Oberhausen. Die 80 Betten im Carl-Sonnenschein-Haus bleiben keine Nacht ungenutzt. Mehr Frauen ohne Wohnung
Angesichts der klirrenden Kälte zieht es Obdachlose in Oberhausen vermehrt ins Warme: Die 80 Betten im Carl-Sonnenschein-Haus der Caritas bleiben keine Nacht lang ungenutzt. Viele Betroffene haben zudem bei Bekannten oder entfernten Verwandten vorübergehend Unterschlupf gefunden, so die Wohnungslosenhilfe der Diakonie. Nach deren Schätzung nächtigt demnach nur eine Handvoll Obdachloser derzeit unter freiem Himmel.
Doch auch für diese kleine Gruppe Hartgesottener wäre eigentlich noch Platz vorhanden, wie Jens Schwalm, stellvertretender Leiter des Carl-Sonnenschein-Hauses, mit Nachdruck betont. „Bei uns wird niemand abgewiesen. Für eine Nacht geht das immer. Und danach kümmern wir uns um ein anderes Quartier.“
Verstärkte Nachfrage in der Notunterkunft
Platz fänden Obdachlose auch in der städtischen Notunterkunft. „Witterungsbedingt gibt es nur eine leicht verstärkte Nachfrage“, erklärt Hartmut Gärtner vom Bereich Soziale Angelegenheiten. Von den insgesamt 40 Betten seien nicht mehr als zehn belegt.
Warum aber zieht es jemand dennoch vor, in der eisigen Kälte zu übernachten? „Das ist sicher schwierig nachzuvollziehen“, sagt Diakonie-Streetworker Marc Grunenberg. „Da spielen psychische Erkrankungen oder auch irgendwelche Ängste eine Rolle. Ein Klient von mir hat selbst bei 17 Grad Minus noch draußen geschlafen. Ich werde weiter versuchen, ihn von einer Notunterkunft zu überzeugen, aber die Erfolgschancen sind da eher gering.“
Streetworker bringt Schlafsäcke
Jeden Abend klappert der Streetworker die bekannten Obdachlosen-Treffpunkte der Stadt ab und besucht seine langjährigen Klienten an ihrer individuellen „Platte“ – mit Decken, Schlafsäcken und warmen Getränken im Schlepptau. Allein in der vergangenen Woche konnte er dabei vier Wohnungslose vom Gang in die beheizte Notunterkunft überzeugen. „Die Situation ist insgesamt recht entspannt“, fasst der Leiter der Wohnungslosenhilfe der Diakonie, Frank Bremkamp, dementsprechend zusammen. „Nach unseren Erkenntnissen sind zwei oder drei Leute nachts draußen. Das ist nicht wirklich viel für eine Stadt dieser Größenordnung.“
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Es geht nicht nur um Obdachlosigkeit
„Tendenziell probieren Frauen länger eigene Lösungswege aus, bevor sie Hilfe suchen. Wenn sie dann zu uns kommen, haben sie häufig einen ganzen Rucksack voller Probleme“, so Streetworker Grunenberg. „Es geht dann nicht nur um Obdachlosigkeit, sondern auch um Schulden, psychische Erkrankungen oder Gewalterfahrungen.“ Ein weiteres Problem: Häufiger noch als Männer brechen die Frauen die Hilfsmaßnahmen ab. „Sie nutzen wackelige Optionen, um irgendwo unterzukommen. Dann halten sie es dort aber auch nicht lange aus, und es geht wieder von vorne los“, berichtet Grunenberg, dem auch Fälle von sogenannter Wohnungs-Prostitution bekannt sind.
Etwas Positives kann er dem Trend aber doch abgewinnen: „Früher hatten wir viel verdeckte Obdachlosigkeit bei Frauen. Jetzt werden Probleme offengelegt und Hilfsangebote angenommen. Das ist grundsätzlich gut.“