Schulabbrecher holen Abschluss nach.Zukunftsaussichten verbessert

Sie sind Mitte 20. Haben die Schule als Jugendliche ohne Abschluss geschmissen und sich - wenn es gut lief - mit Gelegenheitsjobs durchs Leben geschlagen. Bis vor einem Jahr waren ihre Zukunftsperspektiven alles andere als rosig. Dann flatterte ihnen ein Schreiben ins Haus.

Ein Brief der Bundesagentur für Arbeit brachte das Angebot, den Hauptschulabschluss nachzuholen. Ein Angebot, das großen Einsatz forderte. Nicht nur büffeln, sondern auch arbeiten - das waren die Voraussetzungen, um an dem Programm teilzunehmen. Drei Tage Schulbank, zwei Tage schuften für einen Ein-Euro-Job.

25 Schüler meldeten sich. Das Jahr hielten 20 durch, die dann auch zur Prüfung gemeldet wurden. Eine bunte Truppe. 50 Prozent ihrer Eltern kamen nicht aus Deutschland, sondern aus der Türkei, Italien und sogar Schottland. "Alle haben bestanden", freut sich Peter Rolle, der Geschäftsführer der Gesellschaft für Beratung und Weiterbildung im Handel (GBW). Zwei der Absolventen haben eine Eins vor dem Komma. Insgesamt beträgt der Schnitt 2,5.

Und den hat genau Etienne Weber getroffen. Der 24-Jährige ist stolz auf seinen Abschluss. Mit 16 Jahren ging er von der Schule ab. "Ich hatte keine Lust und kam in der Schule nicht klar", gesteht er. Heute weiß er, wie wichtig Bildung ist. Sechs Jahre arbeitete er in einer Firma für Gebäudereinigung, bis er Probleme mit seinem Chef bekam. Die Geschichte ging vor Gericht. "Dort habe ich zwar gewonnen, meinen Job war ich allerdings los." Es folgten zwei Jahre Arbeitslosigkeit und Gelegenheitsjobs, dann die Wende.

Etienne Weber drückte wie damals die Schulbank, diesmal allerdings mit einer ganz anderen - einer positiven - Einstellung. In Politik lernte er viel über Demokratie und den Zweiten Weltkrieg und fand das sogar spannend. "Wenn man etwas älter wird, weiß man, wie wichtig solche Themen sind. Plötzlich ist das Interesse da." Etinne Weber möchte nun eine Ausbildung zum Zahntechniker machen. "Ich weiß natürlich, dass dieses Ziel besonders hoch gesteckt ist, Zahntechniker ist aber mein absoluter Traum."

Einen Ausbildungsvertrag hat seine Mitschülerin Hacer Telhan (25) schon in der Tasche. Sie beginnt nun eine Lehre als Einzelhandelskauffrau bei einem Juwelier. Auch Hacer Telhan verließ mit 16 Jahren ohne Abschluss die Schule. "Ich habe nie geschwänzt, mich aber auch nie am Unterricht beteiligt." Eine Lehre brach sie ab. Sie kam dort ebenfalls nicht zurecht.

Die Chance, die man Hacer Telhan sechs Jahre nach dem Schulabbruch gab, verwandelte sie in einen Zeugnisdurchschnitt von 2,6. Es gab Tage, an denen sie auch hier aufgeben wollte, doch die Sozialpädagogen der GBW hatten die junge Frau im Griff. Die GBW schmiss sie nur aus einem Grund nicht: "Ich hatte das Gefühl, dass ich den Pädagogen das irgendwie nicht antun kann."

Besonders stolz auf diesen guten Jahrgang ist auch Peter Rolle. Er weiß, wie schwer es den jungen Menschen fällt, durchzuhalten. "Viele bekommen es zu Haus nicht anders vorgelebt." Der Unterricht sei nicht das Problem gewesen. Anders die zwei Arbeitstage. "Da hatten wir die meisten Krankmeldungen." Doch die Sozialpädagogen verstehen es, die Schüler zu motivieren. "Das kann auch durchaus mal ein Hausbesuch sein."

Hacer Telhan, die bei den zwei Arbeitstagen in einem Second-Hand-Laden vom SKFM aushalf und Etienne Weber, der dem Hausmeister an einer Schule unterstützte, hielten durch. Ihre Zukunftsaussichten haben sich nach diesem lehrreichen Jahr wesentlich verbessert. Sie haben sich berappelt, Einsatz und Fleiß gezeigt.