Langenberg. Drei Gymnasiastinnen aus Velbert-Langenberg bereiten sich auf ihre Abi-Prüfungen vor – und berichten, wie Lernen in Zeiten von Corona klappt.
Der österreichische Nationaldichter Franz Grillparzer hat mal gesagt: „Monde und Jahre vergehen, aber ein schöner Moment leuchtet das Leben hindurch.“ Das Abitur und vor allem all die Dinge, die rundherum stattfinden, sind für viele Menschen leuchtenden Momente: Motto-Woche, letzter Schultag, Lernen in den Osterferien, die Prüfungen und das gemeinsame Feiern danach, Zeugnisausgabe und schließlich der Abiball.
Diese Eindrücke bleiben für immer und es gibt sogar Menschen, die noch Jahrzehnte später nach dem leichten Leuchten dieser Augenblicke suchen. Dass die diesjährigen Abiturienten ähnlich leuchtende Erinnerungen an ihre Abitur-Zeit haben werden wie vorherige Generationen, bleibt allerdings zu bezweifeln. Denn die Corona-Krise wirft alles durcheinander, auch die Vorbereitung.
Viel Stoff – aber auch genug Zeit zum Lernen
„Ich benutze zum Lernen zu Hause Abi-Vorbereitungshefte, die ich mir gekauft habe“, sagt Fiona Kaiser. Die 18-Jährige besucht das Gymnasium Langenberg und hat Biologie und Deutsch als Leistungskurse gewählt. „Bio ist schon ziemlich viel“, sagt sie, „trotzdem funktioniert das Ganze bisher ganz gut, auch wenn die allgemeine Situation schlecht ist“. Aber ihr sei, verrät sie mit einem Grinsen, die freie Zeit durch die Schul-Schließungen zugutegekommen. „Ich habe nämlich eigentlich zu spät angefangen zu lernen und habe jetzt doch noch viel Zeit.“
Unterricht per Video-Anruf
Laura Bramkamp hat dieselben Leistungskurse wie Fiona Kaiser. Sie lernt mithilfe von verschiedenen Lernzetteln, die sie sich selbst geschrieben hat. Die 17-Jährige lernt meistens vormittags und nachmittags, mittags kümmert sie sich um andere Dinge.
Um den Schülern zu helfen, hat der Deutschlehrer der beiden jungen Frauen ihnen Unterricht per Video-Anruf gegeben. „Das war ungewohnt, aber ok“, sagt Fiona Kaiser. „Wir haben dann noch Unterrichtsmaterialien geschickt bekommen und Zusammenfassungen von ausstehenden Referaten.“
Schülerinnen möchten Abi-Prüfungen ablegen
In diesen Zeiten sei auch die Kommunikation mit den Lehrern unkompliziert: „Sie haben einfach gesagt, wenn wir irgendwelche Fragen hätten, sollten wir uns melden.“ Von den Gerüchten, dass Abitur würde gar nicht erst geschrieben werden, halten die beiden Schülerinnen nicht viel. Bramkamp: „Ich möchte lieber schreiben. Ich habe Angst, dass man mit Corona-Abi abgestempelt wird, ohne irgendwas endgültig geleistet zu haben; dass andere bevorzugt werden.“
Mahnur Arshad besucht das Nikolaus-Ehlen-Gymnasium. Die 19-Jährige sagt: „Ich versuche jeden Tag ein bisschen von irgendeinem Fach zu lernen oder auch mal von zweien oder von allen auf einmal.“ Für die bessere Vorbereitung hätten die Lehrer den Schülern individuell mitgeteilt, wo ihre Stärken und Schwächen lägen. „Aber sie haben uns auch, gerade am Anfang, ein paar E-Mails geschickt, dass sie sich jetzt selbst nicht so sicher seien, wie es weitergeht.“
Besuche bei Verwandten fallen erst einmal aus
Arshad selbst wirkt am Telefon nicht besonders verunsichert, sie weiß aber, dass die ungewisse Situation rund um den Schulabschluss an den Nerven vieler Schüler nagt. „Die meisten meiner Freunde sind viel unmotivierter, weil niemand weiß, was in den nächsten Wochen noch passieren wird.“ Dazu zählen nicht nur die Prüfungen selbst, sondern auch all das, was für die Zeit danach geplant war. „Ich wollte eigentlich meine Verwandten in New York und in Pakistan besuchen. Dass das aber wahrscheinlich nicht möglich sein wird, finde ich schade.“
Laura Bramkamp und Fiona Kaiser indes hatten geplant, nach dem Abitur Praktika zu machen: Bramkamp bei einem Architekten, Kaiser in Amsterdam mithilfe ihrer Tante, die selbstständig mit verschiedenen Museen zusammenarbeitet. „Ich hoffe jetzt einfach, dass ich das später machen kann“, sagt Kaiser.
Zeit, Bücher zu lesen
Im Moment nutzt sie die freie Zeit aber nicht nur zum Lernen. „Ich habe jetzt schon vier Bücher gelesen“, sagt sie lachend. Dann überlegt sie einen Moment, wie sie das oft im Gespräch tut, und sagt, plötzlich ganz ernst: „Für viele Menschen ist die jetzige Situation ziemlich blöd und darauf sollte man Rücksicht nehmen. Aber man kann für sich selbst auch etwas Positives herausholen.“
Neben dem Chaos rund um die Prüfungen müssen die diesjährigen Abiturienten noch andere Einschränkungen in Kauf nehmen. „Dass die Motto-Woche ausgefallen ist, finde ich schon sehr schade, weil das der richtige Abschied von Klassenkameraden und Schule gewesen wäre“, sagt Kaiser.
Keine glaubt daran, dass der Abiball stattfinden wird
Zwei Bundesländer haben schon geprüft
In Hessen und Rheinland-Pfalz haben die Abiturienten die Prüfungen schon hinter sich. Im Gegensatz zu NRW, wo die Prüfungen (sie beginnen am 12. Mai) immer im Frühling stattfinden, stehen sie dort im Winter an.
In den beiden Bundesländern gab es verschärfte Hygiene-Vorschriften: Desinfektionen sowie kleine Gruppen, bei denen ausreichender Abstand zwischen den Schülern gewährleistet werden konnte.
Arshad wird noch deutlicher: „Alle haben einfach zwölf oder dreizehn Jahre auf diese eine Woche gewartet, weil uns auch immer alle Lehrer gesagt haben, wie cool die sei und dass man sich darauf am meisten freuen könne. Dass wir das jetzt nicht haben, macht jeden traurig.“
Dass die Abi-Bälle im Juli vielleicht stattfinden könnten, daran glaubt keine der dreien mehr so recht. Es sind diese leuchtenden Momente, die den diesjährigen Abiturienten wohl fehlen werden.