Velbert. Am Holocaustgedenktag stand in der Apostelkirche das Schicksal der Frauen aus dem KZ Ravensbrück im Mittelpunkt. Es war ein eindrucksvoller Abend

Zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz gedachte die evangelische Gemeinde Dalbecksbaum der Opfer des Nazi-Terrors. Seit 22 Jahren ist diese Gedenkfeier Tradition in der Apostelkirche.

Auch diesmal hatten Mitglieder der Gemeinde ein beeindruckendes Programm für die Gedenkfeier zusammengestellt. Sie stand unter dem Motto „Der Wind weht weinend über die Ebene“. Es wurden Gedichte von Insassinnen des KZ Ravensbrück verlesen und Zeichnungen der Inhaftierten gezeigt. Sie dokumentieren all das Grauen, das die Frauen dort erleben mussten.

140.000 Gefangene registriert

Das Konzentrationslager Ravensbrück lag idyllisch am Ufer des Schwedtsees, umgeben von Wäldern. Es war das größte Konzentrationslager nur für Frauen und von der SS 1938/39 mit dem Einsatz von Häftlingen gebaut worden. In den Jahren bis 1945 sind dort etwa 140.000 Gefangene registriert worden. Zehntausende von ihnen wurden ermordet, starben an Hunger, Krankheiten oder durch medizinische Experimente. Ab 1941 diente Ravensbrück als Hinrichtungsstätte: Zahllose Frauen - die genauen Zahlen sind unbekannt - wurden mit Schusswaffen exekutiert.

Gedenkstätte Ravensbrück

Die „Nationale Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück“ wurde am 12. September 1959 als eine der drei nationalen KZ-Gedenkstätten der DDR eröffnet. Bis auf das Gedenkareal am Ufer des Schwedtsees wurde das ehemalige KZ-Gelände von Mai 1945 bis Ende Januar 1994 von der Sowjetarmee bzw. den GUS- Streitkräften genutzt. 1959 entstand im Zellenbau das erste Lagermuseum.

Nach der deutschen Einheit wurde die Gedenkstätte 1993 Teil der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, einer gemeinsam vom Land Brandenburg und der Bundesrepublik Deutschland finanzierten unabhängigen Stiftung öffentlichen Rechts. Seit April 2013 ist hier auf 900 m² die Ausstellung „Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück – Geschichte und Erinnerung“ zu sehen.

Provisorische Gaskammer eingerichtet

Anfang 1945 richtete die SS im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück in einer Baracke neben dem Krematorium eine provisorische Gaskammer ein. Im Industriehof mussten die Häftlinge in bis zu zwölfstündigem Schichtbetrieb in der Schneiderei zunächst KZ-Häftlingskleidung herstellen, später wurden hauptsächlich Ausrüstungs- und Bedarfsgegenstände militärischer und ziviler Art gefertigt. Die Firma Siemens hatte zudem in der Nähe des KZ eigene Werkshalle, in denen Lagerinsassinnen Präzisionsteile für die Rüstungsindustrie fertigen mussten.https://www.waz.de/staedte/velbert/article227940649.ece

Melanie Zimmermann gab einen Einblick in die Geschichte des Konzentrationslagers Ravensbrück..
Melanie Zimmermann gab einen Einblick in die Geschichte des Konzentrationslagers Ravensbrück.. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Das Grauen von Ravensbrück

Die Gedichte der Gefangenen – unter ihnen viele Frauen, die sich dem Nazi-Regime entgegengestellt hatten – schildern in eindrücklicher Form das Grauen, das die Frauen dort durchleben mussten. Im Gedicht „Appell“ von Alexandra Sukowa bekamen die Zuhörer in der Apostelkirche einen Eindruck davon, was es bedeutet, bei eisiger Kälte stundenlang auf dem Appellhof stehen zu müssen. Neben willkürlichen Strafen und Gewalt war das Appellstehen ein maßgebliches Folterinstrument der Nazischergen.

Oder „Nachtschicht“ von Halina Gokzowa. Sie berichtet in ihrem Gedicht von Nachtschicht in der Schneiderei, von der totalen Erschöpfung, Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit in dem Lager.

Mit Violoncello und Flügel

Besonderen Eindruck machte auch das lange Gedicht einer ehemaligen Velberter Schülerin, die in der Apostelkirche ihre Eindrücke von einer Reise nach Auschwitz schilderte und wie die ihre Leben verändert hat. Die junge Frau trug ihr Gedicht selbst vor.

Auch interessant

Die Gedenkstunde wurde musikalisch gestaltet von Birgitt und Klaus Säger (Violoncello und Flügel). Sie hatten passende Musik ausgewählt – unter anderem ein Werk von Ernest Bloch – , die die traurige Stimmung aus den Gedichten eindrucksvoll unterstrich.

Der Kirchsaal in der Apostelkirche war gut gefüllt.
Der Kirchsaal in der Apostelkirche war gut gefüllt. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Wiedererstarken des Antisemitismus

Dass Antisemitismus, Rassismus und die Verfolgung Andersdenkender kein geschlossenes historisches Kapitel sind, unterstrich Bürgermeister Dirk Lukrafka in seinem Grußwort am Ende der Veranstaltung. Es sei ein Wiedererstarken des Antisemitismus auch in Deutschland zu beobachten. Er appellierte an die Versammelten, unter ihnen auch einige junge Velberter, sich konsequent gegen Rassismus und Antisemitismus zu stellen. „Wir sollten dem rechten Hass keinen Raum geben“, sagte der Bürgermeister.