Oberhausen.
Über den verwaisten Schulhof des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums hallt der Kindergesang: „Die alte Moorhexe hext - im Teufelsmoor herum.“ Stühle und Tische sind an diesem Samstagmittag in der Aula wild zusammengeschoben, eine freie Fläche vor der Bühne haben sich die Fünftklässler so geschaffen. „Dreht sich wild zum Tanze um“, singen sie dort und beginnen bald selbst, sich im Gleichklang zur Klaviermusik dazu zu bewegen.
Nora Pfahl beobachtet das Treiben genau. Immer wieder nickt die Tanzpädagogin, vom renommierten Düsseldorfer Tanzhaus NRW ist sie nach Sterkrade gekommen. Seit den Morgenstunden übt die 34-Jährige mit den Schülern, ein erster Workshop für eine neue künstlerische Klasse am Gymnasium: die Mu.Si.Cal-Klasse.
Zusätzlicher Förderunterricht
Musizieren, singen und tanzen stehen in dieser stadtweit besonderen „Profilklasse“ im Vordergrund. Dabei besuchen die Kinder in der fünften und sechsten Klasse zusätzlich zum regulären Unterricht stundenweise Förderunterricht.
Der Trend zu solchen Angeboten steigt mit dem zunehmenden Wettbewerb unter Schulen: So haben alle Oberhausener Gymnasien eine Profilklasse. Am „Freiherr“ gab es bisher eine naturwissenschaftliche Klasse, im musischen Bereich, so drückte es der kürzlich pensionierte Schulleiter Klaus Nieswand aus, „fehlte uns ein Knaller“.
22 Kinder wurden zur Musical-Klasse angemeldet, sie nehmen an Wochenendworkshops teil, entwerfen Kostüme, sind auch im Orchester oder Chor aktiv, haben diverse Auftritte. Klassenlehrerin Gerda Hellweg plant auch einen mehrtägigen Sommerworkshop. „Am Ende der zwei Jahre werden die Kinder ein Musical aufführen, die Rollen casten wir richtig.“
"Ein guter Ausgleich"
Gesangsunterricht haben die Schüler auch, unter anderem mit Dagmar Seifert. Kinder verlernten häufig, so die Stimmbildnerin, wie hoch sie singen können. „Sie wissen nicht, was ihre Stimme leisten kann.“ Das meint Seifert längst nicht nur buchstäblich: Jede Stimme gebe es nur einmal auf der Welt, „sie auszubilden, heißt auch, ein Stück zu sich zu finden“.
Nora Pfahl ergänzt dies im Workshop: „Es geht nicht ums Vormachen, die Kinder denken kreativ und sich selbst Schritte aus.“ Daran hat Paula Spaß, wie die Zehnjährige verrät. „Ich finde Schauspielern auch toll, wenn man in eine andere Rolle schlüpfen kann.“ Von ihren Vorbildern erzählen die Schüler aufgeregt, davon, wie gerne sie singen, tanzen – und musizieren, sagt Julien, einer von fünf Jungen in der Klasse: „Ich spiele Trompete.“
Die Eltern warten schon ungeduldig: In der kommenden Woche werden sie ihre Kinder erstmals im kleinen Kreis auf der Bühne sehen. Sanya Arenja freut sich darauf: „Musik und Tanz ist für die Kinder ein guter Ausgleich.“
"Profilklassen bilden keine Elite aus"
Die Profilklassen in Oberhausen und in der Region sind weit gefächert und werden zunehmend mehr. Erfasst werden sie zentral von der Düsseldorfer Bezirksregierung, deren Sprecherin deutlich macht: Bei den Profilklassen gehe es nicht darum, eine Art „Elite“ auszubilden.
„Die Klassen müssen so ausgelegt sein, dass alle Kinder an diesem Unterricht teilnehmen können und die Bildungschancen für alle gewahrt bleiben.“ Es stehe immer die individuelle Förderung im Vordergrund und nicht die von bestimmten Gruppen.
Seit etwa fünf Jahren gibt es die „Mint“-Klassen, kurz für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, die auf Bundesinitiative auf den zunehmenden Facharbeitermangel in naturwissenschaftlichen Berufen reagieren. Das Sophie-Scholl- und das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium bieten Mint-Klassen an, auch die Friedrich-Ebert-Realschule ist eine zertifizierte Mint-Schule.
Bilinguale-Klassen am Heinrich-Heine-Gymnasium
Seit 2007 gibt es im Bezirksregierungsbezirk Bläserklassen, Schüler können sie am Sophie-Scholl-, Elsa-Brändström- und Berta-von-Suttner-Gymnasium besuchen. Am Heinrich-Heine-Gymnasium gibt es Klassen, in denen der Unterricht auch zweisprachig geführt wird. Die Gesamtschule Alt-Oberhausen hat zudem eine Sport-Klasse. An Grund- und Förderschulen in Oberhausen gibt es keine Profilklassen, an St. Michael (Hauptschule) eine für die Berufsvorbereitung.
Finanziert werden Materialien oder externe Kräfte für diese Angebote durch verschiedenste Mittel. Es sind auch die Fördervereine der Schulen, die die Profilklassen unterstützen.