Wuppertal. Irina Schütz steht künftig der Kammer vor, die in Verfahren am Landgericht über Missbrauch, Gewalt und Kinderpornografie entscheidet.

Beim für Velbert und Heiligenhaus zuständigen Landgericht in Wuppertal hat die Leitung der Jugendschutz-Strafkammer des bergischen Landes gewechselt. Neue Vorsitzende seit 1. Mai 2021 ist Irina Schütz.

Schütz und die beisitzenden Richterinnen und Richter müssen Straftaten verhandeln, auf denen das besondere Augenmerk der Öffentlichkeit liegt: Gewaltsame Misshandlung von Kindern und Jugendlichen, sexueller Missbrauch und Kinderpornografie. Wie bei anderen Abteilungen des Landgerichts kommt allgemeine Schwerkriminalität dazu, wie Raubüberfälle.

Ära geht zu Ende

Mit der Übernahme durch Schütz geht eine Ära zu Ende: Sie ist Nachfolgerin von Ulrich Krege, der in den Ruhestand wechselt. Er ist seit 1988 Richter in Nordrhein-Westfalen und leitete diese Kammer 15 Jahre lang.

Jugendschöffen sind mit dabei

In Verhandlungen der offiziell 4. Große Strafkammer genannten Abteilung sitzen neben der Vorsitzenden bis zu zwei weitere Berufsrichterinnen und Richter. Dazu kommen eine Jugendschöffin und ein Jugendschöffe: Sie sind nicht juristisch ausgebildet, sondern erzieherisch erfahren mit Kindern und Jugendlichen und sollen aus ihrer Lebenserfahrung heraus urteilen. Beschlüsse treffen alle bis zu fünf Personen gleichberechtigt in geheimer Beratung. Der oder die Vorsitzende führt die Verhandlung.

Deutliche Worte

2019 verhandelte die Kammer unter Krege den Fall eines damals 32 Jahre alten Velberters, der per Internet-Chat aus dem Haus seiner Eltern heraus eine Minderjährige zu sexuellen Handlungen verleitet hatte. Er war einschlägig vorbestraft und erhielt zwei Jahre und zehn Monate Haft ohne Bewährung. Ulrich Krege verdeutlichte ihm in der mündlichen Urteilsbegründung: „Sie haben genau das Gleiche wieder gemacht.“

Strafmilderung bei Geständnissen

Mehrfach hat das Gericht klar gemacht, dass es in Missbrauchsfällen bis zu einem Drittel Strafmilderung nach Geständnissen gibt: Nicht wegen irgendeiner Sympathie mit dem Geschehen oder den Angeklagten, sondern weil es das letzte Mittel ist, die Opfer im Prozess zu schützen. Wenn ein Täter schweigt, müssen die Geschädigten aussagen. Das kann mehrere Sitzungstage umfassen, und es hat für die Betroffenen oft schwere Folgen. Eine Wahl haben die Richter nicht: Sie müssen die Wahrheit herausfinden.

„So ein Blödsinn!“

Die Angeklagten ging Krege entsprechend ihren Voraussetzungen an. Mehrfach klärte er Fälle sogar durch Anschreien auf. Ein gerade volljähriger Spielhallenräuber hatte angegeben, ein Verdächtiger aus seinem Bekanntenkreis habe nichts mit der Tat zu tun. Kreges Vorhalt, mit tönender Stimme: „So ein Blödsinn! Deswegen hatten Sie auch seine Kapuzenjacke an, als Sie mit der Beute festgenommen wurden. Und sein Ausweis war in der Innentasche!“ Es folgte ein nachgebessertes Geständnis vom sichtlich beeindruckten Angeklagten - und später ein Urteil gegen den Hintermann, der Jüngere zur Tat vorgeschickt hatte.

Vorsitzende Richterin

Irina Schütz ist seit dem Jahr 2000 Richterin in Nordrhein-Westfalen und seit 2016 Vorsitzende Richterin am Landgericht in Wuppertal.

Dort leitete sie zuletzt die 12. Strafkammer, zuständig für Berufungen gegen Strafurteile der Amtsgerichte. Ihre Nachfolge in dieser Position wird das Gericht später bekannt geben.

Angehörige der 4. Großen Strafkammer sind nun neben der Vorsitzenden Schütz weiterhin die Richterin Susanne Schleger als stellvertretende Vorsitzende und Richter Robin Kutschaty

Freier ausgeraubt

Was Heiligenhaus betrifft hatte die 4. Strafkammer 2015 über einen Überfall in einer Wohnung der Unterstadt zu urteilen: Eine Prostituierte (32) hatte drei Komplizen informiert, einer ihrer Kunden reise regelmäßig mit viel Geld. Gemeinsam beraubten sie das Opfer. Nachbarn riefen wegen des Lärms die Polizei. Den Beamten soll die Frau zunächst angegeben haben: Sie habe Besuch, der sei immer so. Es überzeugte nicht, der Überfallene wurde befreit – nicht ohne dass einer der Täter noch versuchte, klar zumachen, der Geschlagene habe mit „Streit“ angefangen.

Mit langem Messer

Das Gericht verhängte Haftstrafen zwischen vier und sechs Jahren. Während des Prozesses wurde die 32-Jährige von einem Zuschauer bedroht, Krege ließ darauf mehrere Personen und deren Autos auf dem Gerichtsparkplatz durchsuchen. Dabei tauchte unter anderem ein Schwert mit einer 40 Zentimeter langen Klinge auf.