So günstig war Milch schon lange nicht mehr: Gerade einmal 48 Cent nimmt Discounter Aldi für den Liter 3,5-Prozentige. Der Liter mit 1,2 Prozent Fettgehalt kostet sogar nur 42 Cent. Das gleiche Bild bei der Eigenmarke im Rewe-Supermarkt: Dort kostet sogar der Liter Bio-Milch nur noch 89 Cent.
Was bleibt bei den Milchbauern davon übrig? 27 Cent erhalten Martin Dahlmann und seine Kollegen aktuell von der Genossenschaft Campina. Der Vorsitzende der Kreisbauernschaft sieht einen leichten Anstieg der Preise gegenüber dem Loch im Sommer. Dennoch: „Die Milchpreise sind immer noch zu niedrig.” Nur durch den Produktmix könnten die Landwirte wirtschaftlich noch überleben.
Besonders große Sorgen bereite ihm die Weltwirtschaftskrise, die auch dazu geführt habe, dass der weltweite Absatz von Milch deutlich zurückgegangen sei. „Wir haben so gut wie keine Exporte mehr”, sagt Dahlmann. Im vergangenen Jahr hätten die europäischen Bauern viel Milch auf dem asiatischen Markt absetzen können. Die Industrie greife bei Milchprodukten immer häufiger auf Ersatzstoffe zurück. Sogar Sahne lasse sich mittlerweile aus pflanzlichen Fetten herstellen. „Das ist deutlich billiger.”
Ein Milchstreik – wie im vergangenen Jahr vom Bund der deutschen Milchbauern (BDM) vollzogen – mache keinen Sinn, sagt Dahlmann. Er stimme dem BDM einzig in der Forderung zu, die Saldierung abzuschaffen. „Die muss weg.” Die Saldierung erlaubt den Landwirten, Überproduktionen mit Unterproduktionen auszugleichen. Alternative wäre eine strenge Milchquote.
„So etwas macht nur europaweit Sinn”, sagt Dahlmann. Gerade die großen Molkereien griffen bei Joghurts und anderen Milchprodukten auf Billigmilch aus Polen zurück.
Der Liter für 60 Cent
Die Kreisbauernschaft kritisiert die Discounter Aldi und Penny für ihre aktuelle Preispolitik.
„Wer in der augenblicklich verzweifelten Situation unserer Milchbauern ohne Not Rabattschlachten lostritt, nimmt bewusst die Existenzvernichtung bäuerlicher Familienbetriebe in Kauf. Dies grenzt an menschenverachtenden Zynismus”, sagte der Vorsitzende Martin Dahlmann auf der Erntepressekonferenz.
Wer freiwillig mehr geben will: Die Landwirte verkaufen ihre Milch auch direkt an den Endabnehmer. Michael Greshake gibt den Liter aktuell für 60 Cent ab. Die Milch sei dann nicht pasteurisiert und eigne sich zum Beispiel für Kunden, die Joghurt oder Käse herstellen wollen.
Auf der gestrigen Erntepressekonferenz der Kreisbauernschaft fand Dahlmann noch deutlichere Worte: „Die leichte Erholung am Milchmarkt muss jetzt – und nicht erst in einigen Wochen oder Monaten – mit durchgreifenden Initiativen gestärkt werden. Wir brauchen Maßnahmen, die den Absatz unserer Milchprodukte ankurbeln und den Markt entlasten.” Er forderte die Bundesregierung auf, die Landwirteforderungen auch in Brüssel durchzusetzen.
Trotz der Niedrigpreise im Supermarkt freut sich auch der Nevigeser Landwirt Michael Greshake über den aktuellen Höchststand bei der Abnahme. Dennoch: „Uns fehlen fünf Cent über das Jahr gesehen”, sagt Greshake. „Wir bekommen viel zu wenig.”
Dennoch seien auch einige Kollegen vielleicht nicht ganz unschuldig an ihrer aktuellen Situation. Einige hätten bei den hohen Preisen im vergangenen Jahr etwas zur Seite legen müssen. Greshake: „Es hat sicher einige Managementfehler gegeben.” In der Landwirtschaft müsse man auch langfristig denken. Von den Einnahmen aus der Milch müssten schließlich auch Investitionen in Traktoren oder Heuwender bezahlt werden.
Auch der Milchstreik im vergangenen Jahr habe keinen Sinn gemacht. „Die Bauern haben die Milch weggeschüttet, als der Preis gut war.”
Jetzt sei eben der Weltmarkt das Problem. „Ich erwarte, dass einige Betriebe insolvent gehen.” Lang- oder mittelfristig werde aber auch die Landwirtschaft wieder mit Milch Geld verdienen können. „Die produzierte Menge wird wieder sinken”, sagt Greshake. „Dadurch wird auch der Preis wieder steigen.”