Oberhausen. . Peter Dück hat in seiner Zeit als Amtsrichter schon eine Menge erlebt. In der WAZ schildert er einige ungewöhnliche Fälle - heute eine mysteriöse Gewalttat, für die um ein Haar ein Unschuldiger verurteilt worden wäre.

Was da in einer Nacht an einer Tankstelle im Bereich des Centro geschieht, bleibt völlig unerklärlich. Dück ruft schockierende Bilder von Tankstellen-Videos in Erinnerung. Zunächst ist darauf ein reichlich beschwipster Mann zu sehen, der über den Gehweg torkelt. Zeitgleich will ein Volvo-Fahrer mit seinem Wagen vom Tankstellen-Gelände wieder auf die Straße fahren. Der Autofahrer in dem Pkw mit niederländischem Kennzeichen muss warten, weil genau in diesem Moment der Betrunkene langsam die Tankstellenausfahrt entlang wankt.

Dann geschieht es: Der Fahrer springt plötzlich aus dem Auto und schlägt den schwankenden Mann so brutal zusammen, dass dieser schwerste Hirnverletzungen erleidet. „Der Mann wird körperlich immer schwer behindert bleiben“, sagt Dück über die tragischen Folgen der massiven Schläge.

Nach der Gewalttat steigt der Fahrer wieder in den Pkw, in dem noch weitere Männer sitzen, und fährt davon. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Der Volvo aus den Niederlanden ist gestohlen. Keine Spur führt zum Schläger.

"Aktenzeichen XY ungelöst" zeigt Tankstellenvideos

Bis zu dem Tag, an dem in der niederländischen Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ der Fall vorgestellt wird. „Die Videos von der Tankstelle werden dort gezeigt“, sagt Dück. Danach meldet sich tatsächlich ein Niederländer, der über den Schläger sagt: „Den kenne ich.“

Der vermeintliche Täter, ein Deutscher, wird festgenommen und kommt in Haft. Doch der Mann streitet den Vorwurf vehement ab. „Ich habe mir dann die Tankstellen-Videos besorgt“ erzählt Dück. Die nicht allzu guten Aufnahmen werden optimiert so weit das geht. Dennoch müssen der Richter und fünf weitere Leute, die zu Rate gezogen werden, schließlich sagen: „Der Verdächtige ist nicht der Mann auf den Videos.“

Was also tun? Dück versucht, an weitere Aufnahmen zu kommen. „An den Centro-Autobahn-Auffahrten gibt es Mautstellen mit Kameras, die gute Bilder machen“, sagt er. Die Bilder bleiben jedoch unter Verschluss. „Sie dürfen nur zu Mautzwecken herausgegeben werden“, bedauert der Jurist.

Streit im Puff könnte das Motiv sein

Dück bittet auch den Niederländer, der die Anschuldigungen erhoben hat, nach Deutschland zu kommen. Der Mann weigert sich, obwohl ihm „Freies Geleit“ zugesichert wird. Das heißt, er hätte auf keinen Fall verhaftet werden und unbehelligt wieder in die Niederlande zurückreisen dürfen.

Schließlich stellt sich heraus, dass der Holländer der Intimfeind des Deutschen ist. „Die beiden haben sich wahrscheinlich wegen eines Streits um einen Puff verzankt“, vermutet der Richter. Er sagt: „Jetzt ist klar, da sollte einer aus Rache reingelegt werden.“

Zu diesem Zeitpunkt hat der vermeintliche Schläger bereits sechs Wochen in Haft gesessen. „Er ist dafür natürlich entschädigt worden“, erklärt Dück. Für ihn ist dieser Fall ein typisches Beispiel dafür, wie bei Polizei und Justiz etwas schief laufen, aber auch wieder richtig gestellt werden kann.

Der tatsächliche Täter wird allerdings nie gefasst.