum. „Im Rat sitzen Leute, die haben 30 Jahre keine Schule von innen gesehen. Da können wir Jungen helfen.“ Im Digitalausschuss setzt sie sich dafür ein, dass die Terminvergabe im Service-Büro der Stadt, etwa um einen Personalausweis abzuholen, besser funktioniert.
Wichtig ist für sie auch die Frauenförderung. Von den 20 Mitgliedern der CDU-Fraktion im Rat sind 18 Männer. Kuhl sagt, Frauen haben einen anderen Blickwinkel auf Themen. Sie bewundert Merkel für ihre Ruhe und Standhaftigkeit. Sie selbst habe ein bisschen gebraucht, um sich in der männerdominierten Politik zurechtzufinden. „Man muss das lernen, am Tisch einen 30 Jahre älteren Mann auch mal zu unterbrechen – sonst kommt man nie zu Wort.“ Von den Alten erwartet sie jetzt, dass sie ihre Plätze für den Nachwuchs freigeben. „Auf Bundesebene denke ich, müssen wir das Personal austauschen – Laschet ist durch.“
Klimakrise verlangt schnelle Lösungen – Konservative trödeln
Moritz Weßling bemängelt, dass die CDU mit jungen Menschen nicht auf Augenhöhe kommuniziert hat. Er erinnert sich besonders an die Diskussion über Upload-Filter: Da haben die Alten ihm zufolge die junge Generation nicht ernst genug genommen. „Dieses von oben herab – das merken sich die Jungen.“ Zudem fordert er mehr Mut von seinen Parteikollegen. Den Mut, den Merkel an den Tag gelegt habe, als sie den Weg aus der Atomenergie bereitet habe, bräuchte man nun, um die Klimakrise in Velbert zu bewältigen.
„Wir müssen jetzt schnell und unbürokratisch Windräder bauen. Wir müssen in Bus und Bahn investieren. Es kann nicht sein, dass wir immer noch keinen Bahnhof haben.“ Vor kurzem habe er für sich definiert, was konservativ bedeutet: „Konservative gehen den aktuellen Gesellschaftswandel langsamer an, sie denken einen Moment länger darüber nach, was zu tun ist – und finden dann eine vernünftige Lösung.“ Die Krise der CDU – sie ist eine Krise des Konservativismus.
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