Podujeva. . Podujeva im Kosovo hat eine enge Verbindung zu Velbert – nun soll eine Städtepartnerschaft entstehen. Ein Ortsbesuch 20 Jahre nach Kriegsende.

Das Mahnmal oberhalb der Stadt erinnert an die Kämpfer der UÇK, die vor gut 20 Jahren für die Unabhängigkeit des Kosovo kämpften. Von hier schweift der Blick über die weitläufige Landschaft, die vielen Orte und die gegenüberliegende Bergkette. Hier im Nordosten des kleinen Staates – der noch längst nicht von allen Nationen der Welt anerkannt worden ist – liegt die Stadt Podujeva, Hauptstadt der gleichnamigen Gemeinde.

Die Innenstadt von Podujeva, links der Mitte das alte Rathaus (rotes Dach), schräg dahinter das neue. Rechts im Bild der Fluss Lab. Bess Hamiti left Und hier soll, geht es nach Rrahman Islamiund seinen Mitstreitern, Geschichte geschrieben werden. Denn Anfang April könnte Podujeva die erste Stadt aus dem Kosovo sein, die eine Städtepartnerschaft eingeht – mit Velbert. Der Stadtrat unter Bürgermeister Agim Veliu hat bereits zugestimmt, das Votum aus Velbert steht noch aus. Mit einer Delegation aus Velbert reisteIslami – der 1992 aus dem Kosovo floh und seit dem in der Schlossstadt lebt – nun auf den Balkan. Das Ziel: Kontakte knüpfen, vor allem auf sportlicher Ebene. Ich darf dabei die Basketballer der Velberter SG vertreten.

Straßen, Gewerbe, Häuser: Ein Land im Aufbau

Abendstimmung an der Lab: Die Uferpromenade ist hergerichtet worden, kleine Cafés säumen den Fußweg.
Abendstimmung an der Lab: Die Uferpromenade ist hergerichtet worden, kleine Cafés säumen den Fußweg. © Sascha Döring

Für mich ist es die erste Reise auf den Balkan und ich bin gespannt. Bislang ist der Kosovo für mich nur ein Gebiet, dass ich aus den Nachrichten kenne: Das deutsche Kfor-Camp in Prizren, die geteilte Stadt Mitrovica, in der es immer wieder Unruhen gegeben hat, die schwierige Beziehung zum Nachbarland und ehemaligen Kriegsgegner Serbien – der den Kosovo nach wie vor nicht als eigenständigen Staat anerkennt.

Die Eindrücke zu beschreiben fällt schwer: Überall wird gebaut, Häuser und Straßen entstehen. Zwischen modern designten Gewerbebetrieben stehen Wohnhäuser aus rotem Ziegel. Doch nur von außen sehen die Gebäude unfertig aus: Im Innern sind sie komplett eingerichtet, bewohnt. Aber es gibt auch verfallene Gebäude, selbst das Rathaus macht keinen taufrischen Eindruck mehr. Aber der Neubau steht schon, modern, mit viel Glas. Die Autobahn zur Hauptstadt Pristina ist neu, top ausgebaut. In der Stadt selbst gibt es Schlaglöcher, es fehlen Markierungen, teilweise kommt das Kopfsteinpflaster durch den Asphalt.

Schüler wollen reisen – und können nicht

Besuch im Gjimnazi Aleksandër Xhuvani, mit dabei sind Christian Geelen (Velberter SG, Taekwondo, 2.v.l.), Rrahman Islami (rechts neben Geelen), Andreas Brembeck (Radsportfreunde Velbert, hinter Islami), Burghardt Fülling (CDU-Ratsmitglied, hinten Mitte), Helmut Gries (Vorsitzender Radsportfreunde Velbert, 5.v.r.) und Hans-Werner Mundt (Stadtsportbund, 2.v.r.).
Besuch im Gjimnazi Aleksandër Xhuvani, mit dabei sind Christian Geelen (Velberter SG, Taekwondo, 2.v.l.), Rrahman Islami (rechts neben Geelen), Andreas Brembeck (Radsportfreunde Velbert, hinter Islami), Burghardt Fülling (CDU-Ratsmitglied, hinten Mitte), Helmut Gries (Vorsitzender Radsportfreunde Velbert, 5.v.r.) und Hans-Werner Mundt (Stadtsportbund, 2.v.r.). © Sascha Döring

Entlang der Lab, dem Flüsschen, das durch Podujeva fließt und der Region Llapi seinen Namen gibt, sind wiederum die Ufer verschönert worden, in den Straßencafés wimmelt es von jungen Leuten. Der Friedenspark im Osten der Stadt ist hergerichtet: Fahnen wehen rund um das Rondell, der neue Spielplatz ist gut besucht.

Doch dann ist da die andere Seite: Im Aleksandër-Xhuvani-Gymnasium treffen wir auf junge Schüler,die uns begeistert ihre Schule zeigen, stolz über Projekte berichten und davon erzählen, dass sie gerne die Welt sehen oder im Ausland studieren würden – und ihr Wissen dann zum Nutzen der Heimat einsetzen möchten. Doch reisen ist für Kosovaren ein Problem – die Erteilung eines Visums kann sich schnell mal über 18 Monate ziehen, immer ist der Beweis nötig, dass der Antragsteller auch wieder zurückkehren will. „Für uns 17-Jährige ist das, als ob wir in einem großen Gefängnis leben“, sagt eines der Mädchen. Kommt die Partnerschaft mit Velbert zustande, wäre zumindest der Austausch zwischen den beiden Städten möglich, die Erteilung entsprechender Visa wesentlich erleichtert.

Ein Termin reiht sich an den nächsten

Blick auf den Batllava-See. Hier wird Trinkwasser für die Gemeinde Podujeva und Teile der Hauptstadt Pristina gespeichert. Im Sommer ist der See ein beliebtes Naherholungsziel.
Blick auf den Batllava-See. Hier wird Trinkwasser für die Gemeinde Podujeva und Teile der Hauptstadt Pristina gespeichert. Im Sommer ist der See ein beliebtes Naherholungsziel. © Sascha Döring

Zeit zum Nachdenken haben wir kaum, ein Termin reiht sich an den nächsten: Radtour durch die Dörfer der Umgebung, organisiert vom lokalen Radsportclub; Abendessen mit Bürgermeister Agim Veliu; Besuch einer neu gebauten Geburtsstation; Mittagessen mit dem Bürgermeister im Naherholungsgebiet am Batllava-See inklusive Interview mit dem nationalen Fernsehen; und dann der Besuch bei den Basketballern. Die Begrüßung ist herzlich, ein wenig mitmachen darf ich auch, schließlich vereinbaren wir, dass wir einen Austausch zwischen unseren Jugendmannschaften in die Wege leiten.

Prominenter Tour-Begleiter: Tefik „The Hurricane“ Bajrami (vorne rechts) stammt aus Podujeva und ist aktueller Boxweltmeister im Cruisergewicht im Verband WBU. In der Stadt kennt ihn jedes Kind.
Prominenter Tour-Begleiter: Tefik „The Hurricane“ Bajrami (vorne rechts) stammt aus Podujeva und ist aktueller Boxweltmeister im Cruisergewicht im Verband WBU. In der Stadt kennt ihn jedes Kind. © Sascha Döring

Was bleibt hängen nach gut 60 Stunden im Kosovo? Die unglaubliche Herzlichkeit und Gastfreundschaft der Menschen. Die Jugendlichen, die vor Energie, Neugier, Ehrgeiz und Wissendurst nur so strotzen. Die Perspektivlosigkeit für viele, die trotz bester Schulbildung und Studium keinen Job finden. Und das große Potential, das in dieser jungen Bevölkerung steckt. Die angestrebte Städtepartnerschaft könnte den Menschen Hoffnung bringen – darauf, dass die Zukunft ein Stück besser wird.

>>DIE MITGLIEDER DER DELEGATION

  • Mit in den Kosovo reisten Andreas Brembeck (Leiter der Arbeitsgruppe Internationaler Sport im Partnerschaftskomitee der Stadt Velbert), Helmut Gries (Vorsitzender der Radsportfreunde), Burghardt Fülling (CDU-Ratsmitglied), Hans-Werner Mundt (Velberter Boxclub und Jugendleiter beim Stadtsportbund), Christian Geelen (Abteilungsleiter Taekwondo bei der Velberter SG), Sascha Döring (Abteilungsleiter Basketball bei der Velberter SG) und Rrahman Islami (Verein zur Gründung und Förderung der Städtpartnerschaft Velbert-Podujevo e. V.).
  • Die Gemeinde Podujeva besteht aus 78 Dörfern und hat rund 90.000 Einwohner, gut ein Drittel davon sind Schüler und Studenten. Nur fünf Prozent der Bevölkerung sind älter als 65 Jahre.