Oberhausen. Gibt es noch Hoffnung für Styrum? Die Bewohner des „Dörfchens“ am Rande der City fühlen sich abgehängt und von der Politik im Stich gelassen.

Flickenteppich Styrum: Notdürftig gestopfte Löcher im Asphalt, renovierungsbedürftige Fassaden, Leerstände, vermüllte Straßenränder. Die Bewohner des Ortsteils fühlen sich, wie unser Stadtteil-Check zeigt, von der Politik im Stich gelassen. Dabei könnte doch alles so schön sein.

Denn Styrum ist – wie Biefang – ein Dorf in der Stadt geblieben. „Wenn Sie hier beim Bäcker etwas über jemanden sagen, müssen Sie damit rechnen, dass er es erfährt“, erzählt Daniel Kabuth schmunzelnd. Der Inhaber von „Rademacher Bestattungen“ wünscht sich nicht nur für seine Firma einen würdevolleren Rahmen. Dirk Heßhaus, erster Vorsitzender der Interessengemeinschaft Oberhausen-Styrum, kann da nur zustimmen: „Styrum könnte mit diesen wundervollen Jugendstil-Fassaden wieder das Schmuckkästchen von Oberhausen sein, sie müssten nur renoviert werden und nicht so vor sich hingammeln.“

Nur einige der Teilnehmer des Rundgangs durch Styrum: (v.li.) Hans Gerd Tenoth, Dietmar Banowski, Daniel Kabuth, Jana Stolz, und Dirk Heßhaus.
Nur einige der Teilnehmer des Rundgangs durch Styrum: (v.li.) Hans Gerd Tenoth, Dietmar Banowski, Daniel Kabuth, Jana Stolz, und Dirk Heßhaus. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Michael Ossig vom Styrumer Bürgerverein ergänzt: „Aber auch die Größe der Wohnungen müsste man anpassen.“ Die seien in der Regel nur rund 60 Quadratmeter groß. „Ich kenne mehrere Familien, die mit ihren Kindern gerne nach Styrum gezogen wären, aber einfach nichts Passendes finden konnten – das zieht die jungen Leute aus dem Stadtteil heraus.“ Eine fatale Entwicklung, bestätigt Holger Körber (Vorstand IG Oberhausen-Styrum). Denn: „Wenn es in einem Ortsteil keine Familien mehr gibt, muss die Stadt auch nicht mehr in eine familienfreundliche Infrastruktur investieren.“ Damit erhalte die längst eingesetzte Abwärtsspirale neuen Schwung. Dabei soll es doch endlich erneut aufwärts gehen.

Häuser gehören Eigentümern im Ausland

Dafür lässt Daniel Kabuth den Bürgersteig vor seiner Geschäftstür regelmäßig reinigen. Und dafür greift Dirk Heßhaus selbst zum Besen und fegt dann gleich vor den Türen der Nachbarn mit. Immer wieder sucht er das Gespräch mit Hauseigentümern. „Einige sind einsichtig und machen jetzt regelmäßiger sauber.“ Die meisten aber erreicht er gar nicht. „Viele Immobilien sind verkauft worden, gehören Eigentümern in Recklinghausen, Berlin oder sonst irgendwem im Ausland.“ Die wenigsten aber kümmerten sich um ihre Häuser. „Nicht einmal, wenn Wohnungen oder Geschäfte leer stehen“, bedauert Heßhaus.

Ein Dauerärgernis: Die Schlaglöcher in der Akazienstraße.
Ein Dauerärgernis: Die Schlaglöcher in der Akazienstraße. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

So wie die beiden Ladenlokale an der Lothringer Straße. Dabei hätte es für eines jetzt durchaus ernsthafte Interessenten gegeben. Jana Stolz gehört dazu, die mit ihrer Schwester den Blumen- und Dekorationsladen „Floristeria“ an der Langemarkstraße betreibt. „Wir würden uns so gerne nach Styrum verlagern.“ Das Ladenlokal, das ein Zoohandel vor zwei Jahren geräumt hatte, fiel ihr ins Auge. Auf den ersten Blick schien es perfekt. „300 Quadratmeter und ein Keller.“ Auf den zweiten Blick bestand erheblicher Renovierungsbedarf. „Einfachverglaste Fensterfronten und die Kabel hingen auch aus der Decke.“ Dennoch, Jana Stolz wäre bereit gewesen zu investieren. „Doch der Vermieter verlangte eine monatliche Kaltmiete von 1500 Euro.“ Die Sanierung hätte sie außerdem alleine tragen sollen. „Das geht natürlich gar nicht.“

Hans Gerd Tenoth vom Styrumer Bürgerverein sagt: „Vermieter, die in ihre Immobilien kaum investieren, aber damit möglichst viel Geld verdienen wollen, gibt es in Styrum reichlich.“ Die Styrumer wünschten sich in diesem Punkt deutlich mehr Unterstützung von ihrer Stadt.

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„Für Styrum müsste es Stadtteilprojekte geben, die zum Beispiel eine Renovierung der Altbauten anregen und den Hausbesitzern dann auch bei der Beantragung von Fördermitteln helfen“, sagt Hans-Jürgen Köhler. Als einziges Ratsmitglied (CDU) aus Styrum (bis zur Kommunalwahl am 13. September) aber habe er oft auf verlorenem Posten gestanden.

Fünf Jahre lang für Tempo 30 auf der Lothringer Straße gekämpft

Fünf Jahre lang habe er sich dafür stark gemacht, dass auf der Lothringer Straße Tempo 30 gilt. Vergeblich. „Nur auf einem kleinen Teilstück in Höhe des Kindergartens gilt inzwischen eine Geschwindigkeitsbegrenzung, dabei rasen die hier auf der ganzen Straße.“

Weg macht es niemand: Grassbüschel wachsen zwischen den Pflastersteinen am Martin-Heix-Platz.
Weg macht es niemand: Grassbüschel wachsen zwischen den Pflastersteinen am Martin-Heix-Platz. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Auch beim Thema Parken bewege sich in dem Stadtteil seit Jahren nichts. Das spüren vor allem die Geschäfte an der Lothringer Straße. Dabei gibt es sie hier sogar noch, die kleinen Traditionslädchen, die eine Stadt so lebenswert machen: „Landhausmoden“ gehört sicher dazu, aber auch „Strahler“, Meisterbetrieb für Gardinen und Dekoration. Dann wären da noch „FussBalance“, Hotel und Gaststätte „Zur Bauernstube“ und die kleine Kneipe „Zum Bitchen“, nicht zuletzt die Bäckerei „Agethen“. „Die würden sich alle über mehr Parkplätze für ihre Kunden freuen“, ist sich Köhler sicher. Michael Ossig hofft auf die angekündigten Investitionen der nahe gelegenen Helios St.-Elisabeth-Klinik. „Wir hatten vorgeschlagen, dass die Klinik in diesem Rahmen auch ein öffentlich zugängliches Parkhaus baut, mal schauen, ob zumindest daraus etwas wird.“

Auf neue Straßenbeläge müssen die Styrumer ebenfalls noch warten: „Die gibt es für unseren Stadtteil nur im Zuge von Kanalarbeiten.“ So wie an der Landwehrstraße. Und da seien die Anwohner gleich mit hohen Kosten beteiligt worden. „Komisch nur, dass die Kanalbauarbeiten dann abrupt genau in Höhe des städtischen Friedhofes endeten“, unkt Holger Körber. So wie viele Styrumer glaubt auch er: „Das war Absicht, damit die Stadt hier Kosten einspart.“

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Die Wut der Styrumer auf die Politik ist auch bei diesem Rundgang deutlich spürbar. „Hans-Jürgen Köhler ist damit aber nicht gemeint, der hat sich immer sehr für uns ins Zeug gelegt“, bescheinigt Hans Gerd Tenoth dem Stadtverordneten, der nach der Kommunalwahl aus dem Rat ausschied. Aber Köhler habe sich halt immer auf verlorenem Posten befunden. Die Styrumer finden, dass sich der Rat sonst eben kaum für ihre Belange interessiert. Eine schwere Aufgabe, die nun Köhlers Ratsnachfolger Andreas Völker bewältigen muss.

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Das zeigt der Stadtteil-Check deutlich: Einkaufen, Freizeit, Sauberkeit, Parkplätze – diese Themen erhalten alle Noten schlechter als 4,00. Auch die Politik schneidet mit 4,41 in Styrum besonders schlecht ab – und belegt in diesem Punkt sogar den letzten Rang aller Stadtteile (Frage war: „Wie bewerten Sie den Einsatz von Kommunalpolitikern und Stadtverwaltung für Ihren Stadtteil?“). Als Gesamtnote geben die Styrumer ihrem Stadtteil nur eine 3,05 – das entspricht dem viertletzten Platz im Ranking.

Immerhin: Mit der Anbindung an den Nahverkehr sind die Styrumer zufrieden. Und auch die medizinische Versorgung vor allem durch die Helios St. Elisabeth Klinik stufen sie als ordentlich ein (beides besser als 3,00).

Alle Zeugnisse der Stadtteilcheck-Serie finden Sie hier.

Alle bisher erschienenen Folgen der Stadtteilcheck-Serie finden Sie hier.

14 Fragen an Leser für den Stadtteil-Check

Im Februar 2020 haben wir Leserinnen und Leser aufgefordert, 14 Fragen zu beantworten. Mitgemacht haben 3490 Leserinnen und Leser aus Oberhausen. Sie beantworteten mindestens zehn der 14 Fragen, die folgendermaßen lauteten:

In welchem Stadtteil leben Sie?

Wie beurteilen Sie die Sicherheit in Ihrem Stadtteil?

Wie bewerten Sie den Einsatz von Kommunalpolitikern und Stadtverwaltung für Ihren Stadtteil?

Wie beurteilen Sie die Sauberkeit in Ihrem Stadtteil?

Wie bewerten Sie den Nahverkehr in Ihrem Stadtteil?

An die Autofahrer: Wie ist die Parkplatzsituation in Ihrem Stadtteil?

Wie beurteilen Sie die medizinische Versorgung in Ihrem Stadtteil?

Wie beurteilen Sie die Seniorenfreundlichkeit in Ihrem Stadtteil?

Vergeben Sie eine Schulnote für die Kinderfreundlichkeit in Ihrem Stadtteil.

Vergeben Sie eine Schulnote für die Einkaufsmöglichkeiten in Ihrem Stadtteil.

Wie ist das gastronomische Angebot in Ihrem Stadtteil?

Wie beurteilen Sie das Freizeit- und Naherholungsangebot in Ihrem Stadtteil?

Vergeben Sie eine Schulnote für das Gemeinschaftsgefühl in Ihrem Stadtteil.

Wie gerne leben Sie in Ihrem Stadtteil? Welche Gesamtnote geben Sie Ihrem Stadtteil?