Oberhausen. Ärzte, Anwälte, Banker und Firmenchefs gründen einen Ableger des Vereins MÜSIAD aus Istanbul. Vorsitzender Mustafa Kocaoğlu über notwendige Lobbyarbeit und eigene Versäumnisse.

Deutsche Ausbildung, türkischer kultureller Hintergrund – Menschen wie den Anwalt und Unternehmer Mustafa Kocaoğlu (35) gibt es viele im Ruhrgebiet. In Oberhausen haben sie sich zu einem Verein unabhängiger Industrieller und Geschäftsleute zusammengeschlossen. Der gebürtige Oberhausener Kocaoğlu ist Vorsitzender des neu gegründeten Vereins und erklärt im Interview, warum deutsch-türkische Geschäftsleute auf ein Netzwerk wie dieses angewiesen sind.

Was steckt hinter Ihrer Vereinsbezeichnung „MÜSIAD Ruhrgebiet“?

Mustafa Kocaoğlu: MÜSIAD steht für Müstakil Sanayici ve is Adamları Derneği, auf Deutsch: Verein unabhängiger Industrieller und Geschäftsleute. Wir sind ein Ableger des türkischen Muttervereins, der 1990 in Istanbul gegründet wurde und dort seinen Hauptsitz hat. In der Türkei hat MÜSIAD 6800 Mitglieder, in Deutschland gibt es zehn Ableger mit insgesamt 1000 Mitgliedern. MÜSIAD Ruhrgebiet konzentriert sich auf Oberhausen und Essen.

Wer ist in Oberhausen/Essen dabei?

Kocaoğlu: Wir haben 36 Mitglieder aus den Sektoren Automobil, Bau, Dienstleistung, Bankwesen und Jura. Darunter Ärzte, Anwälte, Immobilienmakler und Steuerberater. Hinzu kommen 17 Mitglieder aus unserer Sparte Young MÜSIAD, das sind Studenten und Jungunternehmer zwischen 18 und 30 Jahren.

Was ist das vorrangige Ziel?

Kocaoğlu: Wir wollen, dass türkeistämmige Unternehmer sich zusammentun, ein Netzwerk bilden. Wirtschaftlich gesehen haben sie längst enorme Macht, das wird aber nicht wahrgenommen. Diese Gruppe hätte gar keine Lobbyarbeit nötig, wenn sie sich richtig assimiliert hätte.

Was meinen Sie damit?

Kocaoğlu: Förderungen und andere Programme vom Staat oder von der IHK werden nicht wahrgenommen. Oder es wird blind drauflosgegründet, ohne ein Gewerbe anzumelden. Dann kommt die Behörde und der Laden kann zumachen. Bei der ersten Generation liegt das an der Sprachbarriere. Aber selbstkritisch muss man auch sagen: Unsere Leute sind zu faul, um sich zu informieren. Wir helfen unseren Mitgliedern bei Behördengängen und geben rechtlichen Beistand.

Ihr Verein hat auch ethische Richtlinien. Welche sind das?

Kocaoğlu: Wir haben eine Warteliste mit 50 Anwärtern, aber wir nehmen nicht jeden auf. Es gibt Grundsätze, an die sich unsere Mitglieder halten müssen. Unsere Arbeit beruht auf Gleichheit, Fairness und Gerechtigkeit. Dabei geht es nicht nur darum, dass zwei Geschäftspartner fair miteinander umgehen. Wir wollen Gewinne erwirtschaften, ohne den Konsumenten über den Tisch zu ziehen. Und auch die Mitarbeiter müssen gerecht behandelt werden. Unsere Mitglieder haben Familien und sind auch an sozio-kulturellen Themen interessiert. Wir wollen Vereine und Projekte unterstützen und uns auch zu Wort melden.