Neviges. Seit 65 Jahren ist Lothar Jäger Mitglied des Schützenvereins Kleine Schweiz. Sein Engagement hätte ihm fast ein Leben im Oman beschert.

Nein, auf den Vogel schießt Lothar Jäger nicht mehr. „Passt ja nichts mehr hin“, sagt er lachend und zeigt auf seine Schulter. Da, wo auf der Schützenuniform die Auszeichnungen blitzen. Seit 65 Jahren ist das Tönisheider Urgestein Mitglied im Schützenverein Kleine Schweiz. Drei Mal Schützenkönig bei der Kleinen Schweiz, Bezirkskönig, Landestrainer, „und ein Mal war ich Lakai“. Da hatte seine vor zwei Jahren verstorbene Ehefrau Doris den Vogel abgeschossen und er begleitete seine Schützenkönigin.

Der Vater nahm ihn schon als Steppke mit

Die letzte seiner zahlreichen Medaillen bekam Lothar Jäger zu seiner 65-jährigen Vereinszugehörigkeit.
Die letzte seiner zahlreichen Medaillen bekam Lothar Jäger zu seiner 65-jährigen Vereinszugehörigkeit. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Im Jahr 1954 trat Lothar Jäger mit 13 Jahren in den Verein ein, was seit jeher so fest stand wie das Amen in der Kirche. „Ich bin ja schon als kleiner Steppke mitgegangen, mein Vater war Jugendleiter.“ Schnell trat er in Papas Fußstapfen, das Engagement für den Nachwuchs war ihm immer wichtiger als eigene sportliche Erfolge.

Fleischwurst von Metzger Kuhlendahl

„Man muss die jungen Leute begeistern, dann kommt auch die Leistung.“ Gern denkt er zurück an die Jugendfreizeiten in Mauloff in Hessen, als der damals hier ansässige Metzger Kuhlendahl gleich mehrere Kringel Fleischwurst als Proviant für unterwegs und Rippchen zum Grillen spendierte. Und alle bettelten, um nachts um zwei Uhr einen Boxkampf mit Cassius Clay schauen zu dürfen, wie Box-Legende Muhammad Ali damals noch hieß.

Viele Ämter im Verein bekleidet

Für einen Jux war Lothar Jäger immer zu haben: So floss 1981 der Erlös der „Tönisheider Meisterschaften im Kirschkern-Weitspucken“ in die Jugendarbeit der Kleinen Schweiz. „Viele von damals sind bei uns geblieben, das ist natürlich schön.“

Die besten Schützen des Landes trainiert

Zehn Jahre lang gab er als Landestrainer NRW den besten Schützen den letzten Schliff. Kaum ein Amt im Verein, das er nicht bekleidet hat. Stolz ist das Tönisheider Urgestein – „Ich bin sogar hier im Dorf geboren“ – nicht nur auf das goldene Ehrenkreuz des Deutschen Schützenbundes, um nur eine der vielen Auszeichnungen zu nennen. Und dass er durch sein Vereins-Engagement beinahe in Arabien gelandet wäre, lässt ihn noch heute schmunzeln.

Ein Angebot aus dem Oman

Verein wurde 1923 gegründet

Der SV Kleine Schweiz wurde 1923 in der gleichnamigen Gaststätte in Tönisheide gegründet. Zurzeit hat der Verein 63 Mitglieder.

Jugendliche können im Verein mit dem Lichtgewehr schießen. Eine Jugendmannschaft gibt es seit acht Jahren nicht mehr. Mehr Informationen auf der Homepage www.sv-kleine-schweiz.de

„Bei den Europameisterschaften in Dortmund hab ich die Ergebnisse ausgewertet. Damals sprach mich ein Delegierter aus dem Oman an und bot mir Haus, Auto, 10.000 Dollar Monatsgehalt, das alles für fünf Jahre.“ Allerdings war Ehefrau Doris wenig begeistert, samt der beiden Söhne Guido und Oliver Tönisheide zu verlassen. Und ohne Familie – nein, da konnte der großzügige Scheich noch so sehr locken.

Frühschoppen beim alten König

Viel hat sich in sechs Jahrzehnten verändert, ganz abgesehen von der Technik der Gewehre: „Früher gab es Kimme und Korn. Patrone rein, Knicklauf zu und fertig. Heute hat man feine Spezial-Diopter, damit der Schuss auch genau im Zentrum ist.“ Gern erinnert er sich Lothar Jäger daran, wie einst der alte König abgeholt wurde. „Man hat die Nacht vorher durchgemacht, stand morgens um sechs Uhr mit dem Spielmannszug vor der Tür.“ Vom Frühschoppen beim alten König ging es dann zur Schießanlage Peibst, um den neuen König auszuschießen. Gefeiert wird noch immer beim SV Kleine Schweiz, und auch nach 65 Jahren mischt der Jubilar da gerne mit.