Velbert. Die Velberter Sänger proben pandemiebedingt an einem außergewöhnlichen Ort. So richtig glücklich sind sie damit aber auch nicht.
Wenn im Stadion die Gesänge ertönen, drehen sich viele Köpfe: weg vom Spielfeld und direkt auf die Kurve. Das Faszinierende am Stadionbesuch ist ja nicht nur das Geschehen auf dem Rasen, sondern auch das Drumherum samt emotionaler Stimmung. Es ist ein milder, spätsommerlicher Abend und bei der SSVg Velbert schallen ebenfalls Gesänge durch das Stadion. Aber niemand muss den Blick vom Rasen nehmen und ihn der Kurve zuwenden – es ist nämlich gar niemand im Stadion, abgesehen vom Velberter Männerchor, der an jenem Mittwochabend im niegelnagelneuen Stadion Velbert probt und sein Liedgut Richtung Rasen schmettert. Grund für den ungewöhnlichen Probeort ist die Corona-Pandemie.
„Den Nebensänger hört man nicht“
„Einer unserer Chorbrüder hat Kontakte nach Lüdenscheid“, erzählt Reinhard Schulz, seit 2015 Vorsitzender der Sänger. „Von ihm haben wir gehört, dass sie dort im Stadion singen; ich war begeistert.“ Von der Stadtverwaltung habe er schnell grünes Licht bekommen, von der SSVg ebenfalls, dann ging alles ganz schnell: Nach ein paar Tagen schon durfte der Chor das erste Mal im großen Rund proben, und nun dann zum zweiten Mal. Und obwohl Schulz anzumerken ist, wie ihm dieses ungewöhnliche Ambiente gefällt, klagt er doch: „Den Nebensänger hört man nicht.“
Zwei Meter Abstand sind nötig
Kein Wunder, bei einem pandemiebedingt obligatorischen Abstand von zwei Metern in alle Richtungen – bei fünfzig Leuten sind das viele Meter. Da wäre eine Probe in der gewohnten Umgebung der Velberter Gesamtschule schon angenehmer, aber in Corona-Zeiten ist Singen im Chor wohl noch weniger ein Wunschkonzert als sonst. So bleibt nur das Stadion und wie die Sänger so von der untergehenden Sonne beschienen werden, sollte dann doch allen klar sein, dass die Gesamtschul-Aula höchstens akustische Vorteile haben dürfte – ästhetische jedenfalls sicher nicht.
Aerosole in der Luft gemessen
„Die Stadt Velbert hat ein Gerät, das die Aerosole in der Luft misst“, erklärt Schulz, „und bei den Messungen ist herausgekommen, dass es keinen einzigen Raum in Velbert gibt, der geeignet ist für einen Chor von 65 Leuten“. Obwohl er seinen Sängern diese schlechten Nachrichten überbringen muss, wirkt Schulz nicht verbittert, wenn er spricht, im Gegenteil. Als es für das Foto zu posieren gilt, wirft er der Fotografin schelmisch entgegen: „Aber ich bin doch nicht geschminkt, bedenken Sie das.“
Seit 2015 Vorsitzender
Reinhard Schulz gehört dem Velberter Männerchor seit vielen Jahrzehnten an. Er hatte 2015 Joachim Pothen auf dem Posten des Vorsitzenden abgelöst.
Auf der Website velberter-maennerchor.de finden Interessierte nicht nur Informationen, sondern auch Kontaktmöglichkeiten, um sich mit den Sängern in Verbindung zu setzen.
Frust über abgesagte Reisen und Konzert
Und trotzdem: der Frust über die Situation ist ihm schon anzumerken. Doch wer will es ihm verdenken? Eine Konzertreise nach Sylt musste der Chor absagen, das jährliche Weihnachtskonzert kann ebenfalls nicht stattfinden. Ob er hoffe, dass sich die Situation bald verbessere? Schulz grinst ein wenig, wie er das oft tut, wenn er spricht. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt er. „Aber solange es keinen Impfstoff gibt, wird das wohl nichts für uns.“ Das gilt für die Velberter Sänger wie für die gesamte Weltbevölkerung. Da können auch Gesänge in einem leeren Fußballstadion nicht helfen. Hier lesen Sie weitere Berichte aus Velbert.