Oberhausen. . Redakteurin Stephanie Weltmann beschreibt ihren Wiedereintritt in die evangelische Kirche. Pastor Stefan Züchner nahm in den letzten drei Jahren 150 Menschen wieder in Gemeinden auf. Für ihn zählt, „dass es jemandem wichtig ist, wieder dazu zu gehören.“

Da war nicht der eine Moment. Keine Eingebung, kein bewegendes Gespräch – ich hatte sehr pragmatische Gründe, warum ich an diesem Morgen die Telefonnummer von Pastor Stefan Züchner wählte. „Ich möchte Patin meines kleinen Neffen werden. Dazu muss ich wieder in die evangelische Kirche eintreten. Machen Sie das?“ Der Pastor nahm meine Offenheit mit Humor. Er lachte – und lud mich ein zum Gespräch.

An Ostern und Weihnachten sind die Kirchen voll. Das Bild trügt: In Oberhausen schrumpfen die christlichen Gemeinden. Das hat natürliche Gründe: Es sterben mehr Menschen als Kinder geboren werden. Andere ziehen weg, weil Arbeitsplätze fehlen. Kirchenskandale tun ihr Übriges. 2013, im Jahr des Ärgers um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst, kehrten 817 Protestanten und Katholiken in Oberhausen den Kirchen den Rücken. 270 mehr als 2012. Warum jemand austritt, darüber können die Gemeinden nur mutmaßen; für den Austritt geht man zum Amtsgericht, nicht zum Pastor. Ein Verwaltungsakt.

"Geschichten wie Ihre höre ich häufig"

Wie die meisten Kinder in meiner Nachbarschaft in Alsfeld wuchs ich in einer Familie auf, die durch christliche Werte geprägt ist. Ausgesprochen religiös waren wir nicht. Wir gingen nicht jeden Sonntag zum Gottesdienst ins Dietrich-Bonhoeffer-Haus, aber Gemeindefeste besuchten wir. Ich erinnere mich ans Beten mit der Oma, damit Gott auf meine Familie aufpasse. Als alten Mann mit Rauschebart hab ich mir ihn vorgestellt. Die Konfirmation mit 14 Jahren hat mich näher an die Sterkrader Gemeinde an der Mozartstraße gebracht. Ich half beim Kindergottesdienst.

Für die Tochter meiner Cousine stand ich stolz zum ersten Mal Patin. Als mich der Abitur-Stress übermannte, dachte ich sogar kurz daran, Theologie zu studieren. Ich dachte, das ist ein sicherer Job. Nach dem Abi lockte mich aber das Abenteuer. Ich zog weg, reiste, lernte andere Kulturen kennen. Kirche rückte in den Hintergrund. Mit dem ersten kleinen Gehalt kam die Frage: Warum zahlst du Steuern an einen Club, von dem du nichts hast? Ich trat aus.

Als ich Pastor Stefan Züchner davon erzähle, nimmt er mir die Gedanken nicht übel. Er ermahnt nicht, er sagt nicht, dass es in der Kirche eben nicht darum geht, dass man gegen Geld eine Leistung erhält. Er sagt nur: „Geschichten wie Ihre höre ich häufig. Lassen Sie uns drüber sprechen.“

150 Menschen wieder aufgenommen

Wer im Internet nach „Kircheneintritt“ und „Oberhausen“ sucht, der landet beim Kirchenzentrum am Centro. In dem schlichten Bau mitten in der bunten Kommerzwelt führen Pastor Stefan Züchner und Constantin Rhode die Wiedereintrittsgespräche für die evangelische bzw. katholische Kirche. Von 2010 bis 2013 hat Züchner hier rund 150 Menschen wieder in die Kirche aufgenommen.

Züchner nimmt sich über eine Stunde für mich Zeit. Wir reden über die Friedensarbeit des Oberhausener Kirchenkreises, über meinen Neffen, Traditionen. Züchner nennt drei Gründe, warum Menschen zur Kirche zurückfinden. Da sind die pragmatischen Rückkehrer, die in der Kirche getraut oder auf einem kirchlichen Friedhof beerdigt werden wollen. Erwachsene, deren Angehörige in kirchlichen Einrichtungen betreut werden, wollen die Gemeinden unterstützen. „Viele kommen, weil sie an schwierigen Punkten in ihrem Leben sind“, sagt Züchner. Job weg, Beziehung kaputt. Kein Grund sei besser oder schlechter als der andere, meint Züchner. „Da ist es jemandem wichtig, wieder dazu zu gehören. Das zählt.“