Velbert. Dürre, Hitze, Stürme und Borkenkäfer machen dem Wald ganz schwer zu schaffen. Die TBV-Forstleute pflanzen in Velbert für die neue Waldgeneration.

An verschiedenen Stellen in Velbert, und zwar in allen drei Stadtbezirken, läuft zurzeit eine Aktion, die ein (überlebens)wichtiges Ziel hat: den Aufbau der neuen Waldgeneration für morgen und übermorgen mit aktuell 4200 Setzlingen. Wobei man sich dabei von menschlichen Zeitvorstellungen besser ganz fix löst. Schließlich geht’s um viele Jahrzehnte und mehrere Generationen. Und es geht neben der Resistenz ganz maßgeblich auch um eine Eigenschaft bzw. Fähigkeit, die momentan mächtig en vogue ist und arg strapaziert wird, nämlich um Resilienz. Kurzum: Die Forstleute der Technischen Betriebe Velbert (TBV) hoffen darauf, dass sie z. B. mit den jungen Douglasien, Weißtannen, Küstentannen und Roteichen neben den heimischen Buchen Arten in die Erde bringen, die neben Widerstandskraft auch die Fähigkeit haben, auf die Herausforderungen und Veränderungen reagieren, sich anpassen und regenerieren zu können.

Trockenheiten in Folge sind tödlich

„Die Waldentwicklung macht mir große Sorgen“, sagt Peter Tunecke und erzählt am Beispiel der Buche,

Allenthalben beobachten die Fachleute mit wachsender Sorge Vitalitätsverluste und absterbende Bäume.
Allenthalben beobachten die Fachleute mit wachsender Sorge Vitalitätsverluste und absterbende Bäume. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

dass es erst kürzlich bei den Stürmen Klaus und Luis auch einzelne Exemplare jäh umgehauen hat, die man zuvor doch eigentlich als gesund erachtet habe. „Geradezu erschreckend klein“, so der TBV-Geschäftsbereichsleiter Forst, seien die Wurzelteller gewesen. Die Wurzeln gleich unterhalb der Erdoberfläche verfault, starke Wurzeln brüchig, das Feinwurzelwerk zurückgebildet. „Diese Trockenheiten in Folge schädigen alle Baumarten, unabhängig von Art und Alter“, lautet die Bestandsaufnahme des Oberforstrates, der von allenthalben extrem starken Vitalitätsverlusten und absterbenden Bäumen berichtet. Eindeutige Indizien und (zu späte) Alarmzeichen sind vorzeitiger Laubverlust, sich lichtende Kronen, Totholzbildung, absterbende Äste und Rindenverlust.

Fichtenbestand wurde nur 36 Jahre alt

Standort ist für die Auswahl entscheidend

Kalkböden, die von Natur aus artenreicheren Wäldern ein gutes Zuhause bieten, gibt es in Velbert eigentlich nur in Randbereichen. Stattdessen dominiert der eher nährstoffärmere devonische Schiefer, bei dem sich vergleichsweise artenarme Hainsimsen-Buchenwälder bilden. Mit den Schieferböden kommen laut Peter Tunecke auch Douglasie, Lärche, Küstentanne und Roteiche „gut zurecht“. Er betont: „Der Standort ist entscheidend für die Baumart-Wahl.“

Die Wälder sind durchweg Mischbestände. Auf 85 Prozent der Flächen dominiert Laubholz (Buche, Eiche, Esche etc.) und auf den restlichen 15 Prozent Nadelholz.

Und so stehen nun die TBV-Forstwirte Ingo Hentschel, Rolf Karrenberg und Jürgen König zwischen Kuhlendahler- und Bernsaustraße auf einem Hang nahe des Windecker Bachs – „In den Sträuchern“ heißt dieser Bereich –, den Spaten in der Hand, und graben damit 400 Küstentannen eine neue Heimat. Ergänzend setzen die Drei Douglasien. Für den Start ins Leben bekommt jede Pflanze eine Wasserkapsel miteingebuddelt. Brombeere und Adlerfarn werden dem Nachwuchs das Terrain bald streitig machen; sie müssen regelmäßig zurückgeschnitten werden. Zuvor gab es hier einen Fichtenbestand, dem Massen von Borkenkäfern im Zusammenspiel mit Dürre, Hitze – 38 Grad wurden 2020 in der Spitze in Velbert gemessen – und Stürmen im Alter von gerade einmal 36 Jahren den Garaus gemacht haben. Auf dem Hang gegenüber, ein Privat-Bestand, sind die Bäume Tunecke zufolge in der zweiten und dritten Dürreperiode der Jahre 2019 und 2020 zu 100 Prozent befallen worden.

Aktion immer zum Frühjahr und auch Herbst

Oberforstrat Peter Tunecke (55) ist Geschäftsbereichsleiter bei den TBV. Zu seinem Bereich gehören sieben Forstwirte, eine halbe Bürokraft und bald eine neue Baum-Kontrolleurin.
Oberforstrat Peter Tunecke (55) ist Geschäftsbereichsleiter bei den TBV. Zu seinem Bereich gehören sieben Forstwirte, eine halbe Bürokraft und bald eine neue Baum-Kontrolleurin. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die TBV machen jeweils zum Frühjahr und zum Herbst eine solche Pflanzaktion – durchweg mit eigenen Leuten und überwiegend in Handarbeit – und das seit Jahren in ungefähr stets gleichem Umfang. Es sind zwei- bis vierjährige Setzlinge aus Forst-Baumschulen mit regionalen Herkünften. In Mitte wurden schon im Gebiet Am Lindenkamp ein neuer Waldrand geschaffen und am dortigen Gewässer Erlen gepflanzt, in Langenberg steht noch ein Bereich an der Hordtstraße auf der Liste, in Neviges hinter der Feuerwehr an der Siebeneicker Straße ebenfalls.

Alle sind gespannt

Als Grundregel gilt: „Wir reichern den Buchenbestand mit Nadelholz an und umgekehrt. Und wir wollen möglichst kahlschlagfrei wirtschaften.“ Zudem gehe es um Stufigkeit in jeder Hinsicht. Das betreffe Alter, Größen und Artenmischung. Neu gesetzt wird immer ein Typ Setzling in kleineren zusammenhängenden Trupps oder Gruppen, auf die jeweilige Fläche bezogen aber verschiedenen Arten im Wechsel. „Wir sind alle gespannt“, sagt Peter Tunecke mit Blick auf das Gelingen des „Wiederaufbaus des geschundenen und dezimierten Waldes“. Denn im Grunde sei das Ganze überall ein großes Feld-Experiment, von dem niemand wisse, wie dessen Ausgang einmal aussehen werde. „Die intensivste Funktion des Waldes ist bei uns die Erholungsfunktion“, sagt er beim Abschluss des Rundgangs noch. Und fügt warnend hinzu: „Wir müssen aufpassen, dass er nicht nur Kulisse für Trendsportarten wird.“