Oberhausen. .
Zugegeben, kurz vor 7 Uhr ist nicht der beste Zeitpunkt für einen Termin mit der Presse. Aber dann geht es ja auch nicht um irgendetwas: Es geht um das Hallenbad in Sterkrade. Um den Haushalt der Stadt zu entlasten, so schlagen die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young in ihrer 213-Punkte langen Sparliste vor, solle die Verwaltung dieses Bad sowie das neue in der Oberhausener City schließen.
Von zahlreichen Bürgern hagelte es bereits Kritik für diese Idee. In einem besonders bewegenden Leserbrief tritt Uschi Dorroch (64) mit leidenschaftlichen Worten für das Sterkrader Bad ein. Weil es eine Sportstätte ist, sicher, aber auch, weil es sich zu einem wichtigen Treffpunkt für ältere Menschen gemausert habe, der in Zeiten zunehmender Vereinsamung dringend zu erhalten sei. „Kommen Sie vorbei“, sagt Uschi Dorroch am Telefon. „Sie werden sehen, was ich meine.“
Im Sterkrader Bad ist an diesem sonnigen Morgen Hochbetrieb. Rechts und links ziehen rund 40 Badegäste ihre Bahnen, „mach dich nicht so breit“, ruft einer, „sagt der Richtige“, die andere. Man quatscht, neckt sich, diskutiert am Beckenrand die neuesten Fußballergebnisse. „Soll ich euch einen Stehtisch holen“, scherzt Uschi Dorroch.
Aus gesundheitlichen Gründen hat sie vor drei Jahren mit dem Frühsport angefangen. Erst war es ein Muss, „doch dann habe ich die Menschen hier kennen gelernt“. Senioren, viele verwitwet, manche alleine, Menschen, die sich einst als Fremde beim Schwimmen begegnet sind und heute so vertraut miteinander umgehen als wären sie alte Bekannte.
In ihrer Gruppe gebe man sich Halt, sagen die Frühschwimmer. Eine ganze Traube von ihnen ist an den Beckenrand gekommen, um für ihr Schwimmbad Partei zu ergreifen. „Wir wären noch viel mehr“, sagen sie, einer zum Beispiel fehle aber wegen eines Arzttermins, eine Mutter, die mit ihrer behinderten Tochter immer komme, sei im Urlaub.
Die Frühschwimmer halten zusammen
Das wissen die Frühschwimmer genau, sie geben aufeinander Acht: Wenn mal einer fehlt und keiner weiß, warum, wird zur Telefonliste gegriffen. Nachfragen: Alles okay bei dir? An Geburtstagen sammelt die Gruppe für ein Geschenk, bringt im Schwimmbad ein Ständchen.
Von vielen Schicksalen berichten die Frühschwimmer: Da ist der Witwer, der einen Tag nach dem Tod seiner Frau zum Schwimmen kam, weil er nicht allein sein wollte. Da ist die Witwe, die dankbar für die Teilnahme ist, wenn sie mal weinen muss. Da ist der Senior, der nach einer Operation ins Hallenbad kommt, nur um kurz Hallo zu sagen – obwohl er gar nicht ins Wasser darf. „Kummer und Sorgen teilen wir“, sagt Katharina Merta (79), „ein gelebtes Miteinander“.
Der Aquapark in Oberhausen ist keine Alternative für die Senioren
Natürlich könnte man sich auch im Café treffen, aber dann fehle doch der Sport, sagt Margrit Eiler. Mit ihren 88 Jahren ist sie die Zweitälteste in der Gruppe, zum Laufen braucht sie eine Gehhilfe. „Das Schwimmen hält mich gesund. Ich möchte es nicht missen.“
Der Aquapark in der Neuen Mitte wäre nach einer Schließung der beiden Hallenbäder das einzige Schwimmbad in Oberhausen. Dort bald Bahnen zu ziehen, das kann sich keiner in der Runde vorstellen. „Das ist für uns keine Alternative. Der Weg ist sehr weit“, sagt Lisa Vogt (59), die seit Januar zu den Frühschwimmern gehört. „Wir passen da auch nicht hin, das ist ein Spaßbad für junge Menschen“, ergänzt Uschi Dorroch.
Die Frühschwimmer würden sogar erhöhte Preise hinnehmen
Um ihr Hallenbad zu erhalten, sagen die Senioren auf dem Weg in die Umkleiden, würden sie Preiserhöhungen hinnehmen, auch könne man sicher mit bestimmten Angeboten die Besucherzahlen erhöhen, um das Bad besser auszulasten, so ihr Vorschlag.
Die Idee der Verwaltung, statt der Hallenbäder die Lehrschwimmbecken aufzugeben, die Schulen für ihren Unterricht nutzen, unterstützen viele. Uschi Dorroch meint dazu: „Hier im Hallenbad lernen Schüler auch, sich die Bahnen zu teilen. Das ist genau die wichtige soziale Komponente, von der wir hier sprechen.“