Duisburg/Xanten/Emmerich.. Der Tote ohne Kopf, Arme und Beine ist identifiziert: Nach der vorigen Sendung „Aktenzeichen XY“ im ZDF gingen etwa 50 Hinweise zum Torso aus dem Rhein ein. Der Tote ist ein Duisburger (74). Der war wegen eines Fehlers in einem Lehrbuch, so die Polizei, aus dem Raster der Ermittler gefallen.

Fast ein Jahr lang hat dieser ungeklärte Todesfall die Duisburger Kriminalpolizei und die Gerichtsmedizin beschäftigt – nach dem Anruf eines Zuschauers in Folge der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ scheint er nun geklärt: Der unbekannte Tote aus dem Rhein, dessen zerstückelte Wasserleiche ein Angler am 3. Oktober 2011 in Xanten am Rhein entdeckte, ist ein als vermisst gemeldeter Senior aus Duisburg.

Die Beine, die Arme und der Kopf der Leiche waren abgetrennt worden, weshalb die Ermittler zunächst von einem Kapitalverbrechen ausgegangen waren: „Die Schnitte wurden symmetrisch durchgeführt. Wir können eher ausschließen, dass die Gliedmaßen durch eine Schiffsschraube abgetrennt wurden“, betonte damals Kriminalhauptkommissar Hubert Ensink. Die Ermittler im „Torso-Fall“ stellten sich vor allem die Frage, warum niemand den Mann vermisste.

Nachbar des Toten gab den entscheidenden Hinweis

Die Antwort lautet: Er wurde vermisst. Die Erklärung, warum die Ermittler die Spur dennoch nicht aufnahmen, verwundert zumindest:

Ein Fehler in einem Lehrbuch hinderte sie laut Polizei Duisburg daran, den Toten aus dem Rhein schneller zu identifizieren (v. l.): Rechtsmedizin-Oberarzt Dr. Matthias Schubries, Kriminalhauptkommissar Michael Thielkes und Rechtsmedizin-Leiter Dr. Lars Althaus, hier im Obduktionsraum des Klinikums Duisburg. Foto: Stephan Eickershoff/WAZFotoPool
Ein Fehler in einem Lehrbuch hinderte sie laut Polizei Duisburg daran, den Toten aus dem Rhein schneller zu identifizieren (v. l.): Rechtsmedizin-Oberarzt Dr. Matthias Schubries, Kriminalhauptkommissar Michael Thielkes und Rechtsmedizin-Leiter Dr. Lars Althaus, hier im Obduktionsraum des Klinikums Duisburg. Foto: Stephan Eickershoff/WAZFotoPool © WAZFotoPool | WAZFotoPool

Der Senior war am 6. Oktober 2011 von seiner getrennt lebenden Ehefrau vermisst gemeldet worden. Weil er aber 1,70 Meter groß war, gingen die Ermittler der Spur nicht nach. Die Rechtsmediziner hatten nämlich anhand des Oberschenkelknochens errechnet, dass der Tote eine Körpergröße zwischen 1,84 und 1,92 Meter gehabt haben sollte. (Der Unterkörper war am 6. Oktober in Emmerich angeschwemmt worden.) Ursache dieses Rechenfehlers, so die Polizei, „war eine fehlerhafte Formel in der Neuauflage des Lehrbuches ‘Todesermittlung. Bestandsaufnahme & Spurensicherung“, das laut Untertitel „Medizinische und kriminalistische Grundlagen für die Todesermittlung“ vermittelt.

Am 31. Oktober also stellte Moderator Rudi Cerne in seiner ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ den Duisburger Torso-Fall vor, befragte Kommissar Michael Thielkes dazu. Als sich nach der Sendung ein Nachbar des Vermissten meldete, gab er den Ermittlern neuen Anlass zum Abgleich: Der Anrufer wies darauf hin, dass sein Nachbar immer noch nicht aufgetaucht war. Die Polizei ließ DNA-Material des vermissten Duisburgers beim Landeskriminalamt (LKA) untersuchen und mit dem des Torsos vergleichen. Danach stand fest: Der Vermisste ist tatsächlich der Tote aus dem Rhein.

Kripo geht von Suizid aus

Die Ermittlungen dauern noch an, die Kripo geht jedoch nun von einem Selbstmord aus. Dass die Wasserleiche von einer Schiffsschraube zerstückelt worden war, hatten die Ermittler ursprünglich ausgeschlossen.

Den Fehler in der Formel haben die Rechtsmediziner und die Ermittlungsbehörden dem Wissenschaftsverlag übrigens mittlerweile gemeldet. Die aktuelle Ausgabe des Buches wurde vom Wissenschaftsverlag Springer in Heidelberg, einer Zweigniederlassung der Berliner Springer-Verlag GmbH, herausgegeben. (pw)