Oberhausen. Eingängig und unterhaltsam inszeniert die Gruppe aus dem hohen Norden einen bunten Mix aus Pop, Rock, Irish Folk und Shanty. Da tanzt der Metal-Fan neben dem Schlager-Liebhaber ab. Die Formation will Deutschland beim „Eurovision Song Contest“ (ESC) in Kopenhagen vertreten.
Menschen aus dem Norden sagt man eine knorrige Nüchternheit nach. Leute, die sich mit der Pfeife im Mundwickel zum mehrstündigen Wettstarren in die Leere des Ostsee-Panoramas verabreden. Beim Konzert der Gruppe „Santiano“ am Donnerstagabend ließen sich 4500 Fans in der verkleinerten König-Pilsener-Arena keinen (See-)Bären aufbinden.
Die Gruppe aus der Umgebung von Flensburg bedient so ziemlich jedes Klischee, das in einem maritimen Museum verstauben könnte, und doch ist der stolze Fünfmaster mit Sängern, Solisten an der Geige, Schlagzeuger und Gitarrist ziemlich aus der Art geschlagen. Als Shanty-Formation wird Santiano häufig angekündigt, doch eigentlich mischt die Gruppe alles auf, was in der Musikbranche nicht niet- und nagelfest ist.
Metal-Fans stehen neben Schlager-Anhängern
Das erkennt man auch im Publikum: Da stechen Metal-Fans neben Schlager-Anhängern in See. Tanzen Befürworter irischer Folk-Lieder neben Pop-Patrioten. Volkstümliche Gemütlichkeit trifft auf Säulen aus Feuer.
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Trotz reichlich Seemannsgarn und nautisch angehauchter Geschichten wirkt Santiano, der Name leitet sich tatsächlich von einem bekannten Shanty ab, wie eine Blaupause für eine ausgewogene Konzert-Melange. Wenn Sänger Björn Both mit bassig tiefer Stimme von herzzerreißender Zweisamkeit berichtet, von hohen Wellen und liebestrunken Halunken erzählt, fühlt man sich wie im poppigen Piratenkino, das Johnny Depp mit „Fluch der Karibik“ vor nicht allzu langer Zeit im Lichtspielhaus erfand.
Doch Santiano machen nicht nur dosierten Blödsinn. Mit Pete Sage ist ein Geiger an Deck, der zwischendurch für Stille, aber nicht für Flaute sorgt, bevor wieder knarrende Instrumente wie Harpunen aufs Publikum zielen.
Wenn die einfach strukturierten, eingängigen Lieder die Fans zum Tanz animieren, vergisst man schnell, dass die Protagonisten mit einem Alter zwischen Mitte 40 und 60 nicht gerade feucht hinter den Ohren sind.
Band erst 2011 gegründet
Auch bleibt fast unbemerkt, dass sich die Musiker erst 2011 zur Band zusammenschlossen, die in Deutschland im vergangenen Jahr mit „Bis ans Ende der Welt“ prompt ein Nummer-eins-Album landete. Der Wind bläst ihnen gut in die Segel: Nun wollen Santiano das Land beim „Eurovision Song Contest“ (ESC) in Kopenhagen vertreten – am 13. März 2014 gehen sie in den nationalen Vorentscheid.
Das Konzert in Oberhausen spült mit. Ihre großen Songs „Leinen los, volle Fahrt“ und „Salz auf unserer Haut“ schwappen in der Arena früh über die Bühnenklippe. Das ist schlau: Denn dieser Applaus ebbt fortan kaum ab. Sicher werden sich strenge Fans der amerikanischen Altmeister „The Hooters“ den Zorn Neptuns wünschen, wenn Santiano die Melodie von „All you Zombies“ durch den Fleischwolf drehen und daraus in „Bis in alle Ewigkeit“ die Götter in Walhalla beschwören. Doch die gut zwei Stunden Santiano sind letztlich wie eine Butterfahrt mit Aerosmith. Harmlos, praktisch und ziemlich charmant.