Sprockhövel/Hattingen. Ein Hattinger Discounter hat eine Sprockhöveler Mitarbeiterin zur Kündigung gedrängt, weil sie 50 Euro unterschlagen habe. So lief der Prozess.

Als die 32-jährige stellvertretende Filialleiterin eines Discounters im Rauendahl in Hattingen am 19. Mai dieses Jahres ihren Dienst kurz nach 21 Uhr beendet hat und nach Hause fahren möchte, wird sie vom Bereichsleiter und dessen Kollegin überrascht. Die beiden konfrontieren sie mit dem Vorwurf, sie habe aus einem Portemonnaie 50 Euro genommen, denn dieser Schein sei registriert gewesen und bei ihr im Impfpass gefunden worden. Immer wieder beteuert sie, dass sie das nicht gemacht habe.

Der Chef droht damit, die Polizei zu rufen. „Ich habe gesagt, dann soll er das machen, ich habe keinen 50-Euro-Schein in der Hand gehabt.“ Die Polizei kommt, die Sprockhövelerin wird angezeigt. Jetzt musste sie sich vor dem Amtsgericht in Hattingen verantworten.

Nach Dienstschluss dann der Vorwurf der Unterschlagung

Für die Angeklagte stellt sich die Angelegenheit zunächst gänzlich anders dar. „Ich bin an dem Tag gerufen worden, weil eine Kunden-Geldbörse gefunden worden sei. Wir haben das Vier-Augen-Prinzip und ich habe mit einer Kollegin an der Kasse ins Portemonnaie geguckt. Darin befand sich ein Fünf-Euro-Schein. Die Geldbörse wurde mir ausgehändigt, ich habe sie alleine ins Büro gebracht. Denn die Kassiererin darf ja die Kasse nicht verlassen.“

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Nach Dienstschluss dann der Vorwurf der Unterschlagung. „Man hat mich abgeleuchtet, ich habe nichts zu verbergen, habe ich gesagt, aber man hat mich massiv unter Druck gesetzt“, schildert die Angeklagte. Schließlich unterschreibt sie einen Auflösungsvertrag.

Dann wird der Detektiv als Zeuge vernommen

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„Meine Mandantin war völlig eingeschüchtert. Man hört ja immer wieder, dass Betriebe mit solchen Methoden langjährige Mitarbeiter loswerden wollen“, stellt Rechtsanwältin Elke Althäuser fest. Ob sie sich vorstellen kann, warum man mit ihr so verfahren sei, fragt der Staatsanwalt die junge Frau. „Ich kann mir nur denken, dass sich Kollegen über mich beschwert haben, weil ich mich schon mal unterhalte“, sagt sie.

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Dann wird der Detektiv als Zeuge vernommen. Er schildert die damalige Situation. „Ich hatte den Auftrag, einen Ehrlichkeitstest bei der Person durchzuführen und habe dann, wie üblich, einen registrierten 50-Euro-Schein mit Pulver präpariert. „Haben Sie mitbekommen, was die Angeklagte mit dem Portemonnaie gemacht hat“, will Richterin Helena Wendland wissen. Nein, das wisse er nicht. Die Angeklagte sei ja auch durchleuchtet worden, sagt der Staatsanwalt. „Haben Sie Spuren des Pulvers unter UV-Licht bei der Angeklagten gefunden. An den Händen oder an der Kleidung?“ hakt er nach. „Nein“, erklärte der Zeuge.

Es geht auch um nicht bezahlte Brötchen

Als weiterer Zeuge wird der Bezirksleiter vernommen. Er erklärt, man habe genau diesen 50-Euro-Schein im Impfpass der Angeklagten gefunden. Ob er auch die Polizei gerufen hätte, wenn die Angeklagte an dem Abend die angebliche Tat zugegeben hätte. Die Antwort: „Nein“.

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Auf weitere Fragen der Richterin und des Staatsanwalts, erklärt der Bezirksleiter, er sei von Kollegen der Angeklagten darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie sich öfter morgens früh an der Backstation ein Brötchen nimmt, dann aber nicht bezahlt. „Wenn ich von Mitarbeitern auf solche Dinge angesprochen werde, muss ich dem natürlich nachgehen.“ Er habe dann einen Ehrlichkeitstest initiiert und mit der Detektei abgesprochen, schildert der 36-Jährige den Ablauf.

Gericht stellt das Verfahren ohne Auflage ein

„Ist denn überprüft worden, ob die Angeklagte tatsächlich mal ein Brötchen genommen hat, ohne zu bezahlen“, forscht der Staatsanwalt nach. Antwort: „Nein“. Warum das denn nicht geschehen sei. Man könne ja einen Kassensturz machen. „Ja, das sei theoretisch möglich, praktisch aber schwierig durchzuführen“, entgegnet der Bezirksleiter.

Unterschlagung und Betrug

Der Tatbestand der Unterschlagung liegt vor, wenn sich jemand vorsätzlich eine fremde bewegliche Sache aneignet oder es einem Dritten gibt. Dabei handelt es sich um Dinge, sagt das Strafgesetzbuch, die nicht Eigentum des Täter sind.

Unterschlagung als Eigentumsdelikt wird als Vergehen gewertet. Im Gegensatz zum Betrug wird kein Vermögensschaden und keine Bereicherungsabsicht vorausgesetzt. Auch wertlose, bewegliche Sachen können unterschlagen werden.

Auf weitere Nachfrage erklärt er, dass man die Angeklagte auch mit dem Vorwurf nicht konfrontiert habe. Richterin Wendland möchte wissen, ob die Angeklagte mit einem Auflösungsvertrag einverstanden war. Man habe, so der Bezirksleiter, über eine Eigenkündigung gesprochen. „Ansonsten hätte sie am nächsten Tag die Kündigung bekommen. Aber eine Eigenkündigung ist natürlich deutlich einfacher. Ich habe ihr aufgezeigt, was passiert, wenn sie nicht selber kündigt.“

Auf die Frage der Staatsanwaltschaft, warum eine Eigenkündigung einfacher sei, konnte der Bezirksleiter keine schlüssige Antwort geben. Helena Wendland stellte das Verfahren mit Einverständnis der Staatsanwaltschaft ohne Auflage ein.