Velbert/Essen. In der Kläranlage Essen-Kupferdreh landet auch Abwasser aus Velbert. Das wird durch Medikamente unnötig belastet. Dabei ist die Lösung so einfach.
Die einzelnen Komponenten der Kläranlage haben ganze Arbeit geleistet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, wenn man bedenkt, welche Brühe in Essen-Kupferdreh – auch aus der Stadt Velbert – im Einlaufpumpwerk ankommt, und sich dann anschaut, wie es letzten Endes aus dem Nachklärbecken wieder sauber und glasklar heraussprudelt. Was der Anlage allerdings durch die Lappen geht, sind Arzneimittelrückstände. Ein handfestes Problem. Dabei wäre alles so einfach: „Was erst gar nicht reinkommt, muss später nicht rausgeholt werden“, sagt Marco Hellersberg.
Für Velbert sind drei Anlagen zuständig
Der Abwassermeister ist stv. Betriebsschwerpunktmeister der Kupferdreher Kläranlage vom Ruhrverband (Essen), an die rund 96.000 Einwohner angeschlossen sind. Die maximale Zulaufmenge beträgt immerhin 1080 Liter in der Sekunde, und zwar Mischwasser – also sowohl Regen- als auch Abwasser. Zum Einzugsgebiet gehören der Essener Süden, die Bereiche Langenberg, Neviges und Eselssiepen sowie Dönberg und noch ein Teil von Hattingen. Die Kläranlage des Verbandes im Hespertal reinigt das Abwasser aus dem nördlichen Stadtgebiet Velberts und die in der Abtsküche aus Mitte.
Drei Stufen sind Standard und Vorschrift
Drei Stufen sind Standard und als solcher seit 2005 auch EU-weit vorgeschrieben. Der Ruhrverband – er betreibt aktuell neben acht Talsperren insgesamt 72 Kläranlagen – hat dafür nach eigenen Angaben 1,4 Milliarden Euro investiert. Erst kommt die mechanische Stufe mit Rechen, Sandfang etc., dann die biologische, wo Bakterien gelöste Stoffe aus dem Abwasser „rausfressen“ (Hellersberg), und als dritte die Chemische, bei der Phosphat herausgeholt wird.
In den Hausmüll oder zur Apotheke
Mikroplastik vermeiden
Mikroplastik – das sind Kunststoffteilchen winziger als fünf Millimeter – schaden ebenfalls den Gewässern und unserer Umwelt. Auch hier ist das Vermeiden allemal der beste Weg.
Und zwar so: Kunststoff- und Plastik(reste) nicht in die Landschaft werfen oder über die Toilette entsorgen, sondern über den Hausmüll bzw. die gelbe Tonne. Bei Kosmetikprodukten schauen, dass sie keine Kunststoffe enthalten. Die Zusammensetzung steht aber oft im Kleingedruckten und besteht vielfach aus Abkürzungen.
Medikamente wirken nicht nur im Körper, sie sammeln sich auch in Gewässern an und belasten erwiesenermaßen die Natur. „Ohne eine vierte Stufe geht fast alles Eins zu Eins durch“, erklärt Britta Balt beim Rundgang durch die Anlage, bei dem man sich übrigens keineswegs die Nase zuhalten muss. „Der beste Abbau ist Vermeidung“, so die Öffentlichkeitsarbeiterin des Verbandes: „Keine flüssigen Arzneimittel ins Klo oder in den Abfluss, sondern in den Hausmüll, der verbrannt wird, oder in der Apotheke abgeben.“ Selbiges gelte für Salbenreste und Pillen. Und wenn man sich zum Beispiel ein lädiertes Knie mit einem Schmerzmittel eingerieben habe, sollte man nicht sofort seine Hände waschen, sondern die Creme- bzw- Salbenrückstände erst einmal mit einem (Küchen-)Papiertuch entfernen. Und ab damit in den Müll.
Bewusster Umgang hilft
„Ein bewusster Umgang mit Medikamenten“, argumentiert Balt, komme ja schließlich auch dem Menschen bzw. Patienten selbst zugute. A und O und das größte Problem sei jedoch, bekräftigt Hellersberg, dass Medikamente einfach ins Abwasser geworfen würden. Die Trinkwasserwerke führten allerdings eine weitergehende Aufbereitung durch, so dass das bedenkenlos sei.
Die Debatte läuft
Die Debatte über eine vierte Stufe werde in der Politik geführt, heißt es beim Ruhrverband. „Wenn es Gesetz wird, setzen wir es selbstverständlich um.“ Das werde jedoch mehr kosten, zudem sei der energetische Aufwand „signifikant höher“. Der Verband hat in dieser Hinsicht bereits eingehende Erfahrungen bei einem Forschungsvorhaben auf seiner Kläranlage Schwerte gesammelt.
Null-Konzentration ist nicht machbar
Diese Untersuchungen waren in ein Forschungsprojekt des NRW-Umweltministeriums eingebunden und liefen in verschiedenen Phasen zwischen 2010 und 2013. Auf der großtechnischen Versuchskläranlage kamen sowohl Ozon als auch Aktivkohle sowie eine Kombination beider Mittel bzw. Verfahren zum Einsatz. Dabei kam heraus, dass die so genannten Eliminationsleistungen jeweils stark stoffspezifisch und dosierabhängig waren. So ließ sich Diclofenac relativ gut rausholen – zu etwa 60 Prozent mittels Basis- und bis zu 90 Prozent bei Hochdosierung. Hingegen war das Röntgenkontrastmittel Amidotrizoesäure mit 20 bis 30 Prozent bei Basis- und auch Hochdosierung praktisch nicht zu entfernen. Britta Balt zusammenfassend: „Eine Null-Konzentration ist nicht zu erzielen.“ Die Zusatzkosten hätten zwischen 10 und 19 Cent je Kubikmeter Abwasser betragen; beim Einsatz von Pulveraktivkohle sei der Energiebedarf der Kläranlage um etwa 30 Prozent gestiegen.