Velbert. Christoph und Christine Hirte aus Velbert glaubten schon, ihren Sohn an das Online-Spiel World of Warcraft verloren zu haben. Ihr Kind konnte sich zwar selbst aus der Sucht befreien - nun wollen die Eltern dafür sorgen, dass das Problem von der Gesellschaft stärker wahrgenommen wird.

„Wir hatten unser Kind an das Internet verloren.” Dies ist ein Satz, der bei der Diskussion über Spielsucht oft fällt. Christine und Christoph Hirte haben die Veranstaltung in der Aula der Velberter Gesamtschule initiiert. Weil sie selbst Betroffene sind.

Christine Hirte beginnt mit ihrer eigenen Geschichte und erzählt: „Auch wir haben unseren Sohn an das Internet, an World of Warcraft verloren.” Erst durch dieses eigene Leid sei ihr bewusst geworden, wie viele andere Menschen dasselbe Problem haben, wie viele von ihnen nicht mehr weiter wissen. Dennoch werde das Thema Onlinesucht in unserer Gesellschaft verdrängt. „Es geht niemanden etwas an, wir kennen so etwas nicht”, versucht es der Koordinator für Berufsorientierung, Cord Nicolaisen, zu formulieren.

In der Aula der Gesamtschule sitzen 20 Leute. Ein Ergebnis, das auf die Initiatoren sehr schockierend wirkt. Rund 2,8 Millionen Menschen gelten als online-süchtig, 13 Millionen Menschen weltweit spielen World of Warcraft (WoW).

Der Druck, spielen zu müssen

Was macht den Reiz dieses Spiels aus, dem auch ihr Sohn verfallen ist? „Du kannst dich selbst neu kreieren, eine komplett andere Persönlichkeit erstellen und von einem Außenseiter zum Helden werden”, erklärt Christina Hirte. Jugendliche stehen unter dem Druck, spielen zu müssen, denn World of Warcraft kenne kein Ende und das Geschehen nehme fortan seinen Lauf. „Verständlich, dass die Jungendlichen Angst haben, etwas zu verpassen”, sagt Hirte.

Außerdem, so haben Hirnforscher herausgefunden, seien die Glücksmomente während des Spiels enorm hoch. „Mit der Zeit wird das Punktesammeln immer schwieriger – die Glücksmomente weniger, was die Spieler kränkt und sie dazu zwingt, weiter zu machen.” Wer bei WoW etwas erreichen will, der muss fünf bis sechs Stunden seiner Zeit täglich hinein investieren.

Das Leben ins Internet integrieren

World of Warcraft ist nicht das einzige Spiel, das für Furore sorgt, zumal es schon ab zwölf Jahren freigegeben ist. Auch über Counterstrike (ab 16 Jahre), Nazipropaganda, Onlinesexsucht und Chatsucht wird heftig debattiert. Was den Jugendlichen beigebracht wird? Die Antwort ist Kritikern zufolge ganz einfach: Willkürlich zu morden, Metzgerspiele zu betreiben, nicht zu essen ohne sich dabei schuldig zu fühlen und zu lügen, sich eine fiktive Welt zu errichten.

„Süchtig ist der, der das Internet nicht in sein Leben integriert, sondern sein Leben ins Internet”, sagen die Experten. „Dann sollte man als Eltern schon eingreifen.” Es sei schwer, das wissen sie aus eigener Erfahrung. Oftmals wenden Jungen Gewalt an und besonders alleinerziehende Mütter haben es da schwer, sich zu wehren.

Mittlerweile, so erzählen sie stolz, sei es dem eigenen Sohn gelungen, sich mit eigener Kraft von der Krankheit zu befreien. Er hat alleine eine Selbsthilfegruppe aufgesucht, nachdem er erst die Hilfe und den Kontakt zu seinen Eltern verweigert hatte. Den Schritt in Richtung seiner Eltern hat der Sohn der Hirtes noch nicht gemacht. Christine Hirte spricht als Mutter: „Es braucht seine Zeit.”