Langenberg. Der dritte Teil der Reihe „Kultur mit allen Sinnen“ der Velberter Kulturloewen lockte mit zahlreichen Veranstaltungen nach Langenberg.

Insgesamt zehn Stunden war „Sehen“ das Sinnenthema Nummer Eins am Sonntag. Rund 600 Besucher erhielten an vier Standorten sowie Geschäften und Gastronomie in der Altstadt ganz besondere Sinneseindrücke.

Das Team der Velberter Kulturloewen lud ganztägig zur Besichtigung ins Historische Bürgerhaus ein, vorangestellt eine Führung um und durchs Haus. Nachmittags konnten sich Teilnehmer und Teilnehmerinnen in einem Workshop zeigen lassen, wie mit Sand die Bilder entstehen, die abends von Aljona Voynova vor mehr als hundert Gästen im Kleinen Saal des Bürgerhauses auf die Wand projiziert wurden.

Workshop bringt unerwartete Talente ans Licht

Gemalt in Sand: Die Künstlerin Aljona Voynova hatte sich mit dem Ort ihres Auftritts bekannt gemacht, zeichnete zum Beispiel den Nevigeser Mariendom.
Gemalt in Sand: Die Künstlerin Aljona Voynova hatte sich mit dem Ort ihres Auftritts bekannt gemacht, zeichnete zum Beispiel den Nevigeser Mariendom. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Eine von 22 Teilnehmern der Führung war Gerda Böttcher: „Ich wohne schon so lange in Langenberg, aber so kannte ich das Bürgerhaus noch nicht.“ Auch Waltraud Beckmann erfuhr in der Führung Wissenswertes. Sehr begeistert war sie von dem kostenlosen Workshop, der bei allen Teilnehmern unerwartete Talente ans Tageslicht brachte: „Die engagierten Erklärungen und praktizierten Beispiele der Kursleiterin führten zu sehr akzeptablen Ergebnissen, die wir dank Handy verewigten konnten, bevor sie für das nächste Motiv verwischt wurden.“

Der Workshop fand insgesamt acht Interessierte, darunter auch Nora Herrguth-Mertens: „Wirklich beeindruckend ist dieser Workshop gewesen. Mit solchen Materialien hatte ich vorher noch nie künstlerisch gearbeitet.“ Es sei anfangs gar nicht so einfach gewesen, die verschiedenen Techniken, die Aljona Voynova mit viel Begeisterung für die Sache vorstellte, nur ansatzweise so sauber und ausdrucksstark wie die Workshopleiterin selbst umzusetzen.

Sandanimation kommt auch als Therapieform zum Einsatz

Macher ziehen positives Fazit der Kulturreihe

Dr. Linda Frenzel, die Spitze des Teams „Velberter Kulturloewen“, war sehr zufrieden mit der Veranstaltungsreihe. Über den Tag verteilt seien gut 500 Menschen da gewesen, davon bestimmt die Hälfte auch im Historischen Bürgerhaus. Ihr Fazit: „Das Kultursommer-Format ist gut angekommen. Es hat gut funktioniert, das Format über die Stadtteile zu verteilen. Nächstes Jahr gibt es auf jeden Fall wieder einen Kultursommer.“ Symbolhaft startete so die Abendveranstaltung: der Nevigeser Dom im Velberter Buch mit dem verbindenden Wappen der Stadt Velbert auf der Wand im Bürgerhaus, in und mit Sand gemalt.

„Ein Bild, das der Eule, ist mir aber, denke ich, ganz gut gelungen.“ – allen Teilnehmern im Übrigen. „Es hatte etwas Sinnliches, den Sand durch die Finger auf die beleuchtete Fläche rieseln zu lassen und für einige Zeit war ich tatsächlich in einem sehr entspannten Zustand gekommen und hatte alles um mich herum vergessen. Vielen Dank an alle Personen die diesen Workshop möglich gemacht haben.“

„Sandanimation wird therapeutisch bei autistischen Kindern angewandt, da er zur Beruhigung beiträgt und die kognitiven Fähigkeiten durch die Verbindung beider Gehirnhälften extrem stärkt“, wusste Ulli Dell’Antonio, Voynovas Manager, zu berichten. Er selbst versuchte sich ebenfalls und erstmalig an dem Sand.

Die Künstlerin sammelt den Sand selbst aus dem Fluss

Das bestätigte auch Claudia Papke: „Es hat mir unheimlich Spaß gemacht, da ich auch sehr gerne male. Man taucht so ab.“ Nicht nur, dass die Workshopteilnehmer den Sand haptisch erfuhren, sie erfuhren auch allerlei Wissenswertes.

Auch am Abend informierte Dell’Antonio zwischen den einzelnen Darstellungen: „Aljona benutzt für ihre Geschichten Sand aus der Wolga, den sie nahe ihrer Heimatstadt Samara auf einer Insel selbst sammelt, reinigt und im Backofen trocknet. Flusssand hat eine runde Struktur und ist sehr fein. Dadurch ,rutscht’ er gut.“

Kleine Veränderungen am Bild erzeugen große Wirkung

Dann zog Aljona Voynova die Besucher für anderthalb Stunden in ihren Bann und erzählte in ihren Bildern von Sindbad 1001 Geschichten. Klaus Lübke gefiel das sehr gut: „Beeindruckend war die Fingerfertigkeit und die Kunst, mit wenigen Griffen ein ausdrucksstarkes Bild zu gestalten.“

Kleinigkeiten machten aus einem Gesicht eine Kalifen mit Bart und Turban, eine leichte Veränderung der Augenbraue lies Sindbad böse drein schauen und die Prinzessin traurig wirken. Der anschließende Applaus sollte gar nicht aufhören und nach einer Zugabe scharten sich die Besucher um Voynova und ihr „Zeichenbrett“, eine beleuchtete Glasscheibe.

Joachim Sowa war beeindruckt: „Es ist interessant, was man machen kann, wenn man es kann. Sehr künstlerisch alles, dazu gehört viel Übung.“ Claudia Papke schloss sich an: „Ich bin beeindruckt, toll. Es ist noch mal ganz anders, wenn man es vorher mitgemacht hat. Man sieht es noch mal mit anderen Augen. Das nichts bleibt... Man will ja eigentlich immer etwas festhalten.“ Was blieb war eine bleibende Erfahrung: „Ich verbinde das mit loslassen.“

Kreative Vielfalt für alle Sinne im Alldiekunst-Haus

Lazaro gestaltete im Alldiekunst-Haus seine eigene Grundsteinkiste.
Lazaro gestaltete im Alldiekunst-Haus seine eigene Grundsteinkiste. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Im Alldiekunst-Haus gab es gleich ein Angebot für mehr als nur den Seh-Sinn. Ab 11 Uhr durften kleine Besucher mit „Kunst für Kids“ drei Grundsteine aus Holz gestalten. Mehr als 30 Kinder machten mit, so wie die siebenjährige Stella, die etwas ganz Eigenes schaffen wollte: „Erst mal habe ich an einen Leoparden gedacht. Ich find’ die irgendwie cool.“

Bei dem zweiten Holzstück fand sie den Farbverlauf einfach schön. Sie kleckerte und daraus entstand die Idee für das dritte Holz. Besucher Hermann-Josef und Bärbel Schmitz waren von dem Projekt sehr angetan: „Das war ganz toll, was die Kinder gemacht haben. Schade, dass sie die Kisten sofort mit nach Hause nehmen durften, so dass die Besucher die nicht mehr bestaunen konnten.“

Künstler stellten ihre Arbeit an der Wiemerstraße aus

Projekte des Kunsthauses sichtbar etabliert

Mehr als 100 Besucher fanden den Weg in die Dauerausstellung „Grundsteinkisten“, wo auch die ersten vier von insgesamt sieben Segeln zu sehen waren, die über dem Hardenberger Bach installiert werden. Es war das letzte Projekt, das Künstler Norbert Bauer vor seinem Tod Mitte 2017 angestoßen hatte.

Achim Peter, Vorsitzender des Vereins Kunsthaus Langenberg, der sowohl für das Alldiekunst-Haus als auch für die Grundsteinkisten verantwortlich zeichnet, freute sich, dass die ersten Segel rechtzeitig zu „Sehen“ zu sehen waren: „Es sieht gut aus, dass sie dieses Jahr auf jeden Fall noch installiert werden.“

Altbürgermeister Heinz Schemken war von der soliden Bauart der Segel begeistert: „Hier zeigt sich die Beständigkeit. Die Segel waren schon damals eine tolle Sache, sie sind jetzt manifestiert worden. Vielleicht sieht es Norbert Bauer auch und freut sich.“ Mit der Installation der Segel sei nun endgültig klar: „Jetzt wird die Kunst substanziell für die Zukunft erhalten.“

Die Grundsteinkisten waren auch Gegenstand der Schnitzeljagd, an der rund 50 Besucher in der gesamten Altstadt teilnahmen und für die es ein Multiple der Grundsteinkisten zu gewinnen gab, gesponsert vom Kunsthaus Langenberg.

Im Alldiekunst-Haus hatten außerdem Künstler ausgestellt, die allesamt großen Zuspruch erhielten. Heinz Schemken war überrascht von deren Kreativität: „Es hat mich erstaunt, auch die Ideen.“ Überrascht vielleicht auch, weil er den Künstlern Helga Herwig-Scheve, Robert Zapf, Marlies Winschermann, Rosemarie Johnen, Achim Peter, Birgitt Haak, Uwe Peter und Ingrid Bülow sonst nur bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit für den Kunsthaus-Verein begegnet ist. Vom 23. bis 25. August sind die Werke an der Wiemerstraße 3 noch zu sehen: Freitag 18-20 Uhr, Samstag 13-16 Uhr und Sonntag 14-16 Uhr.

Der Vorsitzende Achim Peter fasste den Tag so zusammen: „Das schreit nach Wiederholung!“

Galerie 23 lockt mit Ausstellung, Modenschau und Gesang

Michael Falkenstein und Ute Kaiser sind zwei der Künstler, die aktuell in der Galerie 23 ausstellen. Hier erstellen die beiden einen Druck von einem Holzschnitt.
Michael Falkenstein und Ute Kaiser sind zwei der Künstler, die aktuell in der Galerie 23 ausstellen. Hier erstellen die beiden einen Druck von einem Holzschnitt. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Auch die Aktionen in der Galerie 23 von Doris Stevermüer sprachen alle Sinne an. Ganztägig hatte am Sonntag die Ausstellung mit Werken von Petra Hilpert, Michael Falkenstein, Angela König und Peter von Malotki geöffnet, ebenso der Skulpturengarten. Neben kulinarischen Genüssen bot die Galerie für die Besucher Workshops an – und bei der Modenschau von Designerin Angela König war der Sehsinn gefordert.

Claudia Pütz war begeistert, kennt Angela König auch persönlich: „Ich finde es sehr positiv, das sich Angela hier so zeigt und über ihren Raum an der Hellerstraße hinaus geht. Sie ist eine so kraftvolle Persönlichkeit.“ Obwohl kurzfristig die ursprünglichen Modells abgesagt hatten, fand die Modenschau statt. „Die, die Kleidung gezeigt haben, haben überzeugt“, befand Pütz. Das sah auch Dr. Linda Frenzel so: „Bei der Modenschau fand ich sehr schön, dass die Kleidung zum Typ der Modells passte.“ Auch die Musik und das Multikulturelle habe ihr gefallen.

Besucher nutzen die Zeit für Künstlergespräche

Claudia Pütz nutzte die Gelegenheit außerdem für viele Künstlergespräche: „Ich finde die Räume insgesamt ideal für Kunst.“ Wohl auch für die anschließende Sängerin, deren Performance unter die Haut ging. Besucherin Dr. Heike Knops, selbst auch Künstlerin, bekam einen intensiven Eindruck von Susanne W. L. Hille: „Es war sehr berührend, dass sie das so zelebriert hat.“

In der Tat zelebrierte Hille, gekleidet in ein Gewand mit lauter Augen, den Mund verdeckt von einem schwarzen Mundschutz, sehr intensiv den Augenkontakt mit ihrem jeweiligen Gegenüber. Sie besang direkt Personen mit Liedern, die alle etwas mit Sehen zu tun hatten. In verschiedenen Sprachen und Stilrichtungen besungen, entstand der Eindruck, jeder bekäme ein individuell für ihn ausgesuchtes Lied. „Ich fand das sehr ergreifend“, so Knops.