Sprockhövel. Die Filialen der Bäckerei Borggräfe in Sprockhövel leiden unter Diebstählen und Einbrüchen. Doch die Kartenzahlung wird nur verhalten angenommen.
In den Filialen der Bäckerei Borggräfe hängen zurzeit Schilder aus, auf denen die Kundschaft gebeten wird, nach Möglichkeit ihre Brötchen, Brote und den Kuchen bargeldlos zu bezahlen. Kein Zwang oder ein Ultimatum, darauf legt die Geschäftsführung der Bäckerei mit Sitz Am Engelsfeld großen Wert. Jeder kann jederzeit mit Münzen und Scheinen die Produkte von Borggräfe kaufen. Der Hintergrund für die Initiative ist jedoch ein sehr ernster.
Häufige Einbrüche bei Borggräfe
„In zwölf Monaten sind wir zehnmal Opfer von Diebstählen oder Einbrüchen geworden“, berichtet Geschäftsführer Daniel Purpur. In Haßlinghausen wurde mit einem Stein die Schaufensterscheibe der dortigen Filiale an der Mittelstraße eingeworfen, dreimal schon traf es die Zentrale am Engelsfeld. Die Schäden kommen dem Unternehmen teuer zu stehen. „Die Täter vermuten immer große Mengen Bargeld in den betroffenen Filialen, aber erfolgreich sind sie mit ihren Taten nicht“, sagt Purpur.
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Großer Aufwand
Trotzdem ist es für ein Unternehmen wie Borggräfe ein hoher Kostenfaktor, den Großteil des Verkaufs über Bargeld abzuwickeln („Cash Handling“). Der Aufwand ist groß: Das Verkaufspersonal reicht mit einer Hand, die in einem Schutzhandschuh steckt, die Backwaren an die Kundinnen und Kunden. Die andere Hand tippt Beträge in die Kasse, nimmt Geld an und gibt Wechselgeld zurück. „Hinzu kommt, morgens die Kasse zu versorgen und abends abzurechnen, das bindet viel Arbeitskraft beim Personal“, betont Purpur. Insgesamt, haben die Chefs der Sprockhöveler Bäckerei errechnet, fressen die Bargeldkosten einen nicht unerheblichen Anteil der Einnahmen wieder auf.
Kartenzahlung seit 2020
Kosten der Kartenzahlung
Laut Studie der Deutschen Bundesbank (2019) kam bei etwa jedem vierten Einkauf im Einzelhandel die Giro-, Geld- oder Kreditkarten zum Einsatz. Gemessen am Umsatz entfiel sogar rund jeder zweite Euro auf Kartenzahlung.
Nach interner Analyse des cloud Kassensystem Anbieters flour POS präferieren eine Vielzahl an stationären Händlern jedoch noch immer die Bargeldzahlung vor der Kartenzahlung.
Als häufigster Grund werden die hohen Transaktionsgebühren angeführt, die bei einer Zahlung mit einer Girocard oder Kreditkarte für den Einzelhändler anfallen. Verständlich, denn Händler müssen im Durchschnitt mit circa 0,2 Prozent der kassierten Summe an Transaktionsgebühren rechnen.
Bezahlt der Kunde mit einer Kreditkarte, wird es für Händler noch teurer. Hier fallen etwa 0,8 Prozent bei geringen Umsätzen des Händlers auch deutlich mehr an.
Vor diesem Hintergrund entschloss sich die Geschäftsführung 2020, angetrieben durch die Corona-Entwicklung, auch die Möglichkeit der Kartenbezahlung einzuführen. „Wir erwähnen das auch in den sozialen Medien und bitten um Beachtung“, sagt Geschäftsführer Purpur. Aber die elektronische Bezahlung bleibt mit knapp 15 Prozent nach wie vor weit hinter der konventionellen Bargeldpraxis zurück. Da hat also auch die freundliche Werbung bislang nicht viel gebracht.
Jeder soll mit Bargeld einkaufen können
Daniel Purpur möchte nicht missverstanden werden: „Wir verkaufen Grundnahrungsmittel, und jeder, auch ohne EC- oder Kreditkarte, soll in der Lage sein, unsere Waren zu kaufen, daher planen wir nicht, auf bargeldlos umzustellen“, betont der Geschäftsführer. Insgesamt, so bestätigte es auch der Vorstandsvorsitzende Sparkasse Schwelm-Sprockhövel, Christoph Terkuhlen, anlässlich eines Gesprächs der wiederholten Geldautomatensprengungen mit dieser Zeitung, gehe aber auch in Sprockhövel der Bedarf an Bargeld zurück. Borggräfe könnte also in fernerer Zukunft auch komplett auf Kartenzahlung umschwenken.
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Verschwörungen befürchtet
Noch machen sich aber nach Auskunft der Borggräfe-Geschäftsführung Kundenstimmen bemerkbar, die an Scheinen und Münzen hängen: „Das sind besonders jene, die die Anonymität des Bargeldes schätzen und fürchten, über die Daten der Kartenzahlung könnten wir Einblick in das Konsumverhalten gewinnen“, berichtet Purpur. Diese Sorge sei jedoch völlig unbegründet.
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