Neviges. Die Kinder der evangelischen Grundschule sind glücklich, wieder in der Klasse lernen zu dürfen. Dazu gehören auch ungewöhnliche Hausaufgaben.
Ben ist auf Zack. „Der Kuchen war 30 Minuten im Ofen. Ich glaub, länger ist aber besser.“ Ben geht in die Klasse 4 a der evangelischen Grundschule und hat gleich zuhause ausprobiert, was morgens im Unterricht besprochen wurde. Denn grau ist alle Theorie – und so eine Anweisung auf dem Arbeitspapier kann alles mögliche heißen, muss man ja nicht alles glauben. In der Deutschstunde wollte Lehrerin Astrid Stöckmann gern Rezepte korrekt verfasst haben, dabei sollten Verben ausdrucksstark verwendet werden, auch eine gute Überschrift gehörte dazu. Schmackhaft machen musste sie ihren Unterricht ansonsten niemandem: Alle hier sind heilfroh und glücklich, wieder die Schulbank drücken zu dürfen.
Die Klassen werden geteilt
Zehn Mädchen und Jungen sitzen mit Abstand gebeugt über ihren Heften, die Gruppe A der 4 a. Die andere Hälfte der Klasse darf am nächsten Tag zum Unterricht kommen. Dafür bekommen Ben, Ida, Fatime und all die anderen Arbeitsblätter für daheim mit. Und können, wenn sie Lust haben – Pflicht ist das nicht – wieder neue Rezepte ausprobieren. „Au ja, Apfelmus, das macht meine Oma ganz lecker.“ Astrid Stöckmann gibt ihnen folgendes mit auf den Weg. „Denkt an die Stichwortliste. Und immer in ganzen Sätzen schreiben.“ So viel zu den Hausaufgaben. Wie sehr es die Kinder genießen, wieder ganz normalen Unterricht zu haben, merkt man unter anderem auch an ihrem Eifer, sich zu Wort zu melden oder auch vorn vor der Tafel ihre Hausaufgaben vorzutragen. So wie Ida, die im Eifer des Gefechtes das falsche Heft erwischt hat. „Hä, das ist doch der Obstquark von gestern“, ruft ein Mitschüler, Ida holt schnell das richtige Heft aus der Tasche, na klar, hier steht jetzt der Apfelcrunch drin.
Fünf Minuten ohne Maske
Die Uhr neben der Tafel schellt leise, die ersten 20 Minuten sind um. „Lüften!“, ruft einer keck, als wenn das hier nicht alle wüssten. Fenster auf, Maske ab, das alles fünf Minuten lang. Fünf Minuten ordentlich Luft holen, mal einen Schluck aus der Wasserflasche nehmen, dann geht’s weiter. „Ihr schreibt jetzt bitte mit Füller und direkt ins Heft“, so die Anweisung, und Ben möchte wissen, „Wie kurz ist kurz? Das soll kurz kochen.“ Julius runzelt die Stirn „Was ist denn Boskop?“ Dass er als Erster mit seinem Apfelmus-Rezept fertig ist, bringt ihm keine Punkte ein. „Du hast ja keinen der Stichpunkte bedacht, das musst du noch mal machen“, meint Astrid Stöckmann, bevor sie mal kurz in der ersten Reihe eingreift. „Nicht kuscheln, ihr sitzt mir hier etwas zu nah, rückt mal weiter weg“, ermahnt sie liebevoll Fatime und Julia.
Zuhause nerven die kleinen Brüder
Bauarbeiten für den Brandschutz
Zurzeit besuchen 196 Kinder die evangelische Grundschule, Ansembourgallee 1. Das Kollegium umfasst 14 Lehrerinnen und Lehrer.Im Moment laufen an der evangelischen Grundschule umfangreiche Bauarbeiten zur Verbesserung des Brandschutzes. Auffällig ist der parkähnliche Garten mit seinen alten Bäumen, den ein Gartenbauarchitekt in den 50er Jahren angelegt hat.
Die 45 Minuten Deutschstunde gehen um wie im Flug, jetzt heißt es: Händewaschen, einer nach dem anderen, aber nicht husch, husch, sondern vernünftig. Endlich Frühstückspause und dann ab auf den sonnigen Schulhof. Aber vorher verteilt Romy noch an jeden kleine Tütchen, gefüllt mit Süßigkeiten. Auch Muffins machen die Runde, und Romy strahlt über beide Backen. „Ich freu mich hier über alles“, sagt das Geburtstagskind. Ja, sie alle hier haben einander vermisst, „und Frau Stöckmann“, ruft einer. Homeschooling? Nein danke. „Zuhause lernen ist blöd, da möchte ich lieber spielen“, meint Rosalie. Und Ida stört es, dass ja auch ihr kleiner Bruder aus der dritten Klasse zu Hause lernt. „Der ist immer schneller fertig, das nervt.“ Da kann auch Julius ein Lied von singen: „Meine kleinen Brüder nerven auch.“ Die Frühstücksbox ist leer, also Maske auf und raus geht’s in die Pause. Rumrennen und toben sind ausdrücklich erlaubt, Hauptsache, der Abstand stimmt.
Kinder sind alle diszipliniert
Aber das muss Anne Köhler, seit dem 1. Februar kommissarische Schulleiterin, nicht groß einfordern. „Die Kinder sind alle sehr diszipliniert, die machen das wirklich toll.“ Ohne erhobenen Zeigefinger, ohne mahnende Worte seien alle richtig gut in der Spur. Und ja, es mache schon Spaß zu sehen, wie sich alle freuten. Präsenzunterricht sei eben durch nichts zu ersetzen. „Es hat zwar im Großen und Ganzen sehr gut geklappt auf Distanz. Aber ein paar Ausnahmen gab es eben auch, da wurden schon mal montags die Arbeitsblätter nicht abgeholt.“ Ben, Ida und die anderen sind jedenfalls selig, wieder hier zu sein.