Oberhausen. Der vierjährige Güven Demir aus Oberhausen hat eine Hirnerkrankung. Die sogenannte Doman-Therapie soll Abhilfe schaffen. Täglich muss er ein strammes, mehrstündiges Trainingsprogramm absolvieren. Das ist ohne ehrenamtliche Helfer nicht zu schaffen.
Wer bei Familie Demir in Sterkrade klingelt, kann nie wissen, wer die Tür zur Wohnung öffnet. Vielleicht Beate Schossau aus Schmachtendorf. Vielleicht Harro Böttcher aus Klosterhardt. Vielleicht aber auch die Demirs selbst, Çigdem und Mehmet, die ohne all diese vielen freundlichen Menschen, die ihnen Tag für Tag zur Hand gehen, vermutlich längst verzweifelt wären. Ohne sie könnten sie ihrem Sohn Güven vielleicht genügend Liebe geben, aber nicht so viel Aufmerksamkeit und Hilfestellung, wie Güven braucht, um das zu lernen, was andere Vierjährige auch können.
In Güvens Zimmer ist Freitagmittag um halb zwölf ordentlich was los. „Los Güven! Du schaffst das!“ Zwei Helfer stehen an der „Rutsche“, der von Papa selbstgebauten Konstruktion, und feuern den Jungen an. Der liegt bäuchlings da und streckt den Windel-Popo in die Luft. „Komm schon!“ Vier Hände fassen mit an, helfen ihm auf alle Viere, stupsen ihn sanft, damit er ins Krabbeln kommt. Aus eigener Kraft soll Güven bis nach unten kommen, das ist das Ziel. Hat er keine Lust mehr und bleibt stehen, bitten und drängen sie, streicheln und schieben, geben nicht auf, bis es weitergeht. Unten angekommen, geht es von vorne los.
Jeden Tag stundenlange Übungen
Was nach lustigem Spiel aussieht, ist ein hartes Stück Arbeit. 35-mal am Tag muss Güven die Krabbelübung machen. Und das ist nur ein kleiner Teil seines Trainingsplans. Çigdem und Mehmet Güven haben sich entschieden, mit ihrem hirngeschädigten Kind die so genannte Doman-Therapie durchzuführen. Bei einem Seminar in Rom und dem Besuch des „Family Hope Center“ in den USA haben sie gelernt, was das bedeutet. Reflextraining, Geruchstherapie, Schwimmunterricht, Sehtraining, Ernährungsberatung, Sprachtherapie, Koordinationsprogramm, Reflexzonenmassage – und immer wieder zusätzlicher Sauerstoff über eine Maske. Den braucht Güven, weil er nicht an der frischen Luft toben kann wie andere Kinder. „Wenn sie alles befolgen, kommen täglich zehn Stunden zusammen“, sagt Marion Bross, Güvens Krankengymnastin. Sie hat als erste erkannt, dass das junge Paar die Aufgabe auf keinen Fall alleine schultern kann. Mit einer Anzeige in der Zeitung suchte sie ehrenamtliche Helfer – mit Erfolg.
Çigdem Demir merkte früh, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt. Schließlich ist die 30-Jährige gelernte Kinderpflegerin. Es folgte ein Marathon durch Krankenhäuser und Arztpraxen. „Ich habe drei Jahre lang versucht, herauszufinden, was er hat“, sagt sie, „jetzt ist es mir egal“. Jetzt geht es nur noch um die Fortschritte, die Güven macht.
Therapie kostet Zeit und Geld
„Man macht so viele sinnlose Dinge im Leben, da kann man auch einmal etwas Sinnvolles machen“, sagen Helga und Hans-Werner Jansen, 63 und 68 Jahre alt. Sie kommen jede Woche einmal, um Güven bei seiner Therapie zu unterstützen. Wie Beate Schossau (49) aus Schmachtendorf, die von Çigdem Demir als „wunderbare Frau“ schwärmt und Edith (75) und Harro (77) Böttcher aus Klosterhardt. „Wir haben drei gesunde Söhne und drei gesunde Enkel.“
Ohne die ehrenamtlichen Helfer könnten die Demirs die von Glenn Doman vor 50 Jahren in den USA entwickelte ganzheitliche Therapie nicht anwenden. Das Problem ist, dass sie auch viel Geld brauchen, für Reisen, Vitaminpräparate, Gasflaschen, Masken, Kissen, Liegen und anderes Zubehör. Aktionen wie ein Trödelmarkt und ein Benefizkonzert von Mehmet Demirs Band waren Tropfen auf den heißen Stein. Jetzt gibt’s ein Spendenkonto: Nr. 37230109, Merck Fink u. Co, BLZ 300 309 00, Stichwort „Güven Demir“. Wer ehrenamtlich helfen möchte, meldet sich bei Marion Bross: 60 70 990.