Neviges. Nach vier Wochen öffneten am Montag wieder viele Geschäfte. Die Kunden freuten sich über Mode, Schuhe – und staunten manchmal über das Sortiment.
Montag, 10 Uhr, in der Fußgängerzone. Der ein oder andere schlendert durch die Sonne, die Menschen kennen sich hier, nicken sich freundlich zu. Vor dem Schuhhaus Maier tanzen draußen weiße Luftballons im Wind, drinnen im Geschäft steht ein strahlender Inhaber. „Toll, ich fühle mich wie bei einer Neueröffnung. Endlich geht es wieder los, bin ganz kribbelig.“ Vier Wochen ist es her, dass er sein Schuhgeschäft am 18. März aufgrund der Corona-Krise schließen musste. Mit ein wenig Online-Handel habe man die Zeit zwar einigermaßen überbrücken können. „Aber das haute natürlich unheimlich rein.“ Und jetzt? Bimmelt erstmal ohne Unterbrechung das Telefon: „Die Lieferanten rufen alle an und fragen, wie groß unser Geschäft ist.“
Keine Hilfe beim Schuhanziehen
Mit 300 Quadratmetern liegt sein Geschäft weit unter der vom Land NRW erlaubten Grenze von 800 Quadratmetern. Und ist groß genug, um die Stühle zum Anprobieren weit genug voneinander weg zu stellen. „Die Kunden müssen sich nur die Schuhe selbst zubinden, das ist schon alles sehr komisch“, sagt Maier, der noch weitere Geschäfte in Mettmann, Essen, Wülfrath und Wuppertal betreibt. Klar, das Abstandhalten sei ja nach wie vor das Gebot der Stunde. Seine gute Laune passt zu den Farben der Saison: „Gelb, Gelb, Gelb, in allen Variationen. Manchmal auch in Kombination mit Orange.“
Derweil probiert Cornelia Lehn ein paar bequeme Freizeitschuhe an. „Ich fühle mich hier wohl und völlig sicher. Man hat ja ordentlich Platz.“ Auch, wenn man Schuhe nun nicht gerade jeden Tag kauft: „Mir hat das schon gefehlt, nicht mal eben schnell in die Läden gehen zu können.“ Ob sie zwischendurch mal daran gedacht habe im Internet zu kaufen? „Nein, ich hatte ja genug zuhause. Und jetzt zu gucken und zu probieren, das macht doch Spaß.“ Überhaupt kaufe sie gern hier im Geschäft in Neviges. „Kein Gedränge, die Auswahl ist gut. Da muss ich nicht in andere Städte fahren.“
Die Bluse mit Gummihandschuhen anziehen
Schräg gegenüber bei „Kati’s Fashion“ hängen vor dem Geschäft bunte Blusen in der Sonne. Die Farben machen Lust aufs Kaufen – aber Ilona Kaiser zögert noch. „Ich bin noch nicht so richtig in Shoppinglaune, ich gucke erstmal. Für die Wirtschaft ist es ja wichtig, dass die Läden wieder öffnen“, meint sie und fährt fort: „Man sollte aber vorsichtig sein, wir haben noch nicht alles geschafft. Im Moment gehe ich nur Lebensmittel kaufen“, sagt die Nevigeserin, die ansonsten noch Geschäfte meidet. „Wir müssen nach wie vor aufpassen.“
Distanz zum Kunden halten
Deshalb bietet „Kati’s Fashion“ direkt rechts neben dem Eingang auch etwas an, was normalerweise nicht zum Standardrepertoire gehört. Einmal-Gummihandschuhe, bunte Mundschutz-Masken und Desinfektionsmittel. „Wer will, kann sich einen Mundschutz für fünf Euro kaufen. Das muss man aber nicht, wir bieten das nur an. Es gibt auch welche zum Ausleihen, die sammeln wir dann nach dem Einkaufen wieder ein und waschen sie. Falls jemand nur zum Kaufen hier im Laden einen Mundschutz haben möchte“, erzählt Inhaberin Katrin Maier, nicht verwandt oder verschwägert mit dem Schuhgeschäft-Inhaber. Zusammen mit ihrer langjährigen Mitarbeiterin Simone Brix freut sie sich vor allem darauf „alle hier wieder zu sehen“. Woran sich die beiden noch ein bisschen gewöhnen müssen, ist die geforderte Distanz: „Man zippelt ja mal an der neuen Bluse herum, wenn die Kundin aus der Kabine kommt. Zieht mal den Ärmel hoch oder so. Das geht alles nicht mehr. Da müssen wir eben drauf achten, dass uns das nicht mal im Eifer des Gefechts durchgeht.“
Schlange vor der Schneiderwerkstatt
„Bitte draußen warten. Es dürfen nur Zwei“, so lautet der Satz, den Schneidermeister Ammar Morad in seiner frisch renovierten Werkstatt immer wieder sagt. Klar, er kürzt auch Hosen, repariert Reißverschlüsse – das ganze Programm. Aber im Moment arbeitet er vor allem mit rechteckigen Baumwoll-Stoffteilen: Seine Mundschutze, die es auch in der Boutique zu kaufen gibt, gehen weg wie geschnitten Brot. Die meisten haben ihren vorbestellt, kramen ihren Abholzettel hervor und machen dann hochzufrieden Platz für den nächsten. Eine ältere Dame kauft gleich vier. „Ich hab nur noch rot oder pink“, sagt Ammar, wie er am liebsten von den Nevigesern genannt werden möchte.
Endlich kehrt wieder Leben in Neviges ein
Die Weinhandlung nebenan bekommt neue Ware, zur Anlieferung darf der Bulli langsam durch die Fußgängerzone rollen. „Schön, dass ihr alle wieder hier seid“, ruft Bettina Stellwag fröhlich aus dem offenen Fenster. Gemeinsam mit dem Partyservice Knapp hatte sie vier Wochen lang die Stellung auf der Elberfelder Straße gehalten. Endlich ist wieder ein bisschen Leben in Neviges.
Bisher keine Mundschutz-Pflicht
Während in den Bundesländern Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern das Tragen von Mundschutz beim Einkaufen sowie in Bussen und Bahnen Pflicht ist, gilt in NRW bisher nur eine „dringende Empfehlung“.
Zu den Auflagen für Händler gehört unter anderem, dass der Abstand von mindestens 1,50 Metern gewährleistet sein muss.