Velbert-Mitte. Das Velberter Berufskolleg Niederberg und der Verein Schlüsselregion präsentieren einen neuen Bildungsgang. Zielgruppe sind vor allem Realschüler.
Nur rund 15 Prozent ihrer Absolventen gehen nach dem Schulabschluss in eine Ausbildung, sagt Sonia Cohen, Leiterin der Realschule Heiligenhaus. Die restlichen Schüler streben „eine weitere schulische Bildung an, etwa an einer Gesamtschule oder dem Gymnasium.“ Angesichts des Facharbeitermangels in Deutschland sei das eine ziemlich bizarre Situation.
Eine mögliche Lösung haben nun Frank Flanze vom Berufskolleg Niederberg (BKN) und Dr. Thorsten Enge vom Verein Schlüsselregion vorgestellt. Zum Ausbildungsstart 2020 können Schüler dann die Ausbildung mit der Fachhochschulreife verbinden.
Attraktives Angebot für Realschul-Absolventen
„Bislang ist das eine Entweder-oder-Situation für die Schüler: entweder Ausbildung oder weiter zur Schule“, sagt Thorsten Enge. Und das gehe meist zu Lasten der Ausbildung. „Für viele Schüler ist es einfach mit 16 Jahren noch zu früh, so eine weitreichende Entscheidung zu treffen“, ergänzt Sonia Cohen von der Heiligenhauser Realschule. „Daher ist uns dieses Modell hoch willkommen, es ist für unsere Absolventen ein attraktives Angebot.“
Und so soll das Projekt funktionieren: Zusätzlich zum Unterricht an der Berufsschule und zur Ausbildung bekommen die Schüler, die sich für dieses Programm entscheiden, ein mal pro Woche Unterricht in allgemein bildenden Fächern – zum Beispiel Deutsch und Mathe.
Schüler müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen
„Das Modell ist eine Wertschätzung der beruflichen Bildung“, sagt Frank Flanze, Leiter des BKN. Denn die Unterrichtsleistung aus der Berufsschule wird für den Abschluss komplett angerechnet. Allerdings müssen Schüler, die sich für dieses Modell interessieren, drei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen einen Realschulabschluss haben, eine mindestens dreijährige Ausbildung vor sich haben und der Ausbildungsbetrieb muss zustimmen.
Anja Tilmann-Unkel sitzt in der Personalabteilung des Velberter Unternehmens Beyer & Müller. Ihr Arbeitgeber ist einer von bislang elf Betrieben der Schlüsselregion, die das Projekt unterstützen. „Wir sehen dieses Modell als Sprungbrett, um auch unter Realschülern an mehr Bewerber zu kommen“, sagt sie. Denn die meisten Bewerbungen kämen entweder von Abiturienten – für kaufmännische Berufe – oder von Hauptschülern (Werkzeugmechaniker).
Unternehmen tragen auch ein gewisses Risiko
„Natürlich tragen wir als Unternehmen dabei auch ein Risiko“, sagt Anja Tilmann-Unkel. „Wenn der Auszubildende etwa später doch lieber studieren geht.“ Aber das sei ja nichts Schlimmes. „Wir haben drei Jahre Zeit, den Azubis unseren Betrieb schmackhaft zu machen.“
Aktuell kümmere sich die Schlüsselregion darum, Betriebe von dem Projekt zu begeistern, erläutert Geschäftsführer Thorsten Enge. „Wir trommeln die jetzt schon zusammen, damit die nach den Ferien, wenn die Bewerbungsphase losgeht, mit dem Thema werben können.“ Im zweiten Schritt müssen sich dann genug interessierte Jugendliche finden, damit die Klasse starte kann. „16 sollten es mindestens sein“, sagt Frank Flanze.
Mitmachen dürfen bei dem Projekt „auch gerne Unternehmen, die nicht der Schlüsselregion angehören“, sagt Thorsten Enge. Auch die Fachrichtung ist egal. Selbst eine Kooperation mit anderen Schulen – etwa aus Mettmann – ist denkbar.