Oberhausen. . Deichkind feierten die Rocky Horror Picture Show des deutschen Sprechgesangs. 5300 Fans huldigten den Hamburger Elektro-Punkern in der Arena in Oberhausen – oftmals im schrillen, schrägen und manchmal auch schaurigen Kostüm.
Wer beim Konzert mehr als nur ein Tribünen-Wipper sein möchte, muss sich ordentlich ins Zeug legen. Transparente wedeln, Foto-T-Shirts tragen oder Unterwäsche auf die Bühne schleudern hätten beim Deichkind-Konzert in der König-Pilsener-Arena jedoch nicht einmal für eine Randnotiz gereicht.
Die 5300 Fans der Hamburger Elektro-Punker verwandeln die gut zweistündige Show in eine Art „Rocky Horror Picture Show“ des deutschen Sprechgesangs und stehen dem Auftreten der Protagonisten um nichts nach. Schrill, schräg und irgendwie auch schaurig.
Zirkus des schlechten Geschmacks
Deichkind zeigen seit 15 Jahren alles, was beim angepassten Mikrofon-Mainstream eigentlich so gar nicht passt. Zu Beginn knarzen die Elektro-Samples bei einem selbstgemachten Trash-Video mit Ufo-flugstunden über den Videovorhang. Danach schlägt der Elektro-Beat direkt in der Magengegend ein. Deichkind tragen kollektiv viel nackte Haut. Wenig Astralkörper, dafür Badehosen und Müllsack-Mode, angereichert mit einem Hauch von Neon.
Es wirkt so, als würden Kryptic Joe, Ferris Hilton, DJ Phono, Sebastian „Porky“ Dürre & Co. in einen Spiegel blicken: Im Innenraum fliegen Neon-Leuchtstäbe durch die Gegend, der Wetterbericht sagt Bierduschen voraus. Mühelos haben sich Fans in einen Traum aus Plastik gewandet. Das Markenzeichen von Deichkind, eine Pyramide, sitzt auf ihrem Kopf.
Deichkind wandeln bewusst zwischen gaga und genial. Ihre Texte sind Partygassenhauer („Leider geil“), strotzen vor Proll-Potenzial („Remmidemmi - Yippie Yippie Yeah“), beinhalten aber auch immer wieder sozialkritische Ansätze. Ihr Song „Bück’ dich hoch“ nimmt die Arbeitswelt aufs Korn und kann im anarchigen Deichkind-Reich als eine Art Lieblingshymne aller Betriebsräte interpretiert werden.
Deichkind in der Köpi-Arena
Dass die harte Realität den knallbunten Knarz-Kosmos manchmal einholt, zeigte sich, als ein Fan den Song im Internet bei Facebook postete und von seinem Arbeitgeber vor die Tür gesetzt wurde.
Dabei beherrscht die Gruppe aus Hamburg das Zusammenspiel aus dumpf und dreckig durchschlagend perfekt, zeigt eine optisch ungewöhnliche Show mit Sentimentalitäten und liefert nicht zuletzt eine raue, zotige, aber im Kern perfekt auf die Texte zugeschnittene Elektro-Kost ab.
Rau, zotig – perfekt abgestimmt
Ein zweistündiger Ausflug in ein Land ohne Spielregeln – und der Kalauer in Wort und Bild. Ohne Respekt macht sich Deichkind über Musik-Kollegen wie Rammstein lustig, karikiert deren martialische Bühnenshows, stellt sogar die Schlauchboot-Sequenz nach, bei der ein Bandmitglied über die Köpfe der Zuschauer paddelnd durch den Innenraum getragen wird. Auch sonst sieht man Sachen, die eher in den Zirkus des schlechten Geschmacks gehören als auf eine Konzertbühne.
Bandmitglieder, die Gesichtsmasken wechseln wie andere Künstler ihre Instrumente, sich mit freiem Oberkörper auf riesigen Trampolinen tollen, mit einem Tandem herumradeln und plötzlich auch noch auf einem überdimensionalen Bierfass rollend durch die Arena kutschieren.
Musik, die wie für eine große Bühne gemacht erscheint. Deichkind entzückt sich hoch.