Velbert. Corona wird für Geschäfte mit der Not missbraucht, viele Menschen in Velbert geraten finanziell in die Klemme. Berater haben viel zu berichten.
„Da bricht richtig was zusammen“, resümiert Ralf Schwarzbach und berichtet, dass von den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie u. a. „massiv“ Menschen betroffen seien, die im Leistungsbezug nach SGB II (Hartz IV) seien. Viele Ratsuchende, so der Leiter der Schuldner- und Insolvenzberatung in Velbert weiter, hätten sich zuvor etwas hinzuverdient, so 200 oder 300 Euro im Monat. Kellnern, putzen, verschiedene Hilfstätigkeiten – aus und vorbei.
20 Prozent mehr Insolvenzanträge in Velbert
Nach Auskunft von Schwarzbach gelten derzeit in Velbert-Mitte fast 18 Prozent der Einwohner als verschuldet, stadtweit seien es 14 und auf Kreisebene zehn Prozent. Man verzeichne gegenüber dem Stand von Juli 2019 rund 20 Prozent mehr Anträge auf Privat- und Regel-Insolvenz; bei letzterer gehe es um Kleingewerbetreibende und Freiberufler.
Rasch an der Existenzfrage
Grundsätzlich registriert die Einrichtung der Diakonie Niederberg mit ihren insgesamt drei Kräften seit Wochen – „Wir hatten ja die ganze Zeit offen.“ – eine erhöhte Nachfrage nach Beratung. Es gebe bei den Klienten große Unsicherheiten, z. B. wie die Banken jeweils reagierten, erzählt der Leiter. Gefragt seien auch Bescheinigungen zwecks Anhebung der Pfändungsgrenzen auf dem Girokonto. „Viele leben ohnehin am Limit und können keine Rücklagen bilden, da wird’s dann rasch existenziell.“
Risiko des Reinfalls
Hier gibt es Rat und Hilfe
Die Schuldner- und Insolvenzberatung der Diakonie Niederberg ist in Velbert-Mitte an der Oststraße 38. Das Team ist erreichbar unter 02051 2595-232 (Faxanschluss 02051 2595-249). Die Sprechzeiten sind montags, mittwochs und freitags jeweils in der Zeit von 9 bis 12 Uhr und nach Vereinbarung.
Die Beratungsstelle Velbert der Verbraucherzentrale NRW, Friedrichstraße 107, ist telefonisch (02051 809018-1) und per E-Mail (velbert@verbraucherzentrale.nrw) während ihrer Öffnungszeiten erreichbar: mo und do 9.30 - 13.30 und 14.30 - 18, di und fr 9.30 - 13.30 Uhr. Ein Beratungstermin muss vorher individuell vereinbart werden. Der Fax-Anschluss ist 02051 809018-7.
„Manche von Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust Bedrohte kommen ins Schlingern“, berichtet Andreas Adelberger, „mit Miete, Energiekosten, mit Finanzdienstleistungen“. Dadurch werde verstärkt nach Kredit- und anderen Möglichkeiten gesucht, etwa im Internet, um flüssig zu bleiben, erklärt der Leiter der Beratungsstelle Velbert der Verbraucherzentrale (VZ) NRW. Mit entsprechendem Risiko des Reinfalls auf Kreditvermittler. Oft gehe es nicht nur unseriös, sondern geradezu kriminell zur Sache. „Aber wenn man klamm ist und in Not...“
Teurer Kreditkarten-Schrott
So müsse jemand, der auf das Angebot einer Mastercard ohne Schufa hereingefallen sei, allein für die Post-Zustellung fast 100 Euro berappen. Zudem bekomme er überhaupt keine „echte“ Kreditkarte, sondern eine Prepaid-Karte, die man selbst erst einmal mit Geld „aufladen“ müsse. Und unwissentlich habe er noch weitere Verträge abgeschlossen, etwa die „Verwaltung Ihrer Bonität“. Adelberger: „Das ist Schrott. Wenn man nicht zahlt, steht bald ein Inkasso-Unternehmen auf der Matte.“ Gegenmaßen seien, den Forderungen zu widersprechen und ggf. Anzeige zu erstatten.
Schnellere Chance auf einen Neustart
Schwarzbach hat die Erfahrung gemacht, dass „gerade öffentliche Gläubiger bei einer außergerichtlichen Schuldenregelung nicht entgegenkommen“. Ab Oktober ändere sich das Insolvenzverfahren dahingehend zum Vorteil der Schuldner, dass es bereits nach drei statt bislang sechs Jahren mit der Restschuld-Befreiung die Chance auf einen finanziellen Neustart gebe: „Da werden wir nochmal einen Ansturm erleben.“
Widerrufsrecht kaum bekannt
„Wir sind gut beschäftigt mit Rechtsvertretungen“, schildert Adelberger den Alltag in der Beratungsstelle. Infolge Corona hätten generell bei Rückgang des stationären Handels Online- und Verträge am Telefon zugenommen. Die Besonderheiten des Widerrufsrechts seien jedoch (so gut wie) nicht bekannt. Der Fristbeginn erfolge bei Vertragsabschluss über eine Dienstleistung bereits mit dem Telefongespräch; bei Ware frühestens mit deren Erhalt.
Nicht kirre machen lassen
Da die Konsumenten zwangsläufig mehr daheim waren, habe überdies der Ärger mit unseriösen Streaming-Portalen zugenommen. Mit Schreiben falscher Inkasso-Büros werde versucht Druck zu machen. Häufig fragten auch Eltern um Rat, deren Kinder ohne ihr Wissen einen Vertrag abgeschlossen hätten. Andreas Adelberger empfiehlt ganz grundsätzlich: „Nur nicht kirre machen lassen!“