Neviges. Roland Boldt hat täglich Spaß an seiner prächtigen Araucaria, auch Andentanne genannt. Die Größe erstaunt Experten – und der Baum wächst weiter.
Eigentlich fuhr Hobbygärtner Roland Boldt aus Tönisheide vor 45 Jahren in den Gartenmarkt nach Venlo, um ein paar Frühlingspflanzen für seinen Garten in der Kantstraße in Tönisheide zu holen. Doch statt der Blümchen kaufte er damals spontan einen jungen Baum, dessen Anblick den heute 81-Jährigen jeden Tag erfreut – und auch immer wieder erstaunt. Denn seine Araucaria, auch Andentanne, Affenrätsel oder Schlangenbaum genannt, ist ein kleines Wunder. Laut Beipack-Zettel vom Frühjahr 1975, den Roland Boldt als Erinnerung an den denkwürdigen Tag aufgehoben hat, sollte der exotische Baum in hiesigen Klimaregionen etwa drei Meter groß werden. Der Tanne aus Südamerika scheint das Klima in Tönisheide bestens zu bekommen: das Prachtexemplar misst etwa 15 Meter, und ein Ende ist nicht abzusehen.
Liebe auf den ersten Blick
„Als ich den Baum damals sah, war das Liebe auf den ersten Blick. Ich hatte vorher nie etwas von der Art gehört, aber die Tanne gefiel mir, ich hab sie dann mitgenommen.“ Gedacht als netter Blickfang, wurde die Araucaria an den Rand der Terrasse gesetzt. Allerdings hatte Familie Boldt nach fünf Jahren kaum noch Platz auf der eigenen Terrasse, auch war der reizvolle Blick ins Weite versperrt durch Grün, Grün, Grün. Schon nach etwa zwei Jahren, so erinnert sich der Hobbygärtner, hatte der Schlangenbaum eine Größe von etwa zwei Metern und einen mächtigen Umfang erreicht. „Ich hab ihn dann nach unten umgesetzt, auch ein Sonnenplätzchen.“ Jetzt legte die Araucaria erst richtig los. „Das war schon eine Katastrophe, der Baum wurde immer größer, dabei mache ich gar nichts. Also ich dünge nicht oder so“, sagt Roland Boldt hilflos.
Auch der Nachbar mag die Supertanne
Bäume werden bis zu 2000 Jahre alt
Araucaria araucana, so die vollständige Bezeichnung, ist beheimatet in Chile und Argentinien. Die Tanne wächst auf Hügellandschaften und vulkanischen Hängen bis über 1500 m Höhe.
Der erste Baum wurde 1705 nach Europa eingeführt. Bekannt gemacht wurde die Chilenische Araucaria in Europa durch den Biologen und Mediziner Archibald Menzies. Die Bäume erreichen ein hohes Alter, so dass es 1300 bis 2000 Jahre alte Exemplare gibt. Zweige, Äste und Stämme von jungen Bäumen sind dachziegelartig mit den sehr harten und ledrigen schuppenförmigen, glänzend dunkelgrünen Blättern besetzt.
Auch vor Nachbars Garten macht die Supertanne nicht Halt, schert sich nicht um Grenzen und Zäune, breitet ihre Zweige in alle Richtungen aus. „Zum Glück haben wir hier untereinander ein sehr gutes Verhältnis, ich habe mich mit dem Nachbarn geeinigt. Er hat nichts dagegen, weil ihm der Baum auch kein Licht wegnimmt“, erzählt der frühere Modellbauer erleichtert, dem das Wohl seines Baumes sehr am Herzen liegt. So hat der Hobbygärtner die bemerkenswerte Entwicklung in einer kleinen Geschichte aus der Sicht der Tanne festgehalten, darin kommt auch der schwärzesten Tag im Tönisheider Garten vor.
Vor Jahren kamen Vertreter des Obst- und Gartenbauvereins in die Kantstraße zur Familie Boldt, um wie gewohnt die schönsten Gärten zu küren: „Da haben wir meinetwegen schlecht abgeschnitten. Mein Besitzer wollte voller Stolz meine Herkunft und Geschichte erzählen, wurde aber mit den Worten ausgebremst: So ein Baum gehört nicht in deutsche Gärten. Wäre ich eine Eiche gewesen, hätte es Pluspunkte gehagelt“, so heißt es in der kleinen Tannen-Geschichte. Eine Aussage, die der Vereinsvorsitzende Gerd Teichmüller überhaupt nicht nachvollziehen kann. „Da hat wohl jemand einen schlechten Tag gehabt, das ist natürlich völliger Quatsch. Jeder schöne Baum ist sehenswert.“ Es komme immer auf den Gesamteindruck an, das Exemplar in Tönisheide sei schon etwas Besonderes.
Mächtige Äste wie Gummi
Übrigens: Selbst die schlimmen Stürme der letzten Monate gingen an dem Prachtstück völlig spurlos vorbei: „Die Äste sind biegsam wie Gummi, da passiert nichts“, freut sich Gartenfreund Boldt, der allerdings letztes Jahr einen Riesenschreck bekam: Da hatte seine Tanne plötzlich besonders viele Zapfen getragen, normalerweise kein gutes Zeichen. „Der Volksmund sagt dann, das Ende naht.“ Roland Boldt ließ daraufhin besorgt das gute Stück von einem Experten untersuchen, der Entwarnung gab: „Mein Baum ist kerngesund, im Moment treiben schon wieder jede Menge neue Spitzen aus.“ Der Superbaum aus Südamerika, er wächst und wächst und wächst.