Sprockhövel. 75-Jähriger hatte nicht die Spur von Schuldbewusstsein. Am Ende gab es eine milde Geldstrafe.

Jedem Autofahrer kann es passieren: Beim Rangieren auf einem Parkplatz wird das Nachbarauto berührt oder gar angestupst. Ein 75-Jähriger zog aus seinem Fahrfehler im Januar an der Mittelstraße den falschen Schluss und wurde dabei beobachtet, wie er ohne Reaktion einfach davonfuhr. Die Folge ein halbes Jahr später: Eine Vorladung vors Amtsgericht.

Anwalt singt Lobeshymne auf seinen Mandanten

Der zuständige Richter Johannes Kimmeskamp, der höchst selten als Scharfmacher auftritt und gewiss nicht als "Richter Gnadenlos" in die Geschichte des Amtsgerichtes Hattingen eingehen wird, sah sich erwartungsgemäß mit einem Verteidiger konfrontiert, der eine Lobeshymne auf seinen Mandanten anstimmte: "Mehr als 50 Jahre fährt dieser Mann nun schon Auto, und noch nie hat er seine Versicherung mit einem Vergehen belastet." Das war als Überleitung gedacht weiteren Feststellungen des Advokaten: Der Angeklagte hat das doch alles nicht gewollt, der Schaden ist minimal, Verfahren bitte einstellen - und überhaupt: "Warum werden hier auch noch Zeugen befragt? Das ist doch alles zu viel Aufwand!"

Der Wahrheit näher kommen

"Wir wollen der Wahrheit näher kommen!", entgegnete der Richter mit Nachdruck. Das sei der Sinn dieses Verfahrens, das in der heißen Mittagszeit stattfand. Er ließ es sich nicht ausreden, sowohl eine Polizistin wie auch den Geschädigten in den Zeugenstand zu rufen. Während der 75-jährige Angeklagte aus Ennepetal eingangs behauptet hatte, gar nichts von einer Berührung eines anderen Autos in Sprockhövel bemerkt zu haben, bestätigte die 24-jährige Polizistin ihren Protokollbericht, wonach der Angeklagte bei seiner Vernehmung eingeräumt hatte, das leichte Touchieren bemerkt, es aber als "Bagatelle" abgetan zu haben, die keine Reaktion erfordert habe.

Geschädigter voll versöhnt mit Angeklagtem

Daraufhin schwenkte der Senior um und schloss sich seiner Polizeiaussage wieder an, ja, da habe es beim Rangieren kurz einen Widerstand gegeben, "aber es ist ja nichts passiert." Um dem eher schwach ausgeprägten Schuldbewusstsein des betagten Autofahrers etwas nachzuhelfen und den völlig ignorierten Schaden der Gegnerseite zu thematisieren, kam nun der Auftritt des Geschädigten. "Kaum der Rede wert", sagte der 43-jährige Sprockhöveler zur Überraschung aller Anwesenden, lediglich ein paar Kratzer auf der Stoßstange seines Jeeps. "800 Euro habe ich für die Schadensregulierung bekommen." Am Ende wurde das Verfahren tatsächlich eingestellt - vorläufig, bis der Angeklagte eine Geldstrafe von 300 Euro an eine karitative Einrichtung bezahlt hat.