Oberhausen. Was sechs Schüler der Jahrgangsstufe 11 des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums von der künftigen Bundesregierung erwarten. Mindestlohn, Bildung und Altersvorsorge sind für sie die großen Themen.

Wie wird Deutschland in dieser Legislaturperiode regiert? Alle Augen sind seit der Bundestagswahl im vergangenen Monat auf Berlin gerichtet. Große Koalition ja oder nein? – das ist eine Frage, die auch Jugendliche in Oberhausen bewegt: Sechs Schüler der Stufe 11 des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums haben im Rahmen der laufenden Projektwoche eine Politikgruppe gebildet. Sie beschreiben im NRZ-Gespräch, was sie von der künftigen Bundespolitik erwarten.

Allen Vorurteilen zum Trotz: Tatsächlich gibt es sie noch, die Jugendlichen, die an Politik interessiert sind und die deren Entwicklungen aufmerksam verfolgen. Tenor der sechs 17- und 18-Jährigen: Es sei wichtig, in Sachen Politik immer im Bilde zu sein. „Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche mit Politik konfrontiert werden“, sagen etwa Jan-Niklas und Tobias. „Gerade wenn es um Sachen geht, die Jugendliche etwas angehen.“

Große Koalition im Blick

„Uns liegen Themen wie Altersvorsorge, Umweltschutz und Schulpolitik besonders am Herzen. Zwar liegt die Zeit der Rente noch lange in der Zukunft. Jedoch ist es wichtig zu wissen, dass man im Alter vernünftig abgesichert ist“, sagt Jan-Niklas. Auch sollten Schüler, besonders wenn es um Schulpolitik geht, die Ohren offen halten. So sei das Turbo-Abitur ein großes und umstrittenes Thema.

Was derzeit in Berlin als wichtiger Punkt auf der Tagesordnung bei den Sondierungen zwischen Union und SPD steht, ist auch für die sechs Schüler von großer Bedeutung: Faire Bezahlung von Arbeitnehmern. Und hier sind alle einer Meinung: Ein flächendeckender angemessener Mindestlohn müsse eingeführt werden, damit alle für die gleiche Arbeit auch das gleiche Geld bekommen. „Denn es kann nicht sein, dass ein Leiharbeiter weniger bekommt, als ein fest Angestellter, der die gleiche Arbeit macht.“ Noch verdienten viele Menschen deutlich zu wenig: „Wenn die Menschen merken, dass sie genauso viel oder weniger Geld bekommen als ein Hartz-IV-Empfänger, könnten manche die Motivation verlieren, jeden Tag arbeiten zu gehen“, meint Cedric. Alle finden, ein Mindestlohn sollte fürs Leben ausreichen, ohne dass nebenbei andere Jobs nötig sind.

Schwache Opposition

Ist eine Große Koalition der richtige Weg für die nächsten vier Jahre? Da sind die Schüler geteilter Meinung: „Im Moment gibt es fast keine anderen Alternativen, außer eben Neuwahlen. Wobei dabei wahrscheinlich auch wieder das gleiche herauskommen würde, wenn es treue Wähler sind“, sagt Tobias. Er ist überzeugt: „Durch die SPD wird die Regierung und somit Deutschland europafreundlicher.“

Einer Koalition aus CDU/CSU und SPD steht auch Jan-Niklas kritisch gegenüber: „Insgesamt ist es aber das Beste, was jetzt passieren könnte. Der SPD kann man meiner Meinung nach mehr vertrauen, und das ist für Europa besser. So können auch Gesetze besser abgeschlossen werden.“ Nachteil einer Großen Koalition: „Es gibt nur eine schwache Opposition.“ Auch Ioannis ist zwiegespalten: „Vor allem im Hinblick auf die Energiepolitik und die nicht so starke Opposition sehe ich die Zusammenarbeit kritisch.“

Ziele und Meinungen der beiden Lager einfach zu verschieden

Andererseits: Eine schwarz-grüne Regierung hätten sich die Jungs auch nicht vorstellen können, denn dafür seien die Ziele und Meinungen der beiden Lager einfach zu verschieden. „Vor allem, wenn es um Mindestlohn und Reichensteuer geht, finden die CDU und Grüne keinen Einklang.“, sagt Tobias. „Im Hinblick auf die Reichensteuer unterstütze ich die Meinung der CDU. Denn es ist umstritten zu sagen, wann man wirklich reich ist. Die, die für ihr Geld hart arbeiten, sollten dafür auch belohnt werden und ihr Geld nicht abgeben müssen.“

Auch zur Bilanz von der schwarz-gelben Regierung haben die Schüler eine Meinung. „Eigentlich haben die beiden Parteien gute Arbeit geleistet.“ In der Innenpolitik hätten sich die Sechs aber mehr Ergebnisse gewünscht.

Kein Mitleid mit der FDP

Kein Mitleid mit der an der Fünf-Prozent-Hürde gescheiterten FDP haben die sechs Bertha-Schüler. „Die FDP hat zwar schöne und vielversprechende Ziele ausgegeben – umgesetzt hat sie kaum welche davon“, so Tobias. Besonders erschreckend sei das Abschneiden der rechtspopulistischen NPD. 1,3 Prozent der Zweitstimmen seien immer noch viel zu hoch. „Ich kann diejenigen, die die NPD wählen, nicht verstehen“, sagt Jan-Niklas. „Wie sie die Vergangenheit Deutschlands so außer Acht lassen können, die noch nicht einmal 100 Jahre zurückliegt. Wahrscheinlich sind es verzweifelte Erstwähler, die schlechte Erfahrungen mit Immigranten gemacht haben, anders kann ich mir das nicht erklären.“

Auch das gute Abschneiden der eurokritischen AfD bereitet den Jugendlichen Sorgen. „Die Ansichten der AfD sind nicht vertretbar“, meint Tobias. „Würde man den Euro in Deutschland abschaffen, würde die ganze Wirtschaft zusammenbrechen, denn ein Austritt aus der EU würde den Untergang für viele andere europäische Länder bedeuten.“ Jan-Niklas, Maik, Cedric, Ioannis und Shiyam teilen diese Meinung. „Deutschland ist eines der führenden Exportländer in Europa – da kann man den Euro nicht abschaffen. Deutschland würde nichts mehr exportieren, und das hätte einen Zusammenbruch der Wirtschaft zur Folge.“

Recht auf ein sicheres Leben

Die steigende Zahl von Zuwanderern und die zuletzt diskutierte Frage, ob EU-Bürger aus anderen Ländern in Deutschland Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen haben, bewegt auch die Schüler des Bertha. Tenor: Jeder Mensch sollte das Recht auf ein sicheres Leben haben, und wenn er dieses in Deutschland findet, ist das gut. „Ich kann Familienväter aus Krisenländern verstehen, die nach Deutschland aus Sicherheitsgründen kommen“, sagt Tobias. „Dennoch belastet es die Steuerzahler. Es müsste also eine Lösung gefunden werden.“

Maik ergänzt: „Klar sollten Menschen aus Krisengebieten die Chance haben, in ein sicheres Land wie Deutschland zu flüchten. Das finde ich auch gut. Doch es ist ein Unterschied, ob Menschen für ein besseres und sicheres Leben nach Deutschland kommen oder wegen des Geldes.“ Was würden die Jungs tun, wenn sie selbst regieren könnten und etwas in Deutschland verändern dürften? Sie würden die Themen Bildung und Renten anpacken, egal ob Bundes- oder Ländersache. Das Turbo-Abitur und die Studiengebühren würden sie bundesweit abschaffen. Außerdem dürften die Renten nicht weiter gekürzt werden. Insgesamt finden sie aber: „Im Vergleich zu anderen Ländern geht es Deutschland aber echt gut.“